Review

 Eins schon mal vorneweg: Wer hier eine Blutorgie erwartet, wird enttäuscht sein. Gleich noch eins hinterher: Wer einen guten Film erwartet, auch. Folgendes passiert: Ein Pärchen - Tom und Evelyn - fährt auf eine spärlich bewohnte spanische Insel und muss feststellen, dass sich kaum Menschen in dem Ort aufhalten. Die wenigen, die sie antreffen, sind Kinder, und jene verhalten sich reichlich gestört. Der Zuschauer ahnt schon etwas, sintemal er weiß, was die Protagonisten nicht wissen: In den vergangenen Tagen sind zwei Leichen ans Festland gespült worden, die sehr wahrscheinlich von der Insel kamen; des Weiteren liegt eine Leiche im Supermercado herum, vom einkaufenden Tom unbemerkt. Das baut eine enorm bedrohliche Spannung auf, die in der (tödlichen) Attacke eines Mädchens auf einen alten Mann kulminiert - und dann rapide, von 100 auf null, abfällt, als die Engländer diesen Vorfall nicht zum Anlass nehmen, sofort diese Insel zu verlassen. Ich könnte es in fast jedem Review schreiben: Es gibt Logiklöcher, die man übersehen kann, und es gibt solche, die den ganzen Film zerstören, indem sie jegliche Spannungsmomente aushebeln. Und es gibt in fast jedem Film solch ein Loch, speziell in denen, die spannend sein müssen, um ihr Ziel zu erreichen: Thriller und Horrorfilme. Hier haben wir den Spannungs-GAU: Das Verhalten des Pärchens ist derartig abwegig, psychologisch nicht nachvollziehbar, ja schlichtweg so schwachsinnig, dass alles, was anschließend passiert, nicht mehr interessiert, weil es bei realistischer Handlungsweise der  durchaus mit gesundem Menschenverstand ausgestatteten Charaktere einfach nicht statt gefunden hätte. Auch wenn die Insel offenbar eine morbide Anziehungskraft auf den Mann ausübt - wenn Kinder eine Leiche als Piñata benutzen und derlei Dinge, von der beklemmenden Grundstimmung einmal abgesehen, dann würde doch wirklich jeder psychisch halbwegs intakte Mensch die Flucht ergreifen. Und dann, als sie einen weiteren Mann getroffen haben, heißt es sehr unvermittelt „wir müssen von dieser Insel weg!“ - ach ne! Gesehen schon in zahlreichen schlechten Horrorstreifen, braucht man nicht mehr. Ebenso wenig die ewig langen und zähen Dialoge, die zwischen den Schreckensereignissen geführt werden. Absolut unglaubwürdig auch die Hemmung, die Kinder anzugreifen oder zu töten: Wer einen gesunden Selbsterhaltungstrieb hat, würde, wenn er denn zum Töten fähig wäre, auch vor einem Kind nicht halt machen, wenn sein Leben davon abhinge. Gut, und so geht der Film dann weiter, wie er ausgeht (auch reichlich konstruiert, das Ganze), ist dann schon egal.
 Jetzt kommt man mir vielleicht mit „experimentell“ und „höherer Bedeutung“, „intellektuell“ und so - ich sehe da aber nichts, was diesen „kulturellen Mehrwert“ ausmachen würde. Denn die Präsentation gleicht vielen Werken aus den 70ern, in denen ruhige Atmosphäre schnell mal in banale Langeweile umschlägt. Und eine eventuelle Botschaft, die im Zusammenhang mit den zu Beginn des Films gezeigten Kriegs- und Hungersnöten herauszulesen ist, empfinde ich als geradezu moralinsauer: jetzt bekommen die bösen Erwachsenen zurück, was sie den Kindern antun.
 Nun gut, in der Entstehungszeit und für Menschen, die sich den Wahrheiten des irdischen (Zusammen-)Lebens eher verschlossen gegenüber zeigen, mag der Film etwas Aufrührendes, Schockierendes haben - aber wir haben das Jahr 2009, und mit der Welten Unbill habe ich mich schon intensiver auseinandergesetzt, also  bleibt „Ein Kind zu töten“ für mich weitestgehend langweilig und uninteressant - trotz des wirklich unheimlichen Anfangs.

Details
Ähnliche Filme