Wir schreiben das Jahr 1981. Die Entwicklung des von Kritikern verächteten „Brutalo-Horrors“, in Fachkreisen Splatterfilm genannt, erlebte immer übertriebene, blutigere Spezialeffekte und erreichte mit der Zombie-Filmwelle ihren kurzen, aber heftigen Höhepunkt. Kurz vor dessen Rücklauf versuchte sich auch der relativ unbekannte ägyptische Filmemacher Farouk Agrama an der Untoten-Thematik, wenngleich diese anders ausfallen sollte, als man sie bisher gewohnt war. Denn im Mittelpunkt seiner Geschichte stehen weder Voodoo-Zauber, noch radioaktive Verseuchung oder sonstige Beweggründe, auf daß die untoten Jedermänner wiederauferstehen, sondern die uralten Flüche seiner Ahnen.
Äonen nach der grausamen Herrschaft des Pharaos Safiraman begibt sich der Amerikaner Rick in die entlegene Wüste und legt den Eingang zur verborgenen Kammer des Pharaonengrabes frei. Mit Hilfe seiner einheimischen, aber abergläubischen Diebesbrüder will er den unermeßlichen Goldschatz an sich reißen. Auch die Warnrufe einer scheinbar verrückten alten Frau – auf dem Grab soll ein todbringender Fluch lasten – schreckt den zielstrebigen Mann nicht von seinem Vorhaben ab. Doch sein Plan wird von einer Gruppe von Landsleuten vorerst vereitelt. Der New Yorker Modefotograf Bill ist im Land der Pharaonen auf der Suche nach geeigneten Kulissen für seine Models Lisa, Jenny und Gary. Zufälligerweise geraten die beiden Gruppen aufeinander und Bill setzt eine scheinbar grandiose Idee in die Welt: als Kulisse soll ihm die Königskammer des Pharao dienen. Ein schwerwiegender Fehler, wie die Eindringlinge später feststellen müssen. Denn im heißen Licht der Scheinwerfer erwacht Safiraman zum neuen Leben und mit ihm seine Untertanen, die gierig auf Menschenfleisch eine grausame Jagd auf alle Lebenden beginnen…
Wie sich unschwer erkennen läßt, nötigt der vorliegende Mumien-Streifen die üblichen Klischees dieses weitgehend stiefmütterlich behandelten Genres, die es in den vielen Jahren zuvor schon zuhauf gab und mit der Zeit dafür sorgten, daß die lebendigen Mullbinden in ihren Sarkophagen tief in den Grabkammern der Filmlandschaft wieder ihre Ruhe fanden. Doch Regisseur Agrama – mittlerweile „englischte“ er seinen Vornamen Farouk in Frank ein –, der hier seine letzte Regiearbeit ablieferte und sich mittlerweile auf das Produzieren diverser US-Film- und TV-Produktionen konzentriert, ließ die Toten für ein Budget von rund 500.000 US-Dollar nicht lange ruhen, wenngleich die einfach strukturierte Story sich in der ersten Hälfte ziemlich langatmig hinzieht und sich nahezu auf die Fotosession in der Grabkammer beschränkt. Zwischenzeitlich gibt es kleine Nebenstränge, in denen John Salvo als Grabräuber schweißtreibend das Gold sucht und zwanghaft die lästigen Eindringlinge loszuwerden versucht. Einige horrible Einsprengsel gibt es dennoch, wenn die Crew schrecklich zugerichtete Leichen findet (oder was von ihnen übrig ist). Doch das reicht leider nicht, um einen Spannungsbogen aufrecht zu halten, der ohnehin sehr niedrig gehalten wird. Da nützen auch die zum Teil schön in Szene gesetzte Oase und die prächtigen Pyramiden zu anfangs nicht wirklich viel, weil sie in ihrer einfältigen Nutzung bald trist wirken.
