Review

Der im Jahre 2000 entstandene französische Kassenschlager "Die purpurnen Flüsse" von Mathieu Kassovitz, nach einer Romanvorlage von Jean-Christophe Grangé, durfte sich berechtigterweise Vorzeigeobjekt des französischen Kinos nennen. Gekonnt erzählte das Werk die realistische und packende Geschichte des französischen Kommissars Niemans (Jean Reno), der eine Reihe grauenvoller Morde an einer Eliteuniversität aufdeckte. Der Wunsch nach einem zumindest gleichwertigen Sequel wurde laut, welches nun endlich nach vier Jahren den Weg in die Kinos findet. Was den Fan allerdings hier erwartet, hat mit Teil eins nicht mehr viel gemeinsam...
In einem Kloster in Lothringen macht ein neuer Mönch eine schlimme Entdeckung: nachdem er ein Kruzifix an die Wand nagelt, quillt aus dieser Blut hervor. Schnell ist Kommissar Niemans an Ort und Stelle, um zu ermittelt. Seine Mannschaft findet heraus, dass das Blut von einer Person ist, die lebendig eingemauert wurde. Nur kurz darauf geschehen weitere Morde. Zur gleichen Zeit, an anderer Stelle, fahren Jungpolizist Reda (Benoît Magimel) und seine Kollegen einen verwundeten Mann an, der wie Jesus aussieht und scheinbar im Wahn von der Apokalypse phantasiert. Schnell findet sich eine Brücke zwischen Niemans' und Redas Fall, so dass die beiden, die sich noch aus der Polizeischule kennen, zusammentreffen und gemeinsam ermitteln. An ihrer Seite ist Polizistin und Bibelkennerin Marie (Camille Natta), die sogleich einen religiösen Zusammenhang zu den Morden aufdeckt. Alle Spuren der grauenhaften Taten verweißen auf die Mönche des Klosters, die scheinbar die Boten der Apokalypse sind und zudem über übermenschliche Kräfte verfügen.
Wer den ersten Teil kennt, wird sich zurecht wundern wieso sich das Produktionsteam hier auf eine gar so wirre Ausgangssituation eingelassen hat, wo doch der Vorgänger kaum realistischer sein könnte. Hinter dem Plot steckt Drehbuchautor und Produzent Luc Besson, seines Zeichens unter anderem bekannt geworden durch den Film "Das fünfte Element". Unglücklicherweise verzapft der überbewertete Autor hier leider so einen Käse, dass auch die grandiose Inszenierung von Regisseur Olivier Dahan nichts mehr retten kann. Besson schafft ein interessantes Ambiente und sucht sich prima Lokalitäten für seine Handlung aus, aber wenn es darum geht, die eigentliche Geschichte zu erzählen oder Charaktere zu beschreiben, versagt er auf der ganzen Linie. Der Plot ist nämlich von der ersten Minute an hanebüchner Unfug, der kaum mehr mit Klischees gespickt sein könnte. Was im Endeffekt herauskam, ist ein undurchschaubares Allerlei, das so wage konstruiert wurde, dass es schwer fällt, den Zusammenhängen zu folgen - sofern überhaupt welche existieren. Nicht nur einmal fragt sich der Kinobesucher, was überhaupt im Moment geschieht...und warum. Gedanken und Handlungen sind teilweise einfach nur unbegreiflich oder wirr. Das undurchdachte Pseudodrehbuch, das mit abgestandenen Spannungsmomenten kämpft, ist von Besson genauso lieblos hingeklatscht, wie die der modernen auf Mainstream programmierten Hollywoodautoren. Und es ist leider bekannt, dass diese zu gerne die Logik für ein paar ordentliche Effekte über Bord werfen. Neben den überstrapazierten Klischees (zu nennen sind u.a. die obligatorischen Leichenfunde oder eine Szene, in der Rena eine drogenabhängige Billigschlampe und ihren Dealer hochgehen läßt) baute man dann auch noch äußerst unsinnige Szenen in den Film, die für den Verlauf keinerlei Hilfe sind oder irgendeine tiefere Bedeutung haben. Da verfolgt Niemans zum Beispiel einen Mönch durch den Wald, auf einmal fährt ein Bunker aus dem Boden hoch und ballert zwei Minuten lang sein Auto zu Brei.
