Review

Mit der produktiven Blütezeit eines Lucio Fulci, der, ganz produktiver Filmemacher, sich in der Niedergangszeit des italienischen Horrorkinos als Splatterepigonen und Video-Nasty-Anwärter, als graphisch violenter Lohnarbeiter verdingen mußte, darf man durchaus so seine Probleme haben.
Für die Splatterfans sind seine Filme, die so ziemlich auf jedem Index fröhliche Urständ gefeiert haben, aber dennoch immer noch lustig-aufregende Mitbringsel, trotz oder gerade wegen ihrer ganz besonderen Zusammenhangslosigkeit, aber auf jeden Fall aufgrund ihrer derben Effekte.
Nach einer längeren Pause mit den eher auffällig schwachen Beiträgen "Das Haus an der Friedhofsmauer" und "Manhattan Baby/Amulett des Bösen" sollte man sich aber auch mal den Klassikern widmen, den Filmen mit einem Ruf wie Donnerhall, einer splattrigen Trilogie, die vorzugsweise in Sachen "Zombies" immer gern zitiert wird.

"Über dem Jenseits" gilt dabei als einer der schönsten Fulcis, wenn auch die Meinungen gepflegt auseinander gehen, ob man nun das komplette Fehlen jeglicher Logik verdammen oder die guten Bilder in den Himmel loben sollte. Fakt ist, auch bei diesem Film liegen Stärken und Schwächen sehr nah.
Inhaltlich wird sich hier, zumindest latent oder als Mittel zum Zweck, wie bei "Ein Zombie hing am Glockenseil" an lovecraftschen Ansätzen versucht, aber schlußendlich fokussiert auch dieser Film eher auf das Element "Höllenhaus", denn ein solches steht irgendwo in den Sümpfen von Louisiana. Das nötige Versatzstück aus dem Bereich der kosmischen Schrecken ist in diesem Fall das Buch "Eibon" (das übrigens im Anschluß auch in "John Sinclair" verwurstet wurde), das aber nur als Aufhänger dient, denn eine unbekannte Schöne zitiert hier fleißig immer das Gleiche (irgendwas von sieben Toren des Schreckens), während ein Maler, der seine Kreativität in nebelumwaberten Höllenlandschaften auslebt, kurz darauf erst per Kette verdroschen, dann an die Wand genagelt und mit ungelöschtem Kalk und Säure zu einem lustigen Plastikmatsch verschmolzen wird.
Flugs überspringen wir ein halbes Jahrhundert und sehen dann ab da den verzweifelten Bemühungen zu, aus dem Schuppen am Anus der Welt ein Hotel zu schnetzeln, womit wir uns auf dem Terrain von "Amityville" und "The Sentinel" befinden. Natürlich liegt da kein Segen drauf und das gibt Signore Fulci die Gelegenheit, allen Handwerkern, Angestellten und Abgesandten aus dem Geisterreich inclusive eventueller Sucher der Geheimnisse ein schreckliches Ende zu bereiten.

Daraus besteht dann auch der ganze Film, der wie eine Katze ums Haus schleicht und dabei bemüht ist, den Plot an sich nur aufs Minimalste zu touchieren, auf das man sich da keine Details ausdenken muß. Tendenziell sollte es hier "in ya face" zugehen, also derbe auf die Zwölf und das schön ausbreiten. Also drücken wir Klempnern die Augen raus, lassen Archivbesucher von Spinnen zerfleischen oder blinde Frauen von ihren vierbeinigen Helfershelfern die Kehle zerbeißen, ehe endlich im Leichenhaus die Untoten vor sich hin humpeln dürfen.
Tatsächlich: "L'Aldila" ist ein Freund für Liebhaber, vielleicht die des Abstrakten, denn Kohärenz ist nicht nur abwesend, sie scheint auch bewußt vermieden worden zu sein, zugunsten von graphisch einfallsreichen Ideen.
Und daß Fulci durchaus ein patenter Filmemacher sein konnte, beweist der atmosphärische Gehalt der Aufnahmen (auch wenn die inräumigen Gewitter, die ohne Regen ständig das Böse ankündigen, irgendwie albern sind). Ausstattung, Location und Stimmung sind wirklich gelungen, die überfluteten Kellerräume haben etwas verfallen Gruseliges und sogar die klinisch weiße Anatomie machen in Sachen "creepy" so einiges her. "The Beyond" (so der englische Titel) ist demnach wirklich ein Film, den man schön finden kann.