Dabei fängt der Prolog einigermaßen vielversprechend an: Zunächst der Rückblick ins Ägypten 3000 Jahre vor Christus, als die Pharaonenhäscher ein paar harmlose Bürger malträtieren. Dies zeugt davon, daß der Pharao kein friedliebender König war, obwohl es die hohe Priesterin in ihrem Gebet zu Osiris leugnet, will sie doch ihren kürzlich verstorbenen Gebieter sicher ins Reich der Toten geleiten. Und wie man sich denken kann, bleibt auch ein Mumien-Film im Kielwasser diverser Splatterfilme nicht ohne Effekteinlagen. So werden wir Zeuge einer kurzen Szene der Einbalsamierung, worin der Bauch aufgeschnitten und die Organe in ihre Krüge eingelegt werden. Zu guter letzt wird der obligatorische Fluch über alle kommenden Frevler ausgesprochen. Mit der folgenden Sprengung des Einstiegs der Grabkammer folgt der Schnitt in die Gegenwart und der Zuschauer weiß, was das für Folgen haben wird. Da darf auch die Warnung eines Einheimischen nicht fehlen. Dieses Mal ist es eine alte Frau mit starken Kariesproblemen (ich glaube, daß es dieselbe Darstellerin wie die der Priesterin ist, in der deutschen Synchronfassung haben zumindest beide dieselbe Sprecherin). Diese für verrückt erklärte Dame beauftragt drei Einheimische das Grab zu bewachen, sodaß sich die Grabräuber nicht der Schätze bemächtigen. Dumm und gierig wie die drei Kameltreiber aber sind, machen sie sich selber auf die Suche und werden unter der Wirkung der vergifteten Luft, die durch die Sprengung freigesetzt wurde, qualvoll dahingerafft – der Fluch findet seine ersten Opfer.
Danach folgt erstmal gähnende Langeweile, woran die strunzdummen Protagonisten nicht unschuldig sind. Da bedarf es prinzipiell auch nicht der Erkenntnis, daß die Models mit nichts anderem beschäftigt sind als sich zu frisieren oder die Fußnägel zu lackieren, um zu beweisen, daß die Charakteristika so eben ist wie der Horizontlinie. Von den Darstellern ragt für meinen Geschmack lediglich der blondgelockte John Stalvo heraus, der trotz seiner Antihaltung einen leichten Sympathieeinschlag besitzt. Da betrübt es schon beinahe, wenn er bereits irrsinnig lachend ob seiner Entdeckung der Schatzkammer vom Pharao ins Jenseits befördert wird. Aber wer nicht hören will, der muß nun mal fühlen – das wurde mir schon als Kind eingebleut. Apropos Pharao, der wird von einem ungemein großen (mindestens zwei Meter), aber hageren Statisten verkörpert. Das gesamte Erscheinungsbild ist schon etwas beeindruckend, das Make-up ganz nett und das Bindenkostüm sehr schön verarbeitet. Etwas merkwürdig sind jedoch die von der Verwesung unbetroffenen, stechenden Augen, welche mitunter der Bewegrund für den Regisseur waren, diesen Menschen für die Rolle des Safiraman zu besetzen. Um es mal mit den Worten des norddeutschen Komikers Fips Asmussen zu sagen: „Das war ein Blick wie in anderer Leute Hose.“
Neben zahlreichen inhaltlichen Schwächen gibt es auch inszenatorische, von denen die anscheinend unendlichlang anhaltende Wiederbelebung Safiramans am auffälligsten ist. Ebenso die hanebüchene Idee, daß das Scheinwerferlicht dafür verantwortlich ist und eine Art säurebildendes Blut zwischen den Binden hervorquellen läßt. Immerhin gibt es daraus resultierend ein paar Make-up-Effekte von Maurizio Trani zu bestaunen: Nachdem der Pharao seine Opfer erwürgt, hinterlassen seine Hände häßliche, verätzte Wunden. Doch das ist bei weitem nicht alles, denn abgetrennte oder gespaltene Köpfe, Fleischwunden und Gedärmefreßszenen sind keine Ausnahmen, wenngleich die Effektszenen nicht so ausnahmslos dargestellt werden wie in den Zombie-Filmen italienischer Prägung, von denen sich Agrama zweifellos inspirieren ließ. Trotz der Mitwirkung italienischer Filmkollegen wie Sergio Rubini und eben Maurizio Trani ist DAWN OF THE MUMMY meines Wissens keine italienische Koproduktion, wenngleich das fortlaufend behauptet wird. Aber die stilistische Ähnlichkeit ist dennoch nicht zu übersehen. Und selbstredend darf eine Hommage an George A. Romero ebensowenig fehlen, wenngleich sich dies nur auf den Titel des Filmes beschränkt.