Das Gedankenkonstrukt um die Apokalypse ist hanebüchen und taucht im Verlauf des Filmes immer weiter in eine traurige Lächerlichkeit ein. Die Auflösung dieser falschen Bibelgeschichte gen Schluss - hinter der natürlich wieder besitzgeile Bösewichte stecken, die alles nur inszeniert haben, um an ihr materialistisches Ziel zu kommen - ist für den Zuschauer ein enttäuschender Ausklang. Es werden lächerliche Erklärungen für die zuvor unglaubwürdigen Geschehnisse aufgetischt, und das so altbacken, dass jeder künstliche und konstruierte Schurkenfilm aus den 60ern mithalten könnte. Die fehlenden Zusammenhänge der einzelnen Plotglieder unterstreichen dabei während des ganzen Streifens hindurch eine gewisse Unlogik und die fehlende Kontinuität. Erschwerend kommt hinzu, dass trotz passender Atmosphäre keine brauchbare Spannung aufkommt - ganz im Gegenteil macht sich gegen Mitte des Films sogar eine bittere Monotonie breit, die fast schon in Langeweile resultiert. Um es offen, kurz und schmerzlos zu sagen: Besson, und nur Besson alleine, hat einen Streifen versaut, der vielleicht ein Meilenstein hätte werden können.
Alleiniger Lichtblick ist die technische Umsetzung des Stoffes. Die cinematographische Qualität des zweiten Teils ist wohl größtenteils Regisseur Dahan zu verdanken, der zugegebenermaßen das Beste aus dem Schundskript macht. Er spielt erfolgreich mit Kamera und diversen Einstellungen, die den Film klinisch am Leben halten und somit eine gewisse Spannung aufbauen. Die Kamera kommt selten zum Stillstand, selbst bei Dialogen schwenkt sie heiter umher, was dazu führt, dass eine gewisse unbewusste Unruhe entsteht, die das Geschehen packender erscheinen läßt. Zusätzlich sorgen die vorzüglichen Locations und die clevere Verwertung des Lichts und der Wettereffekte für eine knisternde Atmosphäre, die gleichzeitig klaustrophobisch, aber auch sehr actiongeladen wirkt. Kommt es dann zu Verfolgungsjagden, Schießereien oder sonstiger On-Screenaction, packt Dahan sein ganzes Können aus und präsentiert Bilder vom Feinsten. Der nötige Speed und die Power, die hinter den Bildern steckt, weiß durchaus zu überzeugen und ist in den meisten Fällen auch richtig dosiert. Dafür sorgt vor allem ein brillanter, atemberaubender und fabelhafter Schnitt. Und auch wenn die Action manchmal von der Story her total dämlich erscheint, ist sie dennoch so vorzüglich inszeniert, dass ein bleibender Eindruck entsteht. Nur vereinzelt muss der Regisseur mit dem Vorwurf der Überstilisierung kämpfen, denn manchmal übertreibt es der gute Mann auch mit seiner Experimentierfreudigkeit. Dies hält sich aber im Glück noch im Rahmen der Vernunft und fällt nicht weiter ins Gewicht. Schließlich sind dann auch die häufig anzutreffenden und recht eklig wirkenden Goreeffekte vortrefflich gelungen und runden somit das technisch perfekte Gesamtbild ab.
Die Darsteller des Streifens stellen sich alle recht ordentlich an. An Reno gibt es wie immer nichts zu meckern und auch Rena-Darsteller Benoît Magimel liefert eine brauchbare und sympathische Show ab. Die restlichen Nebenrollen sind zudem alle brauchbar besetzt worden. Allerdings sind die Charaktere selbst schwach geschrieben. Niemans fehlt zum Beispiel das zynische Element aus dem Vorgänger, und so ist er einfach nicht mehr der Selbe wie zuvor. Man vermisst eigentlich alles, was ihn in Teil eins so besonders machte. Rena ist oberflächlich zusammengeschustert und ein wahrer Klischeecharakter, aber zum Glück lässt er manchmal ein paar recht brauchbare Witzchen los. Ohne die begnadeten Darsteller wäre hier ein weiteres Desaster vorprogrammiert gewesen.
Bis auf die technischen Aspekte ist der Film leider ein kompletter Fehlschlag geworden, dessen Titel absolute Bauernfängerei ist. Fans des ersten Teils gehen mit begründeter Hoffnung in einen Streifen, der mit seinem Vorgänger nichts gemein hat und jediglich die Struktur dessen Story laienhaft kopiert. Handlung und Charaktere haben leider absolut nichts mehr mit dem ursprünglichen Mythos der purpurnen Flüsse zu tun, und es ist leider wirklich so, dass man stellenweise dank des hirngespinstigen Drehbuchs denken könnte, in einem schlechten Sci-Fi Movie zu sitzen. Technisch mag der Film mit seinen guten Kamerafahrten, Actioninszenierungen und der düstere Atmosphäre um das Kloster so gut wie makellos sein, aber der groteske und unglaubwürdige Plot macht alles wieder wett und versaut das Filmerlebnis mächtig. Die Qualität des ersten Teils sucht der Fan leider vergebens, denn was im Endeffekt bleibt, ist ein mieses Konstrukt, welches dem Popcornkino aus Hollywood um nichts nachsteht und versucht, mit massig Effekten über eine grobkörnige Dünnpfiffhandlung hinwegzutäuschen. Wem die Ernüchterung nicht schon während der Vorstellung kam, den wird sie spätestens hinterher einholen.

Details
Ähnliche Filme