Oder eben, man delektiert sich an den ausgereiften Grausamkeiten, doch genau da hat der Film so seine Macken. Die Haftschalen, die Blindheit simulieren sollen, sehen stets etwas billig aus; die Spinnensequenz leidet stark darunter, daß ausgerechnet die künstliche Spinne albern hüpft oder das Rudel der gefräßigen Arachniden offenbar große Zähne und die Akustik eines Mäuserudels hat. Gehen wir in die Nahaufnahmen, werden die Kunststoffköpfe oder -glieder dann doch wieder offensichtlich und jede Menge rote Soße reicht dann eben doch nicht aus.

Was aber viel mehr verstört, ist die Scheißegal-Haltung in Bezug auf inhaltlichen Zusammenhang oder Schlüssigkeit, die praktisch jede Szene umweht. Praktisch jede Figur führt irgendwelche sinnlosen Handlungen aus oder benimmt sich betont mysteriös, ohne das es dafür Grund oder Folgen geben sollte. Der Klempner redet genauso großen Stuß, wie der Pathologe, der Herztöne bei Leichen messen will. Die Angst des Pathologieopfers vor dem Blutsorbet ist genauso doof, wie die Idee, daß Formaldehyd ein Gesicht zerschmelzen könnte. Und daß Angehörige eigenhändig in die Leichenhalle kommen, um ihre Angehörigen in den Begräbnisanzug zu schrauben, glaubt auch keiner.
Die blinde Besucherin aus dem Jenseits gibt sich dafür entweder kryptisch oder sie redet einfach nur Stuß, ist in einer Sekunde dominant-bestimmend und verfällt kurz darauf komplett in Hysterie und die Hauptcharaktere widersprechen sich in ihren Handlungen ständig oder sind schlicht unsympathisch.

Und wenn man denn seine Hauptfiguren endlich in ausweglose Situationen manövriert hat, die noch dazu beklemmend sind (allein in der Pathologie mit ganz doll vielen Zombies), dann macht man komische Sachen, flieht irgendwohin und trifft sich zufällig wieder und leidet unter der allseits beliebigen Lernunfähigkeit, daß Untote erst umfallen, wenn man ihnen in den Kopf schießt, weswegen man nach einem Treffer ja auch das nächste Magazin erstmal wieder in die Herzgegend verpulvert.
Ich will das aber gar nicht ganz auseinanderdividieren, denn das würde fast jeden Rahmen sprengen und belasse es dabei, daß die Story entweder ein Flickwerk war oder spontan beim Dreh mitentwickelt wurde.
Zwei Sequenzen ragen dabei dann noch für Fans heraus: die Fahrt über den schnurgeraden Highway, auf dem Lisa erstmals die blinde Emily trifft und die bizarr andersweltlich ist (was sie auch sein soll, was uns der dauernde Hall in Emilys Stimme ja überdeutlich um die Lauscher drischt) und schließlich die finalen zwei Minute, in der die Hauptfiguren wortwörtlich zur Hölle fahren, was stimmig und einfühlsam das Gefühl der Verlorenheit provoziert, aber jetzt auch nicht dermaßen der Magenschwinger ist, den man oft daraus machen will.
Es sind gute Sequenzen in einem leider verschwendeten Film, dessen Kreativität man ständig um die Ecke lugen sieht, der aber wegen akutem Desinteresse, Happeninggefühlen oder Zeitdruck leider ein geistesarmes Flickwerk geworden ist, über das man als Fan herzlich ablachen kann.
Aber immerhin: er ist so in keinster Weise auch nur eine Sekunde langweilig und ich mag ihn als Fehlschlag irgendwie gern. A cheesy nasty, wohl wahr. (4/10)

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