Der Name Massimo Dallamano bürgt- Kenner des italienischen Genre-Films wissen es- für qualitativ hochwertige Thriller-Kost, die immer das gewisse, andere Etwas gegenüber vielen anderen Mitstreitern vorweisen konnte. Trotz seines frühen Tods 1977 avancierten seine wenigen Werke mittlerweile zu kleinen Kultfilmen. Ausgenommen „Il medaglione insanguinato“, der offenbar nie einen Verleiher außerhalb Italiens fand. Unverständlich, denn hier liegt einer der interessantesten Italo-Horrorfilme (NICHT Gialli) der frühen 70ziger vor.
Michael Williams (Richard Johnson), ein in London lebender Fernseh-Reporter arbeitet für die BBC an einer Dokumentation über den Teufel und Dämonen in der Malerei und Mythologie Italiens. Zu deren Fertigstellung reist er nebst Tochter Emily (Nicoletta Elmi) und Kindermädchen Jill (Evelyn Stewart alias Ida Galli) nach Spoleto. Doch die Reise wird von panischen Attacken Emilys überschattet, die auf die mangelnde Aufarbeitung des Feuertodes ihrer Mutter zurückzuführen sind. Mit dem Fund eines angeblich Unheil bringenden Gemäldes das frappierend an die Vergangenheit der Familie erinnert beginnen Emilys Ausfälle bedrohliche Ausmaße anzunehmen…
Ja, auch das genannte verfluchte Medallion spielt eine große Rolle. Und im Endeffekt ist Emily natürlich auch besessen (aber nicht vom Teufel). Doch Dallamanos Film ist mitnichten ein weiteres italienisches Plagiat von Blatty’s „The Exorciste“ sondern ein ganz eigenständiger Film, der in eine ganz andere Kerbe schlägt und außer dem Thema des besessenen Kindes und des Medallions und vor allem auch stilistisch nichts mit Friedkins Film gemeinsam hat. Außerdem spricht einiges dagegen, das der Film tatsächlich 1975 entstanden ist, doch dazu später mehr. Sicher, die Geschichte bietet dennoch kein Maximum an Innovation, doch die erfrischend moderne Inszenierung umso mehr.
Dallamano entwickelt seine Geschichte langsam und bedacht wie eine Katze auf Mäusejagd, die genau im richtigen Moment hervorspringt. In den ersten 30 Minuten ereignet sich nicht allzu viel, das Drehbuch konzentriert sich ganz auf die Exposition der Protagonisten und deren Trauma (hier werden einige wunderbar mystische Momente eingefangen) und erst mit der Ankunft in Spoleto beginnt das Unheil schleichend seinen Lauf zu nehmen. Interessant ist, das Dallamano aus der späteren Entwicklung Emilys keinen Hehl macht sondern sie in surreal angehauchten Traumsequenzen im mittelalterlichen Spoleto von einer aufgebrachten Menge umringt zeigt, die in ihr ein „Geschöpf des Teufels“ sieht. Und wer hier auf ihre Kleidung achtet ist der Lösung schon ein Stück näher.
Ein echter Gewinn ist hier die kleine Nicoletta Elmi. Das mysteriöse rothaarige Kind, das sowohl in Bavas „Baron Blood“ und „Bay of blood“ sowie in Argento’s „Profondo Rosso“ sowie in vielen weiteren italienischen Genre-Produktionen zu sehen war, kann hier wie nie zuvor ihre dämonische Präsenz entfalten und das ohne wüste Obszönitäten von sich zu geben, an der Decke zu schweben, glasige Augen zu bekommen oder grünen Schleim zu spucken und lässt alle anderen „bösen Kinder“ blass aussehen. Dallamano geht seinen Film ruhiger, zurückhaltender und mit weitaus mehr Gespür für subtilen Schrecken an als Friedkin in seinem lächerlich-peinlichen und selbstzweckhaft-provokanten „Jahrhundert-Horrorfilm“. Er setzt nicht auf eine verkrampft düstere Atmosphäre oder antiklerikale Anstößigkeiten sondern eine unangenehme Vorahnung, die dem Zuschauer von hinten den Atem in den Nacken bläst.
