In der Londoner Unterwelt geht die Angst um – Entweder man gibt dem Zinker seine eigene Beute für ein Taschengeld, oder er verpfeift einen bei der Polizei. Kein Bruch ist mehr zu machen, ohne dass der Zinker sich einmischt. Nur Scotland Yard ist hoch erfreut, sind die Tipps des Zinkers doch immer goldrichtig, doch letzten Endes würden auch die Jungs von der Polizei den Zinker gerne schnappen. Die Spuren führen zum Büro des Geschäftsmannes Sutton, dessen Partner für ein Jahr in Bombay ist („Ein Jahr? Hätte er mal einen besseren Anwalt genommen.“), und bei dem sich merkwürdige Gestalten in den Räumen herumdrücken: Der Tunichtgut Tillman, der in Suttons Nichte Beryl verliebt ist, und vom Zinker dafür mit dem Tode bedroht wird. Der frühere Schwerverbrecher Captain Leslie. Die schöne Millie Trent, die sich einen Job als Sekretärin ergattert. Der windige Reporter Karras. Jeder möchte wissen wer der Zinker ist, aber jeder könnte es auch selber sein.
Diese erste Verfilmung des Edgar Wallace-Romans macht es mir gar nicht einfach. Ich schätze die Filme der frühen 30-er Jahre. Ihr Schnitt, ihre Erzähltechnik, ihre Atmosphäre, das ist einfach etwas ganz anderes als heute. Der Zuschauer wird zum Mitdenken gezwungen, die Handlung wirkt im Vergleich zu heute oft sprunghaft und wie Stückwerk, und wenn man nicht aufpasst entgehen einem schnell einmal wesentliche Informationen. Soll heißen, ich kenne diese Art Film durchaus, und trotzdem hat mich DER ZINKER stellenweise etwas überrollt. Die Figuren sind mir lange Zeit fremd geblieben, die Handlung war nicht immer wirklich zu durchdringen, und das Showdown war hochdramatisch, sehr spannend und exzellent gefilmt – Und doch auch irgendwie unbefriedigend: DU bist der Zinker, und Ende des Films …
Was sicher sehr zu meiner leisen Enttäuschung beigetragen haben dürfte ist der Umstand, dass der Film 2009 eine neue Musik spendiert bekommen hat, und ich, weil ich mal wieder gemeint habe Billigheimer-DVDs kaufen zu müssen, nicht auf die originale Fassung ohne Musik ausweichen konnte. Diese nachträglich übergestülpte Musik passt nicht zum Film, passt nicht zu den Bildern, schert sich einen Dreck um Szenenübergänge oder Anschlüsse, und drückt stellenweise sogar die Dialoge in den Hintergrund, von den Charakteren ganz zu schweigen. Ohne jedes Gefühl für den Film wurde hier Kunst um der Erhöhung des eigenen Ruhmes willen verbrochen, ohne dem Kunstobjekt damit auch nur ein bisschen was Gutes zu tun. Als ob man die Mona Lisa hellblau anmalt, weil das gerade im Trend liegt, oder weil man keine dunklen Farben mag. Wer also an dem Film Interesse hat, sollte tunlichst zur Ausgabe von Koch Media greifen!
Fakt ist, dass der Film in dieser Fassung weitgehend zerstört wird. Szenen, die von ihrer Dunkelheit und ihrem Schweigen leben, werden mit orchestralem Brimborium aufgefüllt und in ihr Gegenteil gekehrt. Kennt jemand die deutsche Fassung von Howard Hawks‘ TOTE SCHLAFEN FEST? Die Fassung, die 1967 mit gewollt komischen Dialogen und völlig unpassender Musik erstellt wurde? Genauso erging es auch dem 1931er ZINKER …
Wie gesagt hatte ich nicht die Möglichkeit, diesen Film im Original zu genießen, wo er sicher um einiges stimmungsvoller und spannender ist. Wo der großartige Fritz Rasp in seiner süffisanten Ambivalenz erst so richtig beeindruckt, und wo Lissy Arna und Peggy Norman mit purer Erotik punkten können. Vor allem Lissy Arna als Sekretärin Millie Trent hat viel erotische Ausstrahlung, die sie im Abendkleid mit Spaghettiträger auch hemmungslos auslebt. Peggy Norman macht dagegen einen auf niedliche Blonde und hat die Herzen der männlichen Zuschauer allein mit ihren Grübchen locker auf ihrer Seite. Karl Ludwig Diehl als Captain Leslie ist wie in so vielen Filmen zu alt für seine Rolle und scheint in seiner Mimik den Stummfilm noch nicht so richtig überwunden zu haben, und Robert Thoeren nimmt man seine Rolle als zwielichtiger Abenteurer sowieso nicht ab, dafür ist er vom Duktus her viel zu sehr der klassischer Held. Bleiben noch Paul Hörbiger als rasender Reporter Karras, der für die Witze zuständig ist und dabei größtenteils genauso nervt wie Eddi Arent 32 Jahre später in der gleichen Rolle, und Szöke Szakall, der seine bekannteste Rolle als Kellner Carl in CASABLANCA hatte, hier im Prinzip die gleiche Rolle mit den gleichen Allüren gibt, und auch genauso sympathisch rüberkommt wie in jenem.
Insgesamt sicher ein ordentlicher Krimi, unter den oben genannten Vorbehalten, aber wenn ich ganz ehrlich sein darf: Die Verfilmung von Alfred Vohrer aus dem Jahr 1963 steckt diese erste Verfilmung locker in die Tasche, zumindest was die künstlerisch zerstörte Neufassung von 2009 angeht …