Was jüngst „Eden Lake“ mit etwas mehr brachialer Gewalt, dafür aber weniger Atmosphäre auf den Punkt brachte, gelang bereits diesem spanischen Kleinod anno 1976.
Von Kindern initiierte Gewalt, ohne Möglichkeit zum Kompromiss oder Chance zum Entkommen. Eine Situation, die letztlich nur noch eine Frage zulässt: Ein Kind zu töten oder getötet werden?
Jener Ausgangslage stehen Tom und die hochschwangere Evelyn auf einer spanischen Insel völlig machtlos entgegen. Zunächst finden sich nur vereinzelte Kinder am Strand, spielend, unauffällig, lachend und tobend. Häuser, Bar, Einkaufsladen, Pension, - nirgends findet sich ein Erwachsener, doch alsbald wird das Paar Zeuge, wie ein kleines Mädchen einen alten Mann erschlägt. Für sie wird klar: Sie müssen runter von der Insel, doch die Kinder rotten sich zu immer größer werdenden Gruppen zusammen…
Bereits die ersten sieben Minuten fassen einen geballten Schlag in die Magengrube zusammen. Mit dokumentarischen Bildern wird untermauert, wie sehr Kinder Leidtragende erwachsenen Einflusses wurden, in Konzentrationslagern, im Vietnamkrieg, in Afrika.
Da im Verlauf ganz bewusst auf eine Erklärung für das eiskalte Vorgehen der Kinder verzichtet wird, könnte dies bereits als vage Interpretation angesehen werden.
Umso perfider, da es sich um völlig natürlich wirkende Kids handelt, lächelnd, auf den ersten Blick unbedarft und sorglos und nicht etwa wie die aus „Dorf der Verdammten“ oder gar „Kinder des Zorns“.
Auf diese Weise folgt die unausweichliche Bedrohung. Wie malerisch der markant spanische Baustil unter der gleißenden Sonne anmutet, wie einladend die verwinkelten Gassen auf den ersten Blick wirken mögen, so unheilvoll schwingt eine düstere Atmosphäre mit, denn die Touristenhochburg, in der das Paar zuvor weilte, mit all seinen Festen, Feuerwerken und laut feiernden Menschen, so paradox erscheint nun das überaus einsame Szenario auf der Insel, auf der nach und nach Leichen entdeckt werden.
Dort, wo man frei von Stress und Menschenmassen verweilen wollte und sich ein paar Tage auf die Geburt vorbereiten wollte, herrscht der Tod in immer trüberer Andeutung.
Die Atmosphäre ist schlicht spooky as hell und die langsam aber bedacht erzählte Geschichte gerät zu einem Schreckensszenario sondergleichen.
Dabei wird man sich nicht der Entscheidung verwehren können, sich eigene Gedanken darüber zu machen, wie weit man in dieser Lage gehen würde oder könnte. Wie stark die Hemmschwelle tatsächlich wäre, mit einer MG auf eine Gruppe lieb lächelnder Kinder zu schießen, die ihrerseits keinen Moment zögern würden, dir ein Messer in den Leib zu rammen.
Insofern ist das Verhalten von Tom und Evelyn in jeder Sekunde nachvollziehbar und glaubhaft. Es ist das natürliche Entgegenkommen, die uneingeschränkte „Unschuldsvermutung“ (zumindest bis zu einem gewissen Alter…) und der fundierte Glaube, dass kein Kind von Natur aus schlecht oder böse ist.
All das wird hier ad absurdum geführt, es wird nicht erklärt, man muss es schlicht hinnehmen und verdauen.
Und so steigert sich die bedrückende Atmosphäre zu einem wahrlich spannungsgeladenen Alptraum, der keine sonderlichen Schockmomente benötigt, um auf nahezu ganzer Linie zu überzeugen. Seine starken Momente bezieht der Streifen aus seinen stillen, aber intensiven Momenten, die so unmittelbar erscheinen, als wäre man selbst in dieser überaus prekären Situation, die über Leben und Tod entscheidet.
Und in der möchte man weder mit den Erwachsenen, noch mit den Kindern tauschen.
9 von 10