Doch ich sollte diesen Vergleich nicht permanent zurate ziehen- denn die beiden Filme sind wirklich vollkommen verschieden. Nur das Dallamanos Werk in meinen Augen das weitaus bessere ist und die geballte Lächerlichkeit des anderen endgültig offen legt. Denn „Besessenheit“ spielt hier zwar eine sehr große Rolle, gerät aber nicht zum effekthascherischen Verlegenheitsreißer sondern wird dezent und stilvoll immer in kleinen, aber durchaus effizienten Dosen eingeschoben. So ist der hieraus resultierende Tod von Jill (der später in „Das Omen“ recycelt wurde) trotz seiner Unaufgeregtheit unglaublich grausam anzusehen, wenn der Körper der jungen Frau in den reißenden Fluten des Gebirgsbaches immer mehr sein Leben aushaucht und hin- und her geworfen wird wie eine Nussschale. Auf Blutrunst sollte man hier im Übrigen nicht hoffen- in Deutschland könnte dieser Film heute evtl. sogar eine FSK 12 erhalten. Interessant ist auch, das die spirituellen Umtriebe sich auf dem Filmmaterial, das Williams von dem Gemälde angefertigt hat, bemerkbar machen. Wem kommt das aus einem jüngeren japanischen Geisterfilm bekannt vor?
Die Fotographie ist hier nicht ganz so arty geraten wie in Dallamanos Giallos doch sie ist nicht minder präzise und pointiert und wagt in bestimmten Szenen (oft auch Schlüsselszenen) dennoch einige reizvolle Einstellungen. Man wird mit einer Unmenge von Outdoor-Sequenzen entschädigt, die sich vor der wunderschönen Kulisse von Spoleto und der norditalienischen Landschaft abspielen und von den melancholischen Klängen Stelvio Ciprianis passend ergänzt werden.
Die übrige Besetzung kann ebenfalls mit Charisma überzeugen. Richard Johnson gibt eine Art Reprise seines Parts aus „The Haunting“ mit dem pikanten Unterschied, das er hier dem Spirituellen vollkommen ungläubig gegenüber steht. Evelyn Stewart liefert eine im Vergleich zu ihren Giallo-Auftritten besonders glaubwürdige Performance. Lila Kedrova spielt eine hellsichtige Comtessa (die meisten werde sie auch als verzweifelte Gräfin Koschinska aus Hitchcock’s „Torn Curtain“ kennen), die Williams vor der Gefahr warnen will und immer etwas mehr weiß als sie zugibt. Zum Entstehungsjahr des Filmes sei noch angemerkt, das man aus einem Vergleich der physischen Entwicklung von Nicoletta Elmi in dem Ende 1974 gedrehten „Profondo Rosso“ und dem Anfang 1973 gedrehten „Andy Warhol’s Frankenstein“ schlussfolgern muss, das „Il medaglione insanguinato“ definitiv früher als 1975 entstanden ist, vielleicht sogar noch vor der Uraufführung von „The Exorcist“;-)
Erwähnenswert sei noch das schaurige Finale wo es dann noch einmal richtig ans Eingemachte geht und eine (wirklich!) schockierende Wahrheit ans Licht kommt. Und der Schluss ist derartig böse, dass man Dallamano unwillkürlich dafür Anerkennung zollt, das er daraus eine Art extrem morbides Happy End macht (Nein, es wird nicht die Verbreitung des Bösen über die gesamte Welt angekündigt!), in etwa vergleichbar mit dem Ende von "Bay of blood", nur ohne die schwarzhumorige Attitüde sondern ernsthafter.
Nun, ich müsste noch viel schreiben um die eigenartige Spannung und die mysteriöse aber eben auch irgendwie nicht wirklich gespenstische Grundstimmung zu beschreiben, die den Film auszeichnet und so sehenswert macht, doch ich habe hier schon wieder zuviel des Guten geschrieben, also bleibt mir nur zu sagen das mir „Il medaglione insanguinato“ einfach sehr gut gefallen hat und ich ihn mir sicherlich ein weiteres Mal ansehen werde zumal der Film auf der feinen italienischen DVD prächtig zur Geltung kommt. Viel subtiler, ästhetischer und eleganter und schließlich auch verstörender als „Der Exorzist“ und raffinierter als „Das Omen“ oder „Shock“. Kein Meisterwerk aber ein definitives Highlight des mediterranen Horror-Kinos dieser Zeit und auch kein überschätzter Langweiler, wie mancher jetzt vermuten wird.