Traffic - das bedeutet Verkehr und beschreibt in diesem Zusammenhang den Austausch von Waren, Ideen und Idealen, kurz: Globalisierung.
In Steven Soderberghs Filmvorlage von 2000 wurde ein spezieller Aspekt der negativen Auswirkungen des übergreifenden Warenverkehrs thematisiert, und zwar der Drogenhandel. Der Clou an der Umsetzung war folgender: es wurden drei Ebenen der Auswirkungen behandelt, die von der Makro- bis in die Mikroebene reichen. Dabei sind alle so miteinander verschmolzen, dass die Auswirkungen des anonymen, makroperspektivisch betrachtet doch noch relativ opferlosen Drogenschmuggels auf die kleinste Ebene, nämlich Familien und Einzelschicksale, effektiv sichtbar wird.
Die vierstündige Umsetzung für das Fernsehen schließt nahtlos an diesen Ansatz an und strickt ihn weiter. Neben der Drogenproblematik werden nun nämlich noch weitere Bereiche erfasst, die mit dem Globalisierungsaspekt zu verbinden sind, vor allem Menschenschmuggel und terroristische Aktivitäten. Diesbezüglich verhält sich "Traffic - Die Miniserie" zur Filmvorlage von Soderbergh wie "GTA San Andreas" zu "Vice City": Optik und Konstruktion sind gleich geblieben, während sich der Handlungsspielraum immens erweitert hat.
Vorweg ist zu sagen: "Traffic - Die Miniserie" erreicht erwartungsgemäß nicht ganz die Klasse von "Traffic - Die Macht des Kartells", nimmt nach TV-Maßstäben dennoch eine der Spitzenpositionen ein.
Verantwortlich für die Umsetzung zeichnen die Macher des letzten großen TV-Events "24", was ohne Zweifel in jeder Filmminute deutlich sichtbar ist. Überhaupt erweckt die vorliegende Miniserie den Eindruck, ein Mischling aus Soderberghs "Traffic" und jenem "24" zu sein, zumal "24"-Regisseur Stephen Hopkins auch hier das Ruder als Regisseur und als Produzent übernahm.
Während die Kameraführung deutlich von Jack Bauers Abenteuern inspiriert wurde, orientiert sich die Optik weiterhin beinahe detailgetreu am zugrundegelegten Kinofilm. Vorherrschend ist eine Palette von Gelb-, Weiß- und Brauntönen, was vor allem bei den Ermittlungen des DEA-Agenten Mike McKay (Elias Koteas) hervorsticht. Ausgesprochen gut gelungen ist daher auch die Verknüpfung von visueller Bildgestaltung und Handlung, denn die surreale, bildverfremdete Trockenheit des trostlosen Wüstengebiets verdeutlicht die Sinnlosigkeit, das Ungleichgewicht zwischen dem Grund für McKays Einsatz und dem, was auf dem Spiel steht.
Auf dem Spiel steht die Tatsache, dass McKay eine Familie hat, eine Frau und einen Sohn, die zu Hause warten und mit der Situation überfordert sind. Der Handlungsstrang um die Familie ist in kühlen Blautönen gehalten, wodurch ein Kontrast dargestellt wird, der die Trennung der Familie veranschaulicht. Eine Trennung, die nur sporadisch durch Telefonanrufe überwunden werden kann. Schon in dieser Ausgangsgeschichte wird erreicht, was erreicht werden soll: die Darstellungen der Auswirkungen überindividueller Vorgänge auf Familie und Einzelschicksale.
Darüber hinaus werden noch zwei weitere Erzählstränge in die Gesamtgeschichte eingeflochten, die später alle aufeinander Auswirkungen haben sollen. Zum einen lernen wir Adam Kadyrov (Cliff Curtis) kennen, einen illegalen Einwanderer, der seine Frau und seine Tochter in einem Transportschiff erwartet, als man ihm sagt, das Schiff sei gesunken und alle, die an Bord waren, getötet worden. Mit dieser notdürftigen Aussage will er sich aber nicht zufrieden geben, so dass er auf eigene Faust ermittelt und bei den Verantwortlichen nachhakt.
Zum anderen wäre da Ben Edmonds (Balthazar Getty), der in die ungemütliche Lage kommt, das Unternehmen seines Vaters übernehmen zu müssen, wobei er auf eine Welt stößt, die eine Nummer zu groß für ihn zu sein scheint.
