Das in der Exposition verwandte Archivmaterial geht unter die Haut und zwingt zu einer Auseinandersetzung mit der Frage, die der Filmtitel aufwirft. Umso weniger eignet sich dagegen der daran anschließende Film um nach einer Antwort zu suchen und tatsächlich wäre Serrador gut beraten gewesen, die Dokumentaraufnahmen alleine schon aus bloßem dramaturgischen Selbstzweck heraus ans Ende des Films zu packen (wie er es im Interview auch selbstkritisch einräumt).
Denn der Zusammenhang den Serrando aus übelsten realhistorischen (und - leider - immer noch gegenwärtigen) Menschenrechtsverletzungen und seiner imaginären Horrorgeschichte bastelt ist unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten völlig daneben (man kennt derartige Kontexte eher aus dem Bereich des rape 'n' revenge Films oder aus typischen "Faustrecht á la Charles Bronson" Geschichten) und rein unterhaltungstechnisch betrachtet leider auch eine ziemliche Nullnummer. Zu offensichtlich drängt Serrando diesbezüglich sein Gleichnis dem Zuschauer auf, als dass sich bei diesem am Ende Verblüffung über die möglichen Motive der Kinder einstellen könnte. Da hat es sich Serrando einfach zu leicht gemacht. Viel zu leicht.
Einmal völlig abgesehen davon, dass zwischen den realen Misshandlungen denen Kinder wehrlos ausgesetzt sind und dem Verhalten der Kinder im Film kein erkennbarer kausaler Zusammenhang besteht (dieser Zusammenhang wird bisweilen im Sinne einer gesellschaftskritischen Komponente des Films lediglich behauptet, seltener auch mal (logisch falsch) begründet) versucht Serrando nicht einmal eine ursächliche Begründung für die Wesensveränderung der Jungen und Mädchen zu liefern. Eine solche war in Juan José Plans Roman "El juego de los ninos" immerhin noch vorhanden, wenn auch nur in Form einer absolut unbefriedigen Erklärung durch ominösen Staub, der buchstäblich vom Himmel gefallen ist.
Schwamm drüber, hier wurde schlicht eine ebenso schockierende wie diskussionswürdige Problematik verbraten, um eine (wohlmöglich durchaus gutgemeinte aber leider aussagelose) Parabel in Form eines Horrorfilms zu konstruieren. Der erhobene Anspruch der Gesellschaftskritik geht lediglich aus dem Dokumentarmaterial hervor, welches isoliert vom Rest des Films genauso seine aufwühlende Wirkung behält und durch die Fiktion keine Verstärkung erfährt (und überdies auch gar nicht nötig hat).
Bleibt immerhin noch die Unterhaltungsebene eines Horrorfilms, der unter rein ästhetischen, handwerklichen und dramatischen Gesichtspunkten immerhin teilweise sehenswert ist, wenn auch alles andere als restlos überzeugen kann. So können einige durchaus gelungene Einstellungen und Bilder in Erinnerung bleiben (etwa eine unheimliche Sequenz als die Kinder am Abhang hinter der Hütte wie aus dem Nichts auftauchen) und auch das gewählte setting trägt zu einer grundsätzlich stimmungsvollen (wenn auch geradezu unüblichen) Atmosphäre im Sinne des Genres bei.
Andererseits hat die Handlung zu wenig Substanz um die Erwartungshaltung des Zuschauers konstant aufrecht zu erhalten. (Wenige) Wesentliche Entwicklungen und Ereignisse sind frühzeitig absehbar, dazu spielen die Darsteller (durchaus motiviert aber leider oft vergebens) gegen die holprige Dramaturgie und die unlogischen Verhaltensweisen an, die ihnen das Drehbuch vorschreibt. Gerade an den meist nichtssagenden Dialogen wird dies deutlich. Die inhaltliche Leere resultiert auch aus der Tatsache, dass einfach zu wenig Akteure vorhanden sind. Sieht man von einigen Nebenrollen ab und betrachtet man die Kinder kollektiv als eine Figur, muss die Handlung über weite Strecken mit den beiden Protagonisten Evelyn und Tom auskommen, die auf einer Insel am Arsch der Welt nun einmal nicht viel Handlungsspielraum haben (und diesen auch noch sehr schlecht nutzen). Gottseidank steht zufällig ein Jeep auf dem Dorfplatz herum (mit gefülltem Tank und Zündschlüssel im Schloss), sonst hätte sich die Handlung wohlmöglich gar einzig innerhalb des Kaffs abgespielt.
Für das Ende borgt sich Serrando einen (im Entstehungsjahr immerhin noch nicht zu oft gesehenen) Twist, der an manch einen legendären Zombiefilm erinnert und wenn der Abspann über den Bildschirm flimmert darf sich der Zuschauer zu Recht unterversorgt fühlen. "Who can kill a child?" ist sicherlich ein ungewöhnlicher Genrefilm, jedoch objektiv betrachtet ebenso mängelbehaftet wie überbewertet. Zieht man als Bezugsnorm die Wirkung heran, die ein Horrorfilm haben sollte (und sieht man von der Exposition ab, die den wahren Horror zeigt), kann man sich bei der Sichtung durchaus grausen. Aber man muss nicht.