Der erste Eindruck täuscht.
Revenge of Angel ist keiner der Filme, die sich wie Shanghai Heroic Story, Hero among Heroes, Circus Kids und Revanchist mühsam dem gerade entstandenen period piece Trubel um Once upon a Time in China anschliessen wollen, ihre Schauplätze in die 20er, 30er Jahre des letzten Jahrhunderts verlegen und dann die Wirework – Techniker von der Leine lassen.
Obwohl das Setting genau dasselbe ist und sich die Impressionen eine Weile nicht über den bekannten und auch fast gefürchteten Rahmen hinaussteigern, so wird doch letztlich eine ganz andere Erzählung angepeilt.
Man verbindet die gegebenen Bestandteile nämlich zunehmend mit einer Geistergeschichte, die neben der eh vorhandenen Action noch Liebe, Romantik, Drama, Tragödie und auch Humor einbinden will; man erweitert die kompakte Masse und vermeidet einen Leerlauf durch das Anreichern über mehrere Ebenen.
Dies zu den positiven Elementen der Ausgangspunktes; die negativen lassen aber nicht allzu lange auf sich warten. Ein Hinabgleiten von dem soweit sicheren Podest der preiswerten Reisser hin zu einer schon etwas schwerer zu handhabenden Fantasybeimischung stösst nämlich sicherlich nicht bei Jedem auf Wohlwollen. Die nunmehr eingebrachten Wendungen muss das Publikum nämlich auch verdauen; wenn plötzlich die Untoten rumspuken fangen manche wohl schon automatisch mit dem Augenrollen an. Ausserdem verhindern diese Belange eine Konzentration auf den Racheplot; man hat jetzt noch genügend mit anderen Dingen zu tun und macht dies dann auch ausgiebig. Manchmal geht man also zwei Schritte zurück, wenn man einen nach vorne tun will; gerade im Film sieht man später auch, inwiefern sich dieses Problem auswirkt.
Rein von den Daten her ist die Produktion überhaupt nicht auffällig. Regisseur Richard Yeung Kuen verfügt zwar mit mehr als 30 Titeln über eine massive Filmography; aber wenn der Hervorstechendste Prodigal Son heisst und nicht der Sammo Hung / Yuen Biao Film ist, sondern einer mit Shek Kin und Lau Chi Wing, kann dabei nicht allzu viel herumgekommen sein. Mit Storming Attacks [ DT: Der reissende Puma, 1978 ] wurde sich sogar an Bruceploitation beteiligt, ansonsten steht noch ein uralter Chow Yun Fat [ Hot Blood, 1977 ] und vielleicht nur Read Lips [ 1980 ] überhaupt für eine Debatte zur Verfügung. Der Rest ist no – name, mit no – name Darstellern. Die Erwartungen sind notgedrungen geringer als die Vorurteile; aber zumindest wacht Tsui Siu Ming als Produzent und Action Director über das Projekt und ist mit Moon Lee ein Star der populären Battle Queens in der Hauptrolle der Angel Siu gecastet. Sie ist auch für die Revenge zuständig; kam sie doch vor 20 Jahren bei einem Rettungsversuch in Flammen ums Leben.
Ihr Lehrmeister Ma [ Wu Ma ] musste die durch das Feuer zerstörte Operntruppe aufgeben; der Verursacher des Brandes Chan Ping [ Chung Fat ] wurde wegen seinem Vermögen und dem dementsprechenden Status nicht zur Verantwortung gezogen.
Als Angels Seele und Geist wieder vereint wird, hat sie die Untat nicht vergessen, braucht für den Feldzug der Vergeltung aber die Hilfe ihres Lehrmeisters sowie dessen Cousins Siu Man [ Lau Chi Wai ], der sich mittlerweile in die nun als Nixe Tätige verliebt hat. Vereint macht man sich zur Sühne auf.
Trotz der abgehobenen Sphäre bar jeder Realität also dennoch nur der Grundgedanke von „Auge um Auge“. Deren Ursache und Wirkung ebenso wie Reaktion und Gegenreaktion auch hier als Antrieb zu verzeichnen; allein dabei bewegt man sich auch soweit stilsicher und stolpert nicht über zu abgehobene Gedankenstufen.
Den Strang mit der Verwunschenen hätte man überhaupt nicht gebraucht, lenkt aber ein bisschen von der Eindimensionalität von Plot und Inszenierung ab und ergibt zusammen mit anderen Faktoren ein bunteres Bild. Hinzu kommt u.a. noch die Disparität von Kunst und Wirklichkeit: Ma ist immer noch beim Theater angestellt und muss sich mit streitenden Artisten herumschlagen, die ihre kreativen Differenzen beim Lesen des kommenden Drehbuches austragen. Anfangs will man sogar mit den Requisiten aus dem Schauspielhaus auf Angreifer losgehen, die aber ihre echten Pistolen zücken.
Auch die verschiedenen Aufführungen werden reichlich ins Geschehen eingebunden, ohne dabei wirklich einen Kommentar abgeben zu wollen; aber der Zusatz eines zweiten Mediums ergänzt das Ursprüngliche recht systematisch.