Ein Pluspunkt, den der Film gegenüber fast allen Beiträgen des Mumien-Subgenres verbuchen kann, sind die authentischen Drehorte. Während die übliche Konzeption des Mumienfilms sich im Verlauf der Geschichte in die Metropolen der westlichen Welt (England/USA) bewegt, verweilt Agramas Geschichte in Ägypten. Die Befürchtung, daß der Schauplatz des Vorspannes (New York City) auch weiteren Anteil innehat, bestätigt sich Osiris sei Dank nicht. Die 22 Tage Drehzeit wurden fast komplett in Ägypten abgehalten, wobei die Außenaufnahmen mit den Pyramiden in Giza und die Studioaufnahmen in Kairo stattfanden. Zu letzteren gehören auch die Innenaufnahmen der Grabkammer, die ein komplettes Setdesign von Mark Shaer und Gerald Hesse war, aber dafür gar nicht mal so schlecht aussieht.
Trotz aller Einfältigkeiten im schwachen Drehbuch und in der Inszenierung, hat der Film gewisse Momente, die mir immer in guter und wohlgewollter Erinnerungen bleiben werden: Die Auferstehung der Zombies, die sich aus dem weißen Wüstensand erheben und im titelgebendem Morgengrauen (die Szene wurde allerdings während eines Sonnenuntergangs gedreht) losstapfen oder die kleine Terroreinlage in der Oase, als ein Model (Ellen Faison) auf unliebsame Art der Badespaß verdorben wird. Sehr kurios ist dabei ihr Ableben, wenn sie von gierigen Händen in den Sandboden gezogen wird. In einer zusammenhängenden Szene erinnert die Auferstehung der Toten an jene aus der Friedhofssequenz in Lucio Fulcis ZOMBI 2 (WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES, 1979) und auch Joe D’Amatos LE NOTTI EROTICHE DEI MORTI VIVENTI (IN DER GEWALT DER ZOMBIES, 1980), wenngleich hier Grabsteine bzw. Kreuze durch Kakteen ersetzt werden. Die Szene von Safiramans eigener Auferstehung findet sogar in Norbert Stresaus Buch „Der Horror-Film“ ihre Erwähnung, bediente sich Kameramann Sergio Rubini eines Stilmittels, das Orson Welles in seiner wirkungsvollen Funktion bewiesen hat: eine Schnittfolge wird durch eine Staffelung in der Tiefe des Bildes, also einer mise-en-scène ersetzt. Dies beschreibt der Autor wie folgt: „So bringt auch ein ansonsten völlig belangloses c-picture wie DAWN OF THE MUMMY einen sehr effektiven Schock zustande, in dem er die Aufmerksamkeit des Zuschauers zunächst auf den Bildhintergrund konzentriert, bis sich im Vordergrund plötzlich eine Mumie aufrichtet.“ Ob dies nun bewußt oder unbewußt geschah, sei mal dahingestellt.
Das alles geschieht in der zweiten Hälfte des Filmes, die weitgehend unterhaltsamer in Erscheinung tritt. Filmkomponist Shuki Levy greift mit seinem zuweilen reißerischen Soundtrack unterstützend ein und verleiht den Aktionen ein höheres Tempo, als auch eine äußerst stimmungsvolle Untermalung und steigert sich insbesondere im Schlußteil, wenn die Untoten in die Stadt (ebenfalls eine im Studio erbaute Dekoration) einfallen und die angeheiterten Bürger aus ihren Feierlichkeiten reißen, während ihr Gebieter das blutrünstige Geschehen teilnahmslos verfolgt. Insbesondere hier klingt die mit einem Beat unterlegte Musik schon beinahe poppig. Ein apokalyptisches Szenario bleibt jedoch aus. Ja, der Film endet sogar abrupt, als die Zombie-Armee die Dorfbewohner vertreibt und sich infolgedessen ebenfalls aus dem Staub macht. Die überlebenden Protagonisten befördern die Mumie des Pharao scheinbar mit Dynamit ins Jenseits. So scheint es aber nur, denn bevor der erleichternde Filmabspann abläuft, greift plötzlich die Hand der Mumie ins Blickfeld. Obwohl diese weitere mise-en-scène zumindest ein Happy-End zunichte macht, verblieb der ausgesprochen exploitative Mumien-Zombie-Mix ohne mögliche Nachzieher und sicherte sich als einziger Film seiner Art (zum Großteil unbemerkt) einen Platz in den Annalen der Filmgeschichte.