„Wir rauben Banken aus!“
Was US-Regisseur Arthur Penn mit der Gangster-Road-Movie-Ballade „Bonnie und Clyde“ zwischen seinen Filmen „Ein Mann wird gejagt“ und „Flesh and Blood“ im Jahre 1967 vollbrachte, nachdem die Journalisten David Newman und Robert Benton ihr Drehbuch zuvor François Truffaut (keine Zeit) und Jean-Luc Godard (keine Studiofinanzierung möglich) vorgelegt hatten, gilt neben „Die Reifeprüfung“ als Mitbegründer des New Hollywood: Ein an die Nouvelle Vague angelehnter, offenerer, freierer Inszenierungsstil und ein Bruch mit altgedienten Hollywood-Konventionen. „Bonnie und Clyde“ wurde zunächst verkannt, dann aber für zehn Oscars nominiert – von denen er zwei gewann.
„Du hast bei mir keinen Augenblick Ruhe!“ – „Versprichst du mir das?“
Die USA zur Zeit der Großen Depression: Kellnerin Bonnie (Faye Dunaway, „Morgen ist ein neuer Tag“) schließt sich kurzentschlossen dem Gangster Clyde Barrow (Warren Beatty, „Der Gentleman-Zinker“) an, fortan raubt man eine Bank nach der anderen aus. Bald wächst das Duo zu einer kleinen Bande heran, denn sie gewinnen in C. W. Moss (Michael J. Pollard, „Die wilden Engel“) einen Komplizen; Clydes Bruder Buck (Gene Hackman, „Lilith“) und dessen Frau Blanche (Estelle Parsons, „Ladybug Ladybug“) stoßen notgedrungen dazu, nachdem Buck während eines Treffens mit Clyde einen Verfolger erschossen hat, und sogar ein junges Ehepaar ist zwischenzeitlich mit von der Partie, als Bonnie und Clyde es kurzerhand entführen, sich aber schnell mit ihm anfreunden. Doch mittlerweile zählt man zu den meistgesuchten Verbrechern der Vereinigten Staaten, Bonnies Nerven liegen zunehmend blank – und die Schlinge der Polizei zieht sich immer weiter zu…
Zwei Texttafeln umreißen grob Bonnies und Clydes Vita, der Vorspann zeigt alte Schwarzweißfotos, doch mit Beginn der Handlung verliert man nicht mehr viel Zeit: Bonnie scheint sich Hals über Kopf in Clyde zu verknallen und die gemeinsame kriminelle Laufbahn nimmt ihren Lauf. Der Dreh an Originalschauplätzen verleiht der romantisierten Adaption der wahren Laufbahn des echten Gangsterpaars ein gewisses Maß an Authentizität. Die Autoren und Regisseur Penn fokussieren sich darauf, ein Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Gefühl zu vermitteln, das Bonnie und Clyde unter der einfachen Bevölkerung zahlreiche Sympathien bis hin zu Rückhalt einbringt, während (und gerade weil) Rechtsstaat und System als gescheitert erachtet werden. Dass sich Bonnie und Clyde mit der größten Bande – der systemerhaltenden Polizei – anlegen, wird ihnen indes zum Verhängnis werden. Und dass der kurzzeitig von ihnen entführte Eugene (Gene Wilder, „Frühling für Hitler“) ein Bestattungsinstitut betreibt, soll sich als böses Omen erweisen.
Die Kamera ist mal nah an den Figuren, mal fängt sie schöne Landschaftspanoramen ein. Der Hillbilly-Banjo-Soundtrack trägt zur Lokalisierung in den Südstaaten bei. Einige Schießereien und Verfolgungsjagden sorgen für Action und mit steigender Laufzeit wird der Film zunehmend härter, bis das ultrabrutale Ende einen aus dem romantischen Outlaw-Märchen heraus auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Es ist fast, als wolle der Film sagen: Vergiss deine Träumereien, „sie“ sind ohnehin stärker. Es kann aber auch als verzweifelter Versuch betrachtet werden, eine Gesellschaft am Rande zur Anomie durch ein Exempel gewaltsam zur Ordnung zu rufen, was letztlich eine weitere Eskalationsstufe bedeutet, die nicht dauerhaft unbeantwortet bleiben wird.
Schade ist es, dass die Handlung ihrer Sexualität beraubt wurde: Überlieferungen zufolge hatten die Autoren ursprünglich intendiert, Clyde als einen bisexuellen Mann zu zeichnen und aus der Beziehung Bonnies, Clydes und Moss‘ zueinander eine Ménage à trois zu machen. Statt einer weiteren Enttabuisierung und zusätzlichen provokativen Potentials blieb nach einigen Drehbuchbearbeitungen jedoch lediglich ein impotenter Bonnie übrig. Eine Kastration des Skripts im wahrsten Wortsinn. Dennoch wurde „Bonnie und Clyde“ ein Meisterstück mitreißenden Kinos, das eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und Verrat erzählt und zum einflussreichen Kultfilm avancierte, dessen spezielle Charakteristika sich über die Jahrzehnte hinweg immer wieder in Filmproduktionen ähnlicher Prämisse finden. Und nicht nur die Dunaway war hier eine echte Entdeckung, der anschließend eine große Karriere bevorstand.
Sollte man gesehen haben.