Vier Großstädter brechen zu einem Kanutrip in die dichtbewaldete Wildnis auf. Die arrogant-herablassende Art, mit der sie den ersten Bewohnern dieser abgelegenen Gegend begegnen, endet abrupt, als durch zwei brutale Hinterwäldler ihr Abenteuerausflug zu einem Albtraum wird. Auf den reißenden Schnellen des Flusses und in der unwirtlichen Wildnis kämpfen sie bald ums nackte Überleben.
Der deutsche Verleih hat es mit seinem reißerisch-schwachsinnigen Titel versucht, aber nicht geschafft: „Deliverance" lässt sich den Status eines grandiosen Kultfilms nicht nehmen. Eine menschenfeindliche Wildnis, unbedarfte Ausflügler, seltsame Hinterwäldler - der Survival-Schocker aus den frühen 70ern nimmt Elemente vorweg, aus denen das spätere Backwood-Slasher-Genre die allermeisten seiner Ideen speiste. Doch was hier geboten wird, ist weit weg von solchen Horror-Reißern und viel näher an der Realität: „Deliverance" ist ein gnadenlos authentischer, grausamer und packender Trip ins Herz der Finsternis.
Das beginnt schon mit den überwältigenden Naturaufnahmen, die von einer scheinbar schwerelosen Kamera atemberaubend eingefangen werden: Die tiefen, dichten Wälder, der ungezähmte Fluss mit Stromschnellen und Felsen, das unwegsame Gebirge - selten im Hollywoodkino wurde die raue Schönheit der Natur so naturalistisch und glaubhaft eingefangen. Allein die scheinbar endlose Weite dieser so wilden wie idyllischen, aber niemals romantisierten Natur kann einem immer wieder den Atem nehmen.
Dazu kommen die starken Darsteller. Zum einen die bekannten, noch blutjungen Gesichter von Burt Reynolds, Jon Voight und Ned Beatty. Reynolds gibt den groben Macho mit Hang zum Survival-Klugscheißer und Prepper mit so viel Intensität, dass man sich ihn hier kaum in seinen sonstigen weichgespülten Heldenrollen vorstellen kann. Ebenso Voight als sein intellektueller Gegenpart und Freund, der seine aufkeimende Panik und das Bemühen, angesichts immer neuer Gefahren einen klaren Kopf zu behalten, ergreifend emotional rüberbringt - und dessen tragische Züge perfekt in seinen Handlungen verkörpert werden. Beatty schließlich vollbringt das Kunststück, seinem anfangs eher als leicht schusselige Lachnummer dienenden Charakter gerade nach dessen größter, brutaler Demütigung so viel Menschenwürde zurückzugeben, dass man mit ihm mitleidet und mitfiebert. Was in späteren Survival-Horrorfilmen zu platten Klischeefiguren wurde, sind hier noch ausgefeilte und vielschichtige Charaktere.
Zum anderen überzeugen auch die Darsteller der Hinterwäldler. Schon die anfängliche Szene mit dem Jungen und seinem Banjo vermittelt ein starkes Gefühl von der vollkommenen Fremdheit der Kulturen zwischen dieser tiefen Einöde und dem modernen Großstadtleben. Die Überheblichkeit dieses modernen Lebens, das hier den Einwohnern einfach ihre Heimat wegnimmt, indem das gesamte Gebiet für einen Staudamm geflutet werden soll, wird in den direkten Konfrontationen zwischen den Figuren mehr als deutlich. Und ebenso die moderne Hilflosigkeit in der berühmt-berüchtigsten Szene: als zwei der Kanu-Freunde von zwei Hinterwäldlern überfallen und misshandelt werden. „Deliverance" sorgte bei Erscheinen nicht zuletzt deswegen für enormes Aufsehen, weil er als der erste Mainstreamfilm gelten kann, der eine homosexuelle Vergewaltigung zeigt.
So ist „Deliverance" ein packender, grausamer und enorm spannender Film, der dank einer brillanten dynamischen Kamera, überzeugenden Darstellern und atemberaubenden Bildern bei aller Eskalation der Ereignisse immer außergewöhnlich realitätsnah und glaubwürdig bleibt und der auch heute noch durchgehend zu fesseln weiß. Ein Meisterstück in Sachen Hochspannungskino, das seine Figuren zu jeder Zeit ernst nimmt und damit nur umso intensiver wird. Und ein Vorreiter für alle modernen Survival-Filme.