Review

US-Regisseur Jeff Liebermans („Squirm – Invasion der Bestien“) zweiter Spielfilm aus dem Jahre 1978, „Blue Sunshine“, ist ein feiner Low-Budget-Horrorthriller, der genau zum richtigen Zeitpunkt kam. Er erzählt die Geschichte eines LSD-Derivats, das zehn Jahre nach seiner Einnahme furchtbare Spätfolgen offenbart, indem es, angekündigt von Kopfschmerzen, Überempfindlichkeit und Haarausfall, seine Konsumenten Amok laufen lässt.

Zunächst fällt die weitaus professionellere Machart verglichen mit Liebermans trashigem Debüt „Squirm“ auf. Die Regie ist einwandfrei, die Kameraarbeit dynamisch und das Timing stimmt. Eines sollte man allerdings nicht erwarten: Eine visuelle Umsetzung eines LSD-Trips. „Blue Sunshine“ bleibt clean und gibt sich keinen Experimenten hin. Das mag auf manche enttäuschend wirken, steht diesem Film meines Erachtens aber gut zu Gesicht, der weder wirrer Drogenfilm, noch moralistischer Zeigefinger sein will. Statt dessen macht er sich die verbreitete Angst vor der einen einholenden Vergangenheit zu Nutze und darf auch als Abgesang auf die Hippie-Ära interpretiert werden, deren ehemalige Protagonisten längst im ehemals so verhassten Establishment angekommen sind und von ihren Jugendsünden nichts mehr wissen möchten. So kandidiert Edward Fleming (Mark Goddard), der das Zeug damals vertickte, mittlerweile gar für ein hohes politisches Amt und versucht sich bei den potentiellen Wählern als Everybody’s Darling einzuschleimen. Im Jahre der Punk-Explosion, die sich explizit gegen das verlogene Hippietum wandte, war „Blue Sunshine“ der rechte Film zur rechten Zeit.

Dabei geht es bereits anfänglich recht gediegen zur Sache: Auf einer Party kippt unverhofft die Stimmung, als einem der fröhlichen Gäste ins Haar gegriffen wird, das sich daraufhin als Perücke entpuppt. Er verliert die Nerven, verfällt in wütende Raserei und befördert kurzerhand die weiblichen Gäste ins Jenseits, z.B. indem er sie im Kamin verfeuert. Jerry Zipkin (Zalman King, „Planet des Schreckens“) kann ihn aufhalten, gerät aber selbst in Mordverdacht und versucht fortan, den seltsamen Ereignissen auf den Grund zu gehen. Das ist der Startschuss für eine Handlung, im Laufe derer immer mehr unscheinbare Bürger plötzlich dem Wahnsinn anheimfallen und zu einer Gefahr für ihre Mitmenschen werden, Die schleichende Bedrohung wurde dabei dramaturgisch gut in Szene gesetzt und auch der furchterregende Anblick der ihre Perücken verlierenden Drogenopfer ist – insbesondere in der Eröffnungsszene – ein echter Schocker.

Da braucht es auch keine Splattereffekte o.ä., die der Film nicht bietet, die Härte ist vielmehr psychologischer Natur. Besonders gelungen ist die Szene eines Amoklaufs in einer Disco, die farblich gut ausgeleuchtet wurde, sowie die anschließende Eskalation in einer Einkaufsmeile. In seinen besten Momenten erinnert „Blue Sunshine“ etwas an Cronenbergs Frühwerke, zumindest was die paranoide Grundstimmung betrifft – denn es ist nicht immer eindeutig, wer nun von den Konsumfolgen betroffen ist und wer nicht. Diesen spannenden Aspekt hätte man aber gern weiter ausbauen dürfen. Ein passender, mal funkiger, mal souliger, mal einfach bizarrer Soundtrack unterstützt die Stimmung des Films und wird zu einem dominanten Bestandteil. Schön wäre allerdings gewesen, hätte man das Ende auch tatsächlich filmisch umgesetzt, statt lediglich eine Texttafel vorzulesen. So wirkt es doch sehr abrupt, verfrüht und nicht unbedingt befriedigend. Schauspielerisch gibt es weder besondere Höhen noch Tiefen zu sehen, erinnerungswürdig bleibt der Wahnsinn im Blick der ex-LSD-Junkies.

Fazit: Gelungener, origineller Horrorfilm der 1970er, der ungeschliffen und rabiat wirkt, ohne sich in Sleaze oder Gewalt zu verlieren und sein über weite Stecken dann doch ruhiges Erzähltempo wie so viele zeitgenössische Produktionen für die atmosphärische Entfaltung von Zeitkolorit nutzt. Vielleicht Liebermans bester Film.

Details
Ähnliche Filme