Narciso Ibáñez Serrador ("Das Versteck") kreierte mit "Scream - Ein Kind zu töten" anno 1976 einen interessanten, seinerzeit vermutlich recht kontrovers aufgenommenen Beitrag zum florierenden Horrorgenre. Anders als zuvor Romeros Klassiker "Night of the living Dead" geht "Scream" noch einen Schritt weiter und lässt anstelle weitesgehend anonym bleibenden, hungrigen Zombiehorden eine Horde außer Kontrolle geratener, aber ansonsten quicklebendiger Kinder auf zwei ahnungslose Touristen (Lewis Fiander, Prunella Ransome) los, als es jene auf eine abgelegene Insel vor der spanischen Küste verschlägt. Der unbeschwerte Tripp gerät zum Alptraum. Was lässt die fröhlich umhertollenden Kinder praktisch im selben Moment zu eiskalten Killern werden?
Eine Antwort bleibt "Ein Kind zu töten" letztlich bewusst schuldig. Nichtsdestotrotz weiß der hübsch fotographierte, atmosphärisch dichte Schocker nach einer gewissen Anlaufzeit sehr solide zu unterhalten. Trotz deutlich domierenden Tagesszenen leidet der Spannungsbogen kaum, was vor allem der stimmungsvollen Kulisse des scheinbar verlassenen Inseldörfchens und den dort umhertollenden, so unendlich unschuldig erscheinenden Psychokindern zu verdanken ist.
Schnell entbrennt dort jedoch ein gnadenloser Überlebenskampf, der die zwei gehetzten Erwachsenen vor die unvermeidliche Frage stellt, ob eine Kindstötung in Notwehr moralisch irgendwie verantwortbar ist. Eine Frage, die vor allem der weiblichen, gelegentlich etwas nervigen Protagonistin arg zu schaffen macht, während der Herr der Schöpfung eher die Initiative ergreift. Letztlich siegt jedenfalls der Überlebensinstinkt - ein gutes Ende für alle Beteiligten ist damit allerdings noch keineswegs garantiert...
Was mich an Serradors "Ein Kind zu töten" ein wenig stört, sind die nicht enden wollenden Hinweise u.a. eines Off-Erzählers auf das weltweite Leiden von Kindern, insbesondere in Krisenregionen wie dem damals noch im allgemeinen Gedächtnis tief verwurzelten Schlachtfeld Vietnam. Auch die Dialoge der eigentlichen Handlung werden nicht müde, laufend auf besagtes humanitäres Problemfeld zu verweisen.
Das wirkt auf Dauer dann doch etwas zu übertrieben und penetrant, andererseits passt es wiederum recht gut zu den moralischen Belehrungstendenzen der 70er Jahre.
Fazit: Besonders in der zweiten Hälfte packender, intensiv gespielter Horrorthriller, der mit wenigen Gewaltszenen sowie klassischen Schockmomenten auskommt und im Gegenzug besonders mit seinen toll eingefangenen Schauplätzen und seiner herausfordernden Grundthematik punkten kann. Ein erfrischend innovativer, durchaus zeitkritischer Höllen-T(r)ip für alle, die genug haben von vermummten 08/15-Schlitzern, Poltergeistern und blutrünstigem Zombieallerlei.
Kleine Empfehlung zum Schluss: Erst jüngst erschien mit dem britischen Genrefilm "Children" ein moderner und ähnlich gelagerter, wie heute üblich natürlich auch weitaus brutalerer Beitrag zum Thema Kinderhorror, der jedem Genrefreund wärmstens ans Herz gelegt sei!