Nick Cavanaugh (Julian Sands) ist ein ausgezeichneter Chirurg. Auch sonst scheint er ein durch und durch guter, disziplinierter Typ zu sein: Er macht regelmäßig Sport, ist freundlich zu seinen Mitmenschen, hat vor, zu heiraten, und ist extrem reinlich. Doch da die Summe aller Laster gleich ist, findet man auch bei ihm Abnormitäten. Aus einer verkümmerten Beziehung zu seiner Mutter resultiert eine Art Ödipuskomplex. Auch spannt Nick ganz gerne mal. Sein ansonsten perfektes Leben wirft er aber über Bord, indem er sich der unerreichbaren Helena (Sherilyn Fenn) annähert. Um sie an sich zu binden, amputiert Nick ihr nach einem Unfall ihre Beine. Jetzt ist sie Gefangene in seinem Haus und er kümmert sich mit seiner ganzen Liebe um sie.
Um ehrlich zu sein, ist der Film eigentlich nur ob seines Skandalimages interessant, womit auch auf dem Cover geworben wird. Die Story ist nämlich eher tranig. Das erahnt man bereits, wenn man die Inhaltsangabe ließt, doch sollte man sich ruhig selbst ein Bild machen: Hauptspielplatz der Geschichte ist Nicks Haus (zugegeben recht anschaulich gestaltet); externe Einflüsse treten nur sporadisch auf. Doch wirklich entwickeln tut sich die Geschichte nur langsam. Andauernd legt Regisseurin Jennifer Chambers Lynch den Fokus auf die Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren, deren Dialoge mühevoll vor sich hin plätschern und es nicht im Geringsten schaffen, die schwache Geschichte zu kompensieren.
Warum wird "Boxing Helena" denn nun als Skandalfilm gewertet? Nun, ganz klar ist mir das auch nicht. Hauptsächlich liegt das wohl an der Wahl des Protagonisten, der falsch handelt und den Zuschauer zwingt, sich mit einem verkommenen Individuum auseinanderzusetzen. Doch dieses Faktum ist auch bei etlichen anderen Filmen vorhanden, die ihre Existenz nicht durch ein Skandalimage rechtfertigen müssen. Vielleicht erwartet man von dem Film auch prickelnde Erotik oder so. Die meiste Zeit aber sieht man von der Erotik nicht wirklich viel. Hier mal ein nackter Frauenkörper, dort ein Hauch einer intergeschlechtlichen Auseinandersetzungen. Erst kurz vor Ende wid dann doch eine softe Sexszene gezeigt. Bei weitem nichts weltbewegendes. So kristallisiert sich für mich eigentlich nur ein Grund für das angepriesene Skandalimage heraus: Mit irgendetwas muss man ja werben, und da man ansonsten einfach nichts bieten kann, beruft man sich eben auf die putative Anstößigkeit.
Trotzdem muss man sagen, dass die Inszenierung nicht wirklich schlecht ist. Der ganze Streifen wirkt wie eine Verfilmung eines typischen Arzt-/ Kitschromans. Unter dem Gesichtspunkt macht man sogar vieles richtig. Hie und dort sind oberflächliche Metaphern vorhanden (so zeigen diverse Szenen einen Vogel im Käfig, um den Status der gefangenen Helena zu symbolisieren) und es gibt ein großes Maß an Sinnlichkeit. Zärtliche Momente und seichte Fantasien sind aber dann doch eher etwas für eine weibliche Zielgruppe und zwar hier schon eher eine anspruchslose weibliche Zielgruppe. Das tiefsinnige Charakterportrait des Protagonisten ist durchaus ambitioniert, langweilt aber auch ungemein.
Was mich aber wirklich angekotzt hat, war die Darstellung des Protagonisten in der Anfangsphase des Films. Sein ganzes Gehabe, auf Helena fokussiert zu sein, erscheint derart aufgesetzt, dass ich nicht nur früh begriffen habe, dass man den Film nicht wirklich ernstnehmen kann, sondern auch vehemente Kritik an Julian Sands Schauspielkunst äußern muss. Jennifer Lynch muss uns Zuschauer wirklich für dumm halten, wenn sie die Fixierung auf Helena derart übertreibt. Alleine bei der Spannerszene war ja eigentlich die Situation vollkommen klar, aber dann muss man ja unbedingt noch zeigen, wie er seine Frau ignoriert, um Helena anzustarren.
"Boxing Helena" ist ein unbefriedigender Ausflug in eine dezent verkommene Psyche. Die Story ist echt ziemlich lahm, herausragende Szenen sind nicht vorhanden und die Präsentation des Hauptcharakters nervt. Das sinnliche Charaktergeplänkel nagt an der Geduld des Zuschauers, ohne die Ambitionen der Regisseurin unterhaltsam umzusetzen. Insgesamt ein recht misslungener Film.