Deutsche Regisseure haben es allgemein nicht leicht, internationale Projekte an Land zu ziehen und sich in Hollywood einen Namen zu machen:
Marcus Nispel ist es jüngst mit seinem tollen und erfolgreichen „TCM“-Remake gelungen, Wim Wenders („Million Dollar Hotel“) genießt längst Ansehen im Independent-Bereich und Uwe Boll ist mit Werken wie „House of the Dead“ oder „Alone in the Dark“ inzwischen im B-Film-Sektor gefestigt. Unsere beiden Vorzeige-Regisseure Wolfgang Petersen („Troy“) und Roland Emmerich („the Day after Tomorrow“) sind hingegen schon derart lange in L.A., dass sie vom System bereits vollkommen assimiliert wurden und nur noch seelenlose (wenn auch erfolgreiche) Studiokost abliefern.
Wie schwer es wirklich ist, bewies jüngst das neue Zugpferd des deutschen Kinos, Sönke Wortmann („Wunder von Bern“), mit seinem „Himmel über Hollywood“-Debakel – umso verwunderlicher, dass es dem nicht mal in Deutschland wirklich bekannten Roland Suso Richter („14 Tage lebenslänglich“/„Bubi-Scholz-Story“) gelang, den Regiestuhl von „the I inside“ zu ergattern, einer britisch-amerikanischen Co-Produktion mit ansehnlicher Besetzung, die aus angesagten Jungstars wie Ryan Phillippe („Cruel Intentions“), Piper Perabo („Coyote Ugly“), Robert Sean Leonard („Driven“) und Sarah Polley (aus „Go“ oder dem „Dawn of the Dead“-Reamke) sowie erfahrenen Charakterdarstellern wie Stephen Rea („In Dreams“) oder Stephen Lang („Shadow Conspiracy“) besteht.
Es geht um Simon, der nach einem Unfall im Umgang mit Farbverdünnern (oder etwa einer bewussten Vergiftung?) im Krankenhaus erwacht und sich an nichts mehr aus den letzten zwei Jahren erinnern kann. Nach und nach sucht er sich die Puzzleteile seines Lebens zusammen: Er ist verheiratet (doch seine Frau (Perabo) hasst und manipuliert ihn), hat scheinbar eine Affäre mit der geheimnisvollen Claire (Polley), die sich aber als die Verlobte seines Bruders (Leonard) herausstellt – letzterer kam vor 2 Jahren bei einem Unfall ums Leben (oder war es Mord und er selbst gar der Täter, wie es seine Frau behauptet und angeblich auch beweisen kann?)…
Alles erscheint ihm absolut verwirrend und surreal, doch plötzlich kann findet er sich selbst in jene Zeit zurückversetzt vor und springt fortan (ohne Einfluss darauf nehmen zu können) zwischen den Zeitebenen hin und her, wodurch sich wichtige Informationen sammeln lassen. Er muss sich jedoch die Frage stellen, was eigentlich die Gegenwart ist, und ob die andere Ebene Zukunft oder Vergangenheit darstellt. Traum und Realität vermischen sich gemeinsam mit den Zeiten, Paranoia entsteht, wie auch die Furcht vor der Wahrheit. Als er schließlich im Affekt etwas im Jahre 2002 ausführt, und das direkte Auswirkungen auf die Geschehnisse in 2004 hat, beginnt er vollkommen an seinem Verstand zu zweifeln…
Mehr zu verraten würde schon „Spoiler“ beinhalten, weshalb ich es an dieser Stelle bei jener Handlungsbeschreibung belasse. Der Film bezieht seine Spannung aus der Tatsache, dass nie genau klar ist, wie welches Puzzlestück ins nächste greift – und wenn doch, gibt es oftmals eine erneute Wendung, welche die Information in einem neuen Licht erscheinen lässt. Die Wechsel der Zeitebenen wurden recht clever in Szene gesetzt, obwohl man sie mit der Zeit etwas vorausahnen kann (jedoch ohne sie zu durchschauen). Das Erzähltempo ist größtenteils ruhig und lässt der Geschichte Raum zum entfalten, die entscheidenden Szenen präsentieren sich dann aber Hollywood-gerecht mit schnellen Schnittfolgen, in einer regnerischen Nacht und so weiter…
Die Schauspieler machen ihre Sache durchweg gut: Besonders Stephen Lang (als vor Sarkasmus sprudelnde Verbindungsperson zwischen den Zeiten) und Piper Perabo ragen heraus – letztere kann mal ihre wahre schauspielerische Bandbreite (vom schüchternen aber zielstrebigen Mäuschen bis hin zur eiskalten und berechnenden Ehefrau) aufzeigen. Etwas schade empfand ich die Tatsache, dass man Sarah Polley mit ihrer Rolle nicht so viel Raum gelassen hat, was ihre Leistung jedoch in keiner Weise mindert.
Roland Suso Richters Regie ist solide, straff und konzentriert – bis hin zum Ende, das leider etwas uninspiriert daherkommt. Mal sehen, wie seine Karriere noch so verläuft…
Alles wurde in schönen Bildern mit einfallsreicher (aber nicht zu übertriebener) Kameraarbeit verpackt, die zum Glück nicht von der eigentlichen Geschichte ablenken. Vieles erinnerte mich allerdings an Petersens „Tod im Spiegel“ (Regen, Unfall, Glas).
Ein Problem des Films sehe ich zudem in der Tatsache, dass derartig konstruierte Werke in letzter Zeit verstärkt auf den Markt gekommen sind – Filme, die mit dem Kopf des Zuschauers spielen und sich wie ein Puzzle zusammenfügen lassen (von „the 6th Sense“ über „Mulholland Dr.“ bis hin zu „the Machinst“).
„the I inside“ übernimmt etliche Elemente und kombiniert sie geschickt (aber weder spektakulär noch innovativ) mit den Thematiken „Gedächtnisverlust“ (siehe „Memento“) und „Vergangenheitsmanipulation“ (siehe „Butterfly Effekt“) ohne die Vorbilder zu erreichen oder etwas wirklich Neues zu erschaffen.
Das Publikum weiß inzwischen, dass es auf kleine Hinweise im Verlauf achten muss – und wenn der behandelnde Arzt (Rea) gleich zu Beginn einen derart schwerwiegenden Satz von sich gibt (auch wenn er ihn im nächsten Atemzug etwas abschwächt), ist man automatisch bei dieser Art von Filmen gewarnt, dass jener wichtig für die Auflösung ist (mit ihm hat das Drehbuch leider schon viel zu früh viel zuviel preisgegeben)…
Ärgerlich ist auch eine vollkommen unsinnige Figur, und zwar die eines Killers in einem Chirurgenoutfit, der Simon zu töten versucht – wer das nun war wird nie aufgeklärt und entbehrt gerade bezüglich der Auflösung jeglicher Logik. Zudem wird am Ende so viel erklärt, dass auch der letzte Zuschauer keine Fragen mehr haben dürfte – etwas weniger hätte auch gereicht und gar zum Nachdenken angeregt, doch so bekommt man alles bis ins Detail vorgekaut … schade.
Fazit: „the I inside“ ist ein solider Psychothriller: Unterhaltsam, mit guten Darstellern und in schönen Bildern verpackt – aber weder nachhaltig noch innovativ … 7 von 10.