Ninja Warrior - Chuck tritt den Trend
Aller guten Dinge sind drei, auch bei Chuck. THE OCTAGON ist die dritte Zusammenarbeit zwischen der Independent-Filmschmiede American Pictures und Ex-Karatechamp Chuck Norris binnen zwei Jahren. GOOD GUYS WEAR BLACK und AN EYE FOR AN EYE waren in Relation zu ihren niedrigen Kosten enorme Hits gewesen, so dass man das Momentum auf beiden Seiten natürlich nutzen wollte. Für OCTAGON (diesmal war dem deutschen Verleih kein knackigerer Alternativtitel eingefallen) nahm man erstmals etwas mehr Geld in die Hand, was sich auch auf Norris deutlich gestiegen Gage auswirkte. Ansonsten ging man strikt nach dem bewährten Schema der beiden vorangegangenen Filme vor.
Für Regie (Eric Karson) und Cast (u.a. Art Hindle, Karen Carlson) verpflichtete man Erfahrung aus der zweiten Reihe, für Norris Zweikampfgegner ausgewiesene Martial-Arts-Experten (den Japaner Tadashi Yamashita und den Australier Richard Norton). Während Yamashita bereits in diversen B-Produktionen zu sehen gewesen war, feierte Norton mit OCAGON sein Schauspieldebut. Für den ehemaligen Star-Bodyguard (u.a. Rolling Stones, ABBA) und engen Norris-Freund war dies der Startschuss für eine bunte Laufbahn als Schauspieler, Stuntman, Kampf-Choreograph und Produzent. Am werbewirksamsten war aber die Besetzung von Lee van Cleef. Seine Italowestern-Glanzzeit war zwar definitiv vorbei, aber gerade im B-Film-Sektor schmückte man sich gern mit dem markanten Konterfei, zumal Van Cleef praktisch jede Rolle annahm um sein Ruhestandsgehalt aufzubessern.
Alles lief also in gewohnten und damit erfolgsversprechenden Bahnen. Allerdings hatte man auch vergleichsweise wenig dazu gelernt. Beim Hauptdarsteller geht das Konzept immerhin noch ganz gut auf. Wieder mimt Norris einen Kampflehrer mit eigener Schule, der eher ungewollt seine besonderen Fähigkeiten im Kampf gegen das Böse einsetzt. Diesmal bekommt er sogar eine handlungsrelevante Hintergrundstory verpasst. Als Kinder und Jugendliche werden Scott James (Norris) und sein Adoptivbruder Seikura (Yamashita) in Ninja-Kampftechniken ausgebildet, doch der ehrgeizige Seikura spielt falsch und die beiden gehen als Todfeinde auseinander. Inzwischen verdingt er sich als Ausbilder in einem geheimen Ninja-Camp, das Terroristen und Söldner aus aller Welt anlockt. Als sich diverse Mordanschlägen unter offensichtlichem Ninja-Einfluss häufen, ahnt Scott die Beteiligung Seikuras und macht sich auf die Suche nach dem Verschollenen.
So stringent und simpel des Duell der Ninja-Brüder klingt, so wenig Kapital können Regie und Skript daraus schlagen. Obwohl alles von Beginn an auf die Konfrontation der beiden Todfeinde hinausläuft, verzettelt sich Autor Leigh Chapman in einer holprig und unnötig komplizierten Story um konkurrierende Terror- bzw. Söldnerbanden bei denen man ganz schnell den Überblick verliert wer wer ist und vor allem wer was will. Das führt dazu, dass der Film nach seinem actionreichen Beginn im Mittelteil beinahe einschläft. Man wartet eigentlich nur auf den finalen Fight im Ninja-Camp und hat jegliches Interesse am Rest des Plots verloren. Regisseur Karon bekommt die umständlich Geschichte nie in den Griff und reiht unmotiviert Szene an Szene, ohne auch nur einen Hauch von Spannung oder zumindest Struktur zu erzeugen.
OCTAGON ist da im Vergleich zu den beiden Norris-Vorgängern sogar ein Rückschritt, wenigstens gilt das nicht für die Actionszenen. Zwar sind diese sehr ungleich und dramaturgisch wenig sinnig auf jeweils Anfang und Ende des Films verteilt, dafür boten sie dem geneigten Martial-Arts-Fan deutlich mehr fürs Geld. Sowohl die Ninja-Attacke zu Beginn, bei der sich Scott alias Chuck einem halben dutzend vermummter Kämpfer auf engstem Raum widmet, wie auch das Doppelduell gegen Seikura und seinen Handlanger Kyo (Norton) sind rasant geschnittene und versiert choreographierte Kämpfe. Unbestrittenes Highlight ist dabei der episch ausgewalzte Schlagabtausch zwischen Norris und Norton, die allein dafür wochenlang in Chucks Privathaus trainierten. Überhaupt waren die Norris-Gene diesmal noch prominenter vertreten. Neben Bruder Aaron, der als Stunt- und Fightkoordinator erkennbar dazu gelernt hatte, tritt auch Sohn Mike als junger Scott James auf.
Linientreu war auch erneut das Norris-Publikum. Wieder holte man die schon fast obligatorischen $20 Millionen am US-Box Office und katapultierte sowohl American Pictures wie auch Norris endgültig aus ihrem Nischendasein. Seine Fangemeinde ließ sich weder von der drögen Inszenierung, noch den sehr ungünstig verteilten Actionanteilen abschrecken, ja, nicht einmal Chucks unfreiwillig komisches Voiceover, das sie immer wieder an Scott James Gedanken- und Gefühlswelt teilhaben ließ, konnte den dritten Überraschungshit in Folge verhindern.
Obwohl als Gesamtpaket der schwächste Norris-Streifen der inoffiziellen American Pictures-Trilogie und heute auch reichlich angestaubt wirkend, war THE OCTAGON aber nicht nur ein ordentlicher Kassenschlager, sondern sogar ein filmhistorischer Trendsetter. Der Einfluss mag sich auf ein sehr begrenztes Genrespielfeld beschränken, aber dem Achteck kommt das besondere Verdienst zu, die später im B-Bereich so erfolgreiche Ninja-Thema erstmals außerhalb des Asia-Kinos prominent verhandelt zu haben. Ein Trend der nicht nur auf die 80er-Welle beschränkt blieb, sondern sogar bis in aktuelle DTV-Gefilde reicht.
American Cinema schien der neue Ruhm etwas zu Kopf gestiegen zu sein (die Kollaboration hatte fast $100 Millionen in die Portokasse gespült), denn ein viertes Norris-Projekt hielt man für nun an unter der eigenen Würde. Der so schnöde Verschmähte musste allerdings nicht lange darben, denn Name und Profil waren derweil auch schon anderen Wettbewerbern aufgefallen. AN EYE FOR AN EYE war aber nicht das Abrechnungsmotto für den alten Brötchengeber, sondern schlicht der Titel des neuen Norris-Films. Im Deutschen hieß er ohnehin DER GIGANT, was obendrein viel besser passte, denn eines war Chuck schon immer gewesen: überaus ehrgeizig.