Am Vorabend der französischen Revolution: der Marquis, ein ausgesprochen eloquenter Cocker Spaniel, sitzt wegen unerhörter Entweihung eines Kruzifixes in der Bastille ein. Sein einziger Freund - und zugleich schärfster Kritiker seines Schreibstils - ist das eigene sprechende Sexualorgan namens Colin. Die beiden Vertreiben sich die Zeit mit Gesprächen über Kunst, Literatur, Politik und sexuelle Freiheit - und doch dreht sich alles immer nur um die Frage: Wer hört auf wen? Als eines Tages die junge schwangere Kuh Justine in die Nachbarzelle gesperrt wird sieht sich der Marquis plötzlich als Spielball einer politischen Verschwörung, deren Spur bis an den königlichen Hof führt. Von nun an stehen beider Köpfe auf dem Spiel...
"Marquis" ist die dritte Veröffentlichung des Independent Labels Bildstörung, das sich ja auf die Veröffentlichung ganz spezieller und aussergewöhnlicher Filme speziellisiert hat, wobei vorliegendes Werk sicherlich nicht nur aussergewöhnlich, sondern in seiner Machart schon ziemlich einzigartig sein dürfte. Thematisch ist die Geschichte an die pornographischen Schriften des Marquis de Sade angelehnt, wobei die Inszenierung wohl absolut einzigartig erscheinen dürfte. Agieren hier doch reale Schauspieler in aufwendig gestalteten Tiermasken, was für manche Zuschauer eventuell etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen dürfte. Das kann man aber ganz generell über den gesamten Film sagen, der vollkommen abseits jeglichen Mainstreams angesiedelt ist und so wohl eher nur einer recht kleinen Zielgruppe seine Genialität offenbart.
Was Regisseur Henri Xhonneux hier in Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Roland Topor geschaffen hat, gleicht einer bizzaren Fabel, die voller Gesellschaftssatire und sexueller Anspielungen daherkommt und dem Zuschauer so ein sexuell-frivoles Film-Erlebnis der ganz besonderen Art beschert. Hinzu kommen einige surrealistische Elemente, in denen die Tiere als Knetfigur-Animationen erscheinen, was die aussergewöhnliche Inszenierung noch einmal zusätzlich hervorhebt und als perfekte Ergänzung angesehen werden kann. So bekommt man ein insgesamt visuell berauschendes Szenario geboten, wie man es in dieser Form ganz sicher noch nicht gesehen hat und das insbesondere durch seinen bissigen Humor und die verschiedensten Tier-Figuren in Erinnerung bleibt. So wird beispielsweise der Marquis als Hund dargestellt, der sich fast ganzzeitig mit seinem eigenen Geschlechtsorgan unterhält, das auf den Namen Colin hört, oder ein Gefängniswärter wird als homosexuelle Ratte dargestellt, deren größter Wunsch es ist, vom Marquis sexuell befriedigt zu werden. Ansonsten sind aber auch noch Hähne oder Kühe mit von der Partie, so das man durchaus behaupten kann, das es sich hier um ein tierisches Film-Vergnügen handelt.
Allein schon vom künstlerischen Aspekt her handelt es sich bei diesem Film um ein kleines Meisterwerk und man kann lediglich erahnen, wiviel Arbeit nur in den aufwendig gestalteten Masken steckt, unter denen sich die Schauspieler befinden. Leider kann man über deren schauspielerische Leistung nicht viel sagen, da man ja die echten Gesichter und die damit verbundene Mimik nicht zu Gesicht bekommt, jedoch fällt das auch nicht sonderlich schwer ins Gewicht, da ansonsten soviel brillante Kunst geboten wird, das man über dieses kleine Manko durchaus hinwegsehen kann. Eine weitere große Stärke von "Marquis sind ganz sicher die äusserst frivol-witzigen Dialoge, die phasenweise auch mit einem enorm hohen Satire-Anteil versehen sind und somit als ein absolutes Highlight angesehen werden können. Und so kommt man insgesamt gesehen zu der Erkenntnis, das man sich der unglaublichen Faszination dieses einzigartigen Films nur schwerlich entziehen kann, vielmehr genießt man jede einzelne Passage des Geschehens und ist sichtlich beeindruckt von einer Inszenierung, die man in dieser Form noch nicht gesehen hat.
Das der Film jeden Geschmack treffen wird, wage ich jedoch zu bezweifeln, da es sich um eine extrem aussergewöhnliches Stück Film handelt, dessen Genialität sich ganz bestimmt nicht Jedem erschließt. Man muss hier schon ein recht ausgeprägtes Faible für das ganz Besondere haben, um dieses Werk auch in vollen Zügen genießen zu können. Wer jedoch eine Vorliebe für qualitativ hochwertige Filme hegt, die rein gar nichts mit dem üblichen Einheitsbrei zu tun haben, der kommt an diesem Werk ganz einfach nicht vorbei und sollte sich diesen wirklich einzigartigen Film-Spaß unbedingt anschauen.
Fazit:
"Marquis" ist wohl einer der mit Abstand aussergewöhnlichsten Filme, die man je zu Gesicht bekommen hat. Auch, wenn man sich stellenweise an einen Puppenfilm erinnert fühlt, sollte man nicht vergessen, das hier reale Schauspieler agieren, deren Gesicht lediglich unter fantastisch gestalteten Tiermasken verbergen. Das gesamte Geschehen strotzt nur so vor Satire, Witz und frivolen Anspielungen, die dem Zuschauer auch so manchen Schmunzler entlocken. Und so kann man wohl ohne jede Übertreibung festhalten, das es sich hier um ein visuell berauschendes Stück Film handelt, an dem jeder Liebhaber des Einzigartigen seine helle Freude haben dürfte.
8,5/10