Da ist also dieser Typ, Bobby, der nachts in das Haus von Harry eindringt und diesen töten will. Doch Harry und seine Frau können Bobby niederschlagen. Harry bietet Bobby einen Whisky an, fragt, ob er für seine Wunde auf der Nase ein Pflaster haben will, und schafft es mal eben so ganz locker, Bobby umzudrehen und gegen den Auftraggeber des Mordes aufzubringen. Das ist wahre Coolness!
Man könnte natürlich auch behaupten, dass so ein Verhalten unrealistisch ist. Aber wir befinden uns hier in einem von Cannon produzierten Film aus den 80ern, und aus solchen Filmen kann man nur lernen. Zum Beispiel was eben Coolness bedeutet: In den Pornoschuppen des Erpressers zu gehen, diesen zu fotografieren, und einfach wieder zu gehen.
Harry wird erpresst. Zuerst nur mit dem Video, dann später aber auch mit der Leiche seines Seitensprungs. Doch Harry will, um die politische Karriere seiner Frau nicht zu gefährden, das Problem selber lösen. Zuerst einmal schafft er es herauszufinden, wer ihn da eigentlich erpresst: Drei Typen, die in erster Linie mit Pornographie und Kleinkriminalität ihr Geld verdienen, aber keine professionellen Mobster sind. Dann überzeugt er den Anführer der Drei, den smarten Alan Raimy, dass das Finanzamt den Großteil seines Vermögens auffrisst. Und zu guter Letzt spielt er die Drei gegeneinander aus. Was allerdings nur so lange gut geht, bis Raimy Harrys Frau entführt.
Harry (Roy Scheider) fährt einen selbst restaurierten Jaguar E-Type, hört schreckliche Musik, und hat die Coolness, wie bereits erwähnt, mit großen Löffeln gefressen. Seine wunderschöne Frau Barbara (Ann-Margret) bereitet sich auf eine Karriere an der Seite des kommenden Staatsanwaltes vor, aber im Prinzip haben beide nur bedingt etwas zu bieten. Die Bösewichter sind es, die hier faszinieren, und die den Film auch tragen. Allen voran John Glover als Alan Raimy. John Glover kennt man heute wahrscheinlich am Ehesten als fiesen Geschäftsmann aus GREMLINS 2, wo er mit seinem markanten Gesicht den kleinen Monstern fast die Schau stiehlt. In 52 PICK-UP ist er smart, ist er gewitzt, ist er böse und gemein, und wenn er die Bilanzen von Harry durchschaut, und ihm allmählich die Gesichtszüge entgleisen, weil er feststellen muss, dass sein Erpressungsopfer tatsächlich kaum Geld zur Verfügung hat, dann hat man sogar etwas Mitleid mit ihm.
Ihm zur Seite steht Robert Trebor als Leo. Der schwule Leo, der ein Mittelding aus Peep-Show und Bordell führt, und sogar für diesen Job zu weich ist. Eine Blaupause für die Rollen, die woanders Joe Pesci bekommt, und letzten Endes einfach ein armes Schwein, das unter dem Stress einer missratenen Erpressung gnadenlos zu Grunde geht. Mitleid die zweite …
Und da ist noch Clarence Williams III als Bobby: „Wenn ein Typ mich verarschen will, ist er entweder unheimlich mutig, oder unheimlich stoned. Was bist Du davon?“ Durchgeknallt, eiskalt, mörderisch, und immer irgendwie kurz vor dem Durchdrehen, hat er seine stärksten Szenen immer dann wenn er töten darf. Ein Irrer mit dem Aussehen eines knuddeligen Teddybärs und den Augen eines Amokläufers. Ein Typ zum Angst haben und die Straßenseite wechseln. Kein Mitleid, aber eine gehörige Portion Respekt und Furcht …
Eher ungewöhnlich, dass ich mich so mit den Schauspielern und ihren Rollen beschäftige, aber trotz aller Action, trotz aller Coolness und trotz der vielen nackten Frauen ist 52 PICK-UP tatsächlich in erster Linie ein Schauspielerfilm, der von einem Könner seines Fachs inszeniert wird. Viele Großaufnahmen von Gesichtern, viele Gefühlsregungen die in den Gesichtern zu beobachten sind, viele feine Nuancen großen schauspielerischen Könnens, Roy Scheiders gelegentliches Overacting mal ausgenommen. Und die gekonnten und gut aufgeteilten Actionsequenzen dazwischen betonen erst recht, wie sehr dieser Film von seinen Darstellern lebt. Von den Darstellern, aber mindestens genauso von der Handlung, die mit einem Bein immer ein klein wenig im Irrsinn zu stehen scheint. Und natürlich von der erstklassigen Kameraarbeit von Jost Vacano, dem deutschen Kameragenie, der mit der hier eingesetzten Tiefenschärfe und ungewöhnlichen Kameraeinstellungen sein Scherflein dazu beiträgt, diesen feinen, kleinen Thriller aus der Massenware deutlich herauszuheben. Drehbuchautor Josh Olson meint im Intro zur Blu-ray, dass Cannon in den 80ern genau 6.324 Filme produziert haben, und sieben davon gut seien - 52 PICK-UP sei einer davon. Ersteres kann ich nicht bestätigen, aber wenn ich mir nur einen einzigen Cannon-Film auf die berühmte Insel mitnehmen dürfte, hätte 52 PICK-UP verflucht gute Chancen. Ein Hard Boiled-Krimi in der Tradition der 50er-Jahre-Noirs, wie er in den stylischen und coolen 80ern kaum besser hätte ausfallen können.