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Herr Mux spricht von Moral, Tugenden und Werten, an denen es uns mangele. Wo sind die Skrupel? Wo ist die Kultur? Ironisch kommentiert er im Off: "Jedes Land hat die Helden, die es verdient. Michael Schumacher ist ein Held." Mux ist der Mann, der etwas ändern will. Er ist ein Verbesserer. Auf seiner Oberfläche, der das Innere schützenden Schale, spiegeln sich die Ideale. Für die tritt er ein, sehr pingelig, und stellt auf seiner Mission Plünderer im Hochwassergebiet, Schwarzfahrer im öffentlichen Nahverkehr oder Temposünder auf deutschen Straßen und bestraft sie nach den Regeln der Selbstjustiz. Würde Mux mich dabei erwischen, wie ich meinen ungetrennten Müll in einen mit dem Grünen Punkt gekennzeichneten Container werfe, würde er mich wohl packen und gleichfalls in die Gelbe Tonne schmeißen, auf dass ich sähe, wie es sich denn anfühle als Unrecyclebarer im Recyclebaren. Manch einer würde sagen: recht so, denn sowas gehört sich nicht. Falls nicht, dann aber wohl gewiss gibt es Zustimmung für Mux, wenn er Vergewaltiger jagt, Pädophile zur Rede stellt oder Familienmördern das Handwerk legt. Nein? Das kann ich nicht glauben, denn Superman und Batman bekämpfen das Verbrechen seit jeher ebenso auf eigene Faust. Und das sind Helden. Muxens Sache ist also eine gute.

Mit Mux kotzt sich "Muxmäuschenstill", ein ziemlich cleverer Film, über uns Deutsche aus. Dieses Sprachrohr bringt einiges zur Sprache, was zur Sprache gehört. Es übertreibt freilich, doch natürlich liegt in der Übertreibung oft immer auch ein wahrer Kern. Identifizieren können wir uns trotzdem nicht mit dem Mux, weil dieser auch seine Bestrafungsmaßnahmen übertreibt. Es ist ein Unterschied, jemandem einen kleinen Klaps auf den Hinterkopf zu geben oder jemanden mit dem Kopf in Hundescheiße zu drücken. Oder eine Ladendiebin zu entwürdigen, indem sie vor laufender Kamera den geklauten BH ausziehen muss. Auch wenn Mux in seiner Sache ein Superman oder Batman ist, in seinem Tun ist er es nicht.

Und nicht erst gegen Ende, als es nach der wie immer eigenmächtigen Abrechnung mit einem Graffiti-Sprayer zu einem Unfall kommt oder bei der dem Woyzeck Georg Büchners ähnelnden Tat, als die Schale bricht und das verletzte Innere freigelegt wird, nicht erst da schockiert der Film und distanziert sich von seiner Figur. Schon die ersten Minuten lassen zweifeln am Charakter des Mux, der den Langzeitarbeitslosen Gerd seiner Naivität wegen als Handlanger anstellt und - indirekte Rede - weil er ihn an seinen kürzlich verstorbenen Hund erinnere. Gleich zu Beginn auch die Rauferei mit einem pubertierenden Jugendlichen. "Dicke Sau, nimmt mich in Schwitzkasten…", kommentiert Mux nach siegreichem Ausgang und putzt das Jackett "…muss ich mir jetzt 'nen neuen Anzug kaufen." Muxus ist der beste Freund der Arroganz. Mit Handfeuerwaffe im Halfter ist es kein Schweres, der König der Welt zu sein.

Weil mit diesem fanatischen Idealisten nicht zu sympathisieren ist, er aber einiges predigt, was die Intention der Macher zum Ausdruck bringt, ist "Muxmäuschenstill" nun ein ziemlich cleverer Film. Mux kritisiert für sie, sie aber negieren ausdrücklich eine Identifikation mit ihm. Mit dem, der umsetzt, was sie anprangern, wollen sie nichts zu tun haben. Eine Reinwaschung von der Tat. Wir machen es genauso. Endlich jemand, der mal aufräumt! Aber weil der Mux ja eigentlich ein Arschloch ist, können wir uns noch im gleichen Atemzuge die Persilscheine ausstellen. Bedauerlich, dass man gar nicht erst versucht hat, uns in Teufels Küche zu bringen, sondern gleich von Anfang an einen Psychopathen den Dreck wegkehren lässt.

Diese Hybris und gnadenlose, unsympathische Selbstdarstellung begründet sich vor allem auch in der Inszenierung. Hundeersatz Gerd ist Kamerahalter und filmt den kameraverliebten Mux in voller Aktion. Das Resultat sind verwackelte, grobkörnige Aufnahmen, die Authentizität suggerieren, direkt "von der Straße" berichten wollen. Das Budget war minimal, da lag dieses Konzept sehr nahe und scheint ein Geniestreich zu sein. Denn mehr kann man unter diesen finanziellen Voraussetzungen nicht leisten, um Muxens Geltungsbedürfnis in solcher Pracht heraushängen zu lassen. Nur lässt es sich "Muxmäuschenstill" nicht nehmen, in seinem Rundumschlag auch die geistlose deutsche Fernsehlandschaft zu schelten. Bohlen und Raab sind kurz im Bild, Ausschnitte aus einschlägigen Talk- und Gerichtshows ebenso, aus "Richterin Barbara Salesch" zum Beispiel.

Irgendwann, als Maschendrahtzäune lange schon nur noch fiktiv verhandelt wurden, ging es in "Richterin Barbara Salesch" raus aus dem Gerichtssaal, vor Ort zum Maschendrahtzaun sozusagen. Manchmal, wenn man ganz großes Glück hatte, wurde dem Staatsanwalt über die Schulter geschaut, wie er gerade im Begriff war, "auf der Straße" eigenhändig einen Kriminellen festzunageln. Bei "Muxmäuschenstill" fühlte ich mich unweigerlich an eben jenen pseudodokumentarischen Realismus erinnert. Dieselbe vorgegaukelte Wirklichkeit. Wie überzeugend kann ein Format nun sein, das Pseudo-Dokus an den Pranger stellt, und selbst pseudodokumentarisch ist?

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