Bezüglich der Verflechtung der Handlungsstränge und der Darstellung der Auswirkungen der Makro- auf die Mikroebene steht die Miniserie der Filmvorlage in nichts nach. Im Gegenteil, sämtliche Ausweitungen wurden ausreichend berücksichtigt. Dank der 250 Minuten Laufzeit, die für das Gezeigte auch notwendig sind, wird auch den Einzelschicksalen nach wie vor genug Platz eingeräumt. Das gilt gerade in Bezug auf den Sohn des später vermissten DEA-Agenten, der durch seine neue Freundin mit der Welt der Drogen konfrontiert wird und dadurch in zwischenmenschliche Konflikte gerät, zumal das Verhältnis zu seiner Mutter durch die Abwesenheit des Vaters auch angespannt ist.
Der Cast fällt verliert zwar von der Prominenz her gegen Namen wie Michael Douglas, Don Cheadle oder Benicio del Toro ab, nicht aber unbedingt von der Qualität her. Skript und individuelle Leistungen erlauben die Einführung interessanter und markanter Charaktere, wobei eigentlich niemand sonderlich abfällt. Elias Koteas gibt eine gelungene Mischung der Rollen Kiefer Sutherlands in "24" und Jason Patrics in "Narc" zum Besten und nimmt beinahe eine Protagonistenrolle für sich in Anspruch, obwohl es aufgrund der Strukturierung eigentlich nicht möglich ist, einen Charakter als dominierend herauszuheben. Seine Filmfrau agiert angenehm glaubwürdig und mit menschlichen Makeln versehen (der verstohlene Blick auf den verdächtigten Bodyguard; das mehrmalige Betonen, dass die Telefonleitung unterbrochen worden sei etc.) sowie von einer inneren Zerrissenheit gezeichnet. Balthazar Getty erinnert in seiner ebenso glaubwürdigen Unauffälligkeit ein wenig an die Ausstrahlung eines Liev Schreiber. Und Cliff Curtis spielt erfolgreich gegen seine Bösewichterrollen aus Filmen wie "Collateral Damage", "Blow" oder "Training Day" an.
Was etwas mißfällt, ist ein Mittel, das bei "24" zum unverzichtbaren Standard gehört. Gemeint sind plötzliche Wendungen, die einzelne Personen in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen, als man sie zuvor noch eingeschätzt hatte. Dies mag in einer fiktiven Echtzeitserie den Spannungsaufbau unterstützen, hier steht es jedoch im Widerspruch zu den Realismusansprüchen. In Soderberghs "Traffic" gab es weder verkappte Bösewichte noch bösartig erscheinende Wohltäter, es wurde betont mit offenen Karten gespielt. Lediglich Dennis Quaids Charakter erlebte eine 180°-Drehung. Aber selbst die war glaubwürdiger in Szene gesetzt als so manche Wendung, die man hier vorfindet.
Des weiteren nehmen die penetranten Kamerazooms meiner Einschätzung nach manchmal etwas zu einnehmende Formen an, indem sie sich als Stilmittel vor die intendierte Wirkung drängen.
Zuletzt erinnern die Entwicklungen gegen Ende bei aller Spannung vielleicht etwas zu sehr an das Finale der zweiten Staffel aus "24".
Das aber nur am Rande, denn die Kritikpunkte, das will ich noch betonen, sind wirklich nur bei näherem Hinsehen zu erblicken und stören den positiven Gesamteindruck nicht weiter. "Traffic - Die Miniserie" ist eine konsequente Weiterentwicklung des Drogen-Dramas mit Michael Douglas und Benicio del Toro von 2000. Die Verbindung der Makro- mit der Mikroperspektive wurde erstens noch detaillierter abgestuft. Das heißt, es gibt nicht mehr nur eine dreigeteilte Abstufung, sondern einen beinahe flüssigen Übergang, der mehr denn je veranschaulicht, wie das Machtstreben Einzelner auf der großen Bühne das Unglück vieler Menschen herbeiführen kann.
Zweitens wurde dies noch um die Dimension der "Interaktivität" erweitert, da nun auch die Auswirkungen des einen Bereichs auf den anderen aufgezeigt werden. Weder Drogen- noch Menschenschmuggel, geschweige denn Terrorismus sind autarke Vorgänge, die in einer hermeneutischen Spirale aus sich selbst entstehen. Vielmehr bedingen sie sich alle gegenseitig und schaukeln sich immer höher, bis sie einbrechen und auf die hilflosen Individuen niederregnen.
All das schaffen Hopkins & Co., uns in vier Stunden näherzubringen. Über kleinere technische Unausgereiftheiten ist daher großzügig hinwegzusehen.
8/10