Als ich vor 4 Jahren eher zufällig „Die purpurnen Flüsse“, ohne jegliche Vorkenntnisse, im Kino sah, war nach 100 Minuten klar, dass Regisseur Mathieu Kassovitz damit einen meiner Lieblingsthriller geschaffen hatte, der gleichermaßen spannend wie atmosphärisch und toll gespielt ist. Da der Film international Beachtung fand und dementsprechend auch ordentlich Kasse machte, begann Produzent Alain Goldman recht schnell mit der Planung einer Fortsetzung – und wie es mit solchen Projekten meist so ist: sie fallen wesentlich schwächer aus.
Weder Vincent Cassel, noch Kassovitz, die es beide nach Hollywood zog, noch Jean-Christophe Grangé, der den Roman und das Drehbuch des Originals schrieb, waren zu einer erneuten Zusammenarbeit zu bewegen und so blieb Jean Reno als einzige Konstante über. Es wäre interessant zu wissen in wie fern die beiden Produzenten Goldman und Besson Dahan ständig bei seiner Arbeit über die Schulter geschaut und beeinflußt haben, doch stilistisch nähert sich „Die purpurnen Flüsse 2 - Die Engel der Apokalypse“ den amerikanischen Vertretern mehr als ihm gut tut. Nervige Close-Ups in den Actionszenen und unübersichtliche Schnittfeuerwerke sind eher Instrumente Hollywoods, während in Europa meist bodenständiger und ruhiger inszeniert wird. Kann in diesem Fall auch daran liegen, dass Frankreichs Vorzeigekameramann Thierry Arbogast („Nikita“, „Léon“, „The Fifth Element“, „Femme Fatale“), der mit seinen ausschweifenden Kamerafahrten den Erstling so prägte, leider ebenfalls nicht mehr beteiligt war.
Olivier Dahan, dem leider jegliches Gespür fehlt spannend zu erzählen (Mag hier auch am Drehbuch gelegen haben), schuf einen sehr düsteren Mysterythriller, der zumindest optisch weitestgehend überzeugen kann. Beginnend in Kloster Lothaire beschleicht den Zuschauer doch leider recht schnell das Gefühl keiner gleichwertigen Fortsetzung beizuwohnen. Das düstere Kloster, die vermummten Mönche, dazu das Unwetter – eine hübsche Kulisse, nur leider ohne das letzte Effet. Als dann Blut aus einer Wand zu spritzen beginnt, keimt wieder Hoffnung auf, die mit Renos erstem Auftritt schon wieder vernichtet wird.
Jean Renos Commissaire Niemans war im Original noch ein Mysterium für sich, der von seiner puren Ausstrahlung lebte. Ein Mann, den man holte, wenn es wirklich brenzlig wurde, der kein Wort zu viel über seine Lippen ließ, sehr verschlossen war und sich mit Cassel kongenial ergänzte. Hier wird er von Besson entzaubert, indem ihm zu viele lockere Sprüche in den Mund gelegt werden. Es ist nicht mehr der Niemans, den man kennen gelernt hat und das ist eine der größten Enttäuschungen. Unmögliche Erkenntnisse scheint er dieses Mal aus der Westentasche zu zaubern, während er insbesondere im Finale unkaputtbar zu sein scheint. Mit Benoît Magimel („Das tödliche Wespennest“), der Vincent Cassels hinterlassene Lücke leider nie schließen kann, wurde ein junger Schauspieler verpflichtet, der hier Niemans ehemaligen Schüler abgibt, insgesamt aber nur einen Abklatsch von Cassel abgibt. Das beginnt bei dem Martial-Arts-Fight zu Beginn und hört bei seinem Pflichtbewusstsein und der Haltung gegenüber seinem ehemaligen Lehrer auf. Auch hier wird Bessons Einfallslosigkeit mehr als deutlich.
Das Konzept wieder ein religiöses Motiv zu gebrauchen, ist dabei gar nicht mal so schlecht. Die Mythologie um Jesus, seine Jünger, die Engel der Apocalypse und die gebrochenen Siegel bergen eine Faszination, die Besson in seinem Flickwerk nie ausschöpft. So muss sich Dahan vor allem auf die Action und blutige Morde konzentrieren. Roter Saft fließt hier viel, wesentlich mehr als im Original, nur besser macht das den Film auch nicht. Genau gegenteilig sind die Actionszenen zu bewerten, da die Jagd auf die aus dem Trailer bekannten Mönche wirklich spannungsgeladenes, mitreißendes Adrenalinkino ist, dass Dahan toll inszeniert hat. Insbesondere die im Krankenhaus beginnende Jagd, die später durch Hintergärten führt und schließlich auf einen einsamen Industriekomplex endet, ist sehr temporeich festgehalten. Diese Killer, schier ohne klar sichtbares Motiv, sind durchtrainiert, scheinbar übermenschlich, strahlen eine eigenartige Aura aus und sind einer der wenigen Pluspunkte des Films.
Leider herrscht zwischen diesen Konfrontationen sehr viel Leerlauf, da die Vorgehensweise der Duos, dass von einer weiblichen, fast überflüssigen, Religionswissenschaftlerin unterstützt wird, immer nach dem selben Schema abläuft. Sobald sie hinter das System der tötenden Mönche gekommen sind, sind diese ihnen immer einen Schritt voraus – soll heißen, sie kommen immer ein paar Minuten zu spät und schaffen es nicht die Mönche aufzuhalten.
Mit zunehmender Spieldauer verhält sich „Die purpurnen Flüsse 2 - Die Engel der Apokalypse“ wie ein Episodenspiel, dem man nicht immer folgen kann. Übergänge wirken wie aneinander gekleistert, Szenen teilweise sogar total überflüssig (Streit um die Bücher, die brennende Leiche vor der Polizei, MG-Turm) und sinnlos, da sie gar keine weitere Aussage haben. Spätestens wenn Christopher Lee (völlig verschenkt) als Heinrich von Garten mit glatzköpfigen Bodyguards auftaucht ist der Ofen leider endgültig aus, so dass sich der Film einem aberwitzigen, wenn auch Action geladenen und mit einer netten Ballerei versehenem Finale hingibt. Dabei wäre aus der Maginot-Linie, allein schon wegen des historischen Hintergrunds, wesentlich mehr herauszuholen gewesen.
Fazit:
Abgesehen vom Titel und Renos Charakter hat „Die purpurnen Flüsse 2 - Die Engel der Apokalypse“ nichts mit dem Original gemeinsam. Luc Bessons zusammenhangloses Drehbuch ist eine einzige Katastrophe, hat Logiklöcher noch und nöcher, wirkt wirr und klischeehaft, ist schlecht zusammengeschustert und hinterlässt zu viele Fragen, als dass hier noch wirklich von Filmvergnügen geschrieben werden kann. Einzig und allein Dahans düstere Inszenierung, die zwar hinter dem Vorgänger zurück bleibt, aber dennoch ordentlich ausfällt, kann dank der atmosphärischen Locations und der temporeichen Action das filmische Desaster verhindern. Für mich, als Riesenfan des Erstlings, eine böse Enttäuschung…