Die Bühne der Oper besteht nur aus einem mit Teppich ausgelegten Holzboden sowie einer gemalten Leinwand; ähnlich verhält sich auch die Ausstattung des Filmes selber. Im platzierten Niemandsland befindet man sich zwar offensichtlich in einer Stadt, aber bekommt davon ausser einer grau – angefressenen Fassade überhaupt nichts zu sehen.
Die Dekoration selbst von pompös eingestuften Innenräumen ist knausrig; die vergilbten Wände lenken nicht von der spärlichen bis gleich nicht vorhandenen Dekoration ab und das wenige Mobiliar besteht grundsätzlich aus windschiefen Objekten. Selbst die bespannte Garnitur strahlt keine Bequemlichkeit aus.
Kein Wunder, dass im Hotel kein Fahrstuhl vorhanden ist, wie ein arroganter Schauspieler naserümpfend bemerkt. Die Nässe des nah anliegenden Flusses, an dem auch das Unglück geschah, kriecht die modrige Ufertreppe hinauf und kleidet den Ort in einen feuchtkalten Schleier.
Optisch macht man also nichts her und passt damit wunderbar zu den obrigen Vertretern, die ebenfalls so aussahen, als hätte man sie nur in die 30er verlegt, weil man sich keine richtigen Kulissen leisten konnte. Das farblose Bild und die wie absichtlich auf kostengünstig getrimmten Aufnahmen sorgen dafür, dass das geneigte Publikum sich gleich wie daheim Zuhause fühlt; diesmal versuchen die Finanziers auch gar nicht erst vorzugauckeln, dass sie über pekuniären Rückhalt verfügen und lassen money shots ebenfalls gleich weg.
Man verdichtet sich stattdessen auf kleinere Einheiten; lässt Handkantengewirbel kurzzeitlich freien Lauf und speist den preiswerten Capture the Flag – Rugby – Mix aus Dragon Lord in einer Neuauflage ein.
Sicherlich alles eine Spur schmaler als üblich und selbst die einige Male präsentierte Draufsicht hat keine wirklich grosszügige Entität einzufangen, aber dafür beherrscht das Drehteam auch ohne greifbares Budget ihre Sache und versucht wenigstens, alles Mögliche herauszuholen.
Sowohl bei den Kämpfen als auch dem „Spiel“ kann man sich nicht wirklich über die Choreographie beschweren, auch das Wenige an Einrichtung wird schön auseinandergenommen. Wobei sicherlich wieder sämtliche Möbel aus Papier erscheinen, aber es dafür umso mehr weh tut, wenn für die Effektaufnahme mal alles heil bleibt und die Leute schmerzverzehrt einschlagen.
Ins Schlingern kommt man dann auch erst, als die Liebesgeschichte so langsam ihren Lauf nimmt, Siu Man auch noch zwischen zwei Frauen steht und sich der veranschlagte Gegenschlag an Chan Ping und seinen Sohn Dick [ Deon Lam ] zur einer Beschwörungsattacke ausufert. Wenn der schlimmste Feind der gegnerische Familienaltar ist, hat man gemeinhin ein Problem; als aktiver Rivale ebenso wie als passiver Betrachter. Wer will schon okkulte Zauberformeln und magischer Hexerei statt Kugelhagel und Knochenbruch sehen ? Spätestens wenn dann noch tatsächlich Pontos als Personifikation des Schwarzen Meers und Vater der Flüsse auftaucht, Angel Siu in den Tartaros [ = besonders finsterer Teil der Unterwelt; ein Ort der Strafe, umgeben von einer dreifachen Mauer und umflossen vom Pyriphlegethon ] ziehen will und ihm dabei beim ersten Hieb gegen ihren Zukünftigen der Frack vom Leib platzt, muss man angesichts dieser Szenen schon einmal schwer schlucken.
Grundsätzlich ist die gesamte zweite Hälfte im Sinkflug; es wird viel gekitscht, viel geweint und viel zeremonieller Hokuspokus betrieben.
Leider ist auch die Besetzung ebenfalls nicht so herausragend. Wu Ma spielt nur sich selber, Moon Lee hat wenig zu tun und passt auch so gar nicht in die Rolle. Lau Chi Wai hat zwar etwas drauf – besonders bei den permanenten Handstützüberschlägen und Tsukaharas zu sehen -, ist aber ein ganz blasser Mensch. Von Charisma und Präsenz weit und breit nichts zu spüren; nach zwei weiteren Credits war auch Schluss mit der Schauspielerei.
Bei den Restlichen ist auffallend und gleichzeitig positiv zu vermerken, dass die Meisten – Lau Shung Fung, Chung Fat, Cho Wing, Deon Lam und Yuen Miu - im wahren Berufsleben alles selber Choreographen sind und sich deswegen fördernd in die Ereignisse miteinbringen können. Nur retten tut dies nichts mehr; dafür hat man sich im Endeffekt das falsche Genre ausgesucht. Abwechslungsreichtum ist halt doch nicht immer alles und ersetzt auch nicht auf Knopfdruck Qualität.