Ein interessantes, wechselhaftes Gedankenspiel.
"The Wall" ist kein Film im herkömmlichen Sinne. Es gibt eine Handlung nur in Ansätzen und eher bruchstückhaft. Es geht viel mehr um das Zusammenspiel vieler verschiedener Assoziationen in einer großen Sinfonie nach Pink Floyd. Dabei kommt immer wieder das Motiv der Mauer auf und zieht sich wie ein roter Faden durch den Film. In den Gedankenkonstrukten der Hauptfigur treten dabei viele politisch-soziale Thematiken in einer oft radikalen Darstellung auf. So hat der Film beispielsweise einen äußerst pazifistischen Grundtenor, es werden schlimme utopische Fantasien gezeichnet über moderne Kriege in einer modernen Gesellschaft und deren verheerende Folgen. Die dargestellte, an Luxus überfrachtete Konsumgesellschaft bietet einem Individuum keinen Platz zur Entfaltung, sie vernichtet es eher mit der Macht (Der Hammer) des Materialismus und der Obrigkeit. Sowieso lehnt sich der Film doch sehr direkt gegen überalterte Werte, Konventionen und die Obrigkeit auf (allein die Sequenz mit den Schulkindern - "Another Brick in the Wall"), wobei sehr offensichtliche Vergleiche mit dem Nationalsozialismus gezogen werden. Alles in Allem eine sehr düster-brachiale Vision einer materiellen, emotionslosen Welt, wie sie es sein hätte können, in einer etwas extremeren Version. Durchaus sind viele politische Aussagen zeitlos und bemerkenswert, aber es sind längst nicht alle aktuell geblieben. Der Film ist einfach auch ein Produkt seiner Zeit und des Jahrzehnts davor.
Was allerdings weiterhin bleibt, ist die wirklich vielfältige Inszenierung. Anspielungen und Aussagen werden in "The Wall" stets in sehr direkten Metaphern und Bildern inszeniert. Der Stil der Darstellung wechselt dabei mit der Musik von Pink Floyd von schlicht über düster, traurig bis hin zu überzeichnet, comichaft. Es entsteht ein musikalischer, rhythmischer und zuweilen recht theatralischer Film, welcher teils mit radikalen Aussagen provoziert, aber dann auch mal einfach zu einem stilvollen "netten Videoclip" der durchgehend laufenden Musik mutiert. Dazwischen werden regelmäßig Bildassoziationen und Erinnerungsfetzen der Hauptfigur eingestreut, sodass auch die Zeitebenen der "Handlung" verwischen. Parallelen in der Machart finden sich somit z.B. bei Tykwers "Lola Rennt" in einer abgewandelten Form. Vom ästhetischen Standpunkt ist also "The Wall" ein wirklich wichtiger Film, seine Einflüsse sieht man beispielsweise ständig in Videoclips auf MTV & co.
Schließlich kann ich den Film mit seinen mutigen, außergewöhnlichen Bildern und seinen teils philosophischen Ansätzen nur empfehlen. Und wenn jemand jetzt wissen will, um was es denn eigentlich in "The Wall" geht, dann braucht er sich nur die Frage zu stellen, was eine Mauer ist: Schutz. Aber vor allem Hemmung und Beschränkung für Körper und Geist. Etwas, das Dinge wie Gefühle und Persönlichkeit hindert, sich nach außen zu entfalten. Die Endkonsequenz muss also ihre Zerstörung sein. 9/10.