Bevor Judd Apatow mit „Jungfrau (40), männlich, sucht…“ so richtig durchstartete, war er als Produzent, Regisseur und Drehbuchautor an der TV-Serie „Freaks and Geeks“ beteiligt, bei der er große Teile seines Stammpersonals kennen lernte, mit dem er spätere diverse Komödienhits fabrizieren sollte.
Angesiedelt im Jahre 1980 denkt „Freaks and Geeks“ die Ideen von John Hughes weiter. Auf der einen Seite gibt es die so genannten Freaks: Daniel Desario (James Franco), Nick Andopolis (Jason Segel), Ken Miller (Seth Rogen) und Kim Kelly (Busy Philipps), deren Interesse an Alkohol, Kiffen und Rockmusik genauso groß wie ihr Desinteresse am Lernen und Teilnahme an anderen Schulaktivitäten ist. Die Geeks, das sind Sam Weir (John Francis Daley), Neal Schweiber (Samm Levine) und Bill Haverchuck (Martin Starr), die aufgrund ihrer Vorliebe für „Star Wars“, Comics und Rollenspiele ausgegrenzt werden. Sams Schwester Lindsay (Linda Cardellini) ist eigentlich eine gute Schülerin aus gutem Hause mit Bestnoten, doch sie schließt sich auf ihrer Identitätssuche den Freaks an. Nicht nur ihr wird bald klar, dass jeder ein Individuum ist, das über die Typisierung als Freak, Geek oder Jock hinaus Eigenschaften besitzt...
Das unaufgeregte Konzept, dessen Creator Paul Feig als Schauspieler und Regisseur tätig ist und mit dem von Judd Apatow produzierten „Bridesmaids“ einen der erfolgreichsten Filme des Jahres 2011 hinlegte, kam in Amerika nicht an, gerade mal eine Staffel wurde produziert und im ersten Anlauf noch nicht einmal komplett gesendet. Mittlerweile genießt „Freaks and Geeks“ Kultstatus und das vollkommen zu Recht, denn selten war eine größere Liebe zu den Figuren in einer Serie zu spüren: In einer Montage wird lediglich gezeigt, wie sich Bill sein Mittagessen macht, sich vor den Fernseher setzt und beim Fernsehen ist – doch von der reinen Art, wie dies gefilmt ist, erscheint es weniger wie der Blick eines Regisseurs auf eine Figur, sondern wie ein Vater, der seinem Sohn zusieht.
Besagter Zuneigung bezieht sich nicht nur auf die Hauptfiguren, „Freaks and Geeks“ denkt das Erbe eines John Hughes weiter und bricht mit klassischen Ideen von Bullies, Jocks etc. Sam muss erkennen, dass der Jock, für den sich sein Schwarm interessiert, eigentlich doch ein korrekter Typ ist, der Bully, der die Geeks auf dem Kieker hat, wird mit Hintergrund ausgestattet, sodass seine Taten nicht als reine unmotivierte Boshaftigkeit erscheinen, und der Sportlehrer Ben Fredricks ist in einem Casting-Coup nicht nur mit Thomas F. Wilson, dem Biff aus der „Zurück in die Zukunft“-Trilogie, besetzt, sondern erweist sich immer wieder als verständnisvoller Pädagoge, trotz seiner Fehler, trotz seiner Fixierung auf Sport und Fitness, welche die Geeks natürlich nicht teilen oder verstehen.
In 18 Episoden erzählen Paul Feig, Judd Apatow und die anderen Beteiligten viele kleine Coming-of-Age-Geschichten von der ersten Liebe, von der Suche nach Identität, von der Rebellion gegen die Eltern usw. All das ist so lebensnah und so ehrlich gemacht, vermeidet (meistens) Übertreibungen oder Spektakel und gibt einen realistischen Blick auf eine Jugendkultur, die es in den 80ern gab und in ähnlicher Form noch heute gibt, in der man sich über Musikgeschmack, Freundeskreise und Hobbies zu definieren versucht und trotzdem in der Kombination der Attribute individuell sein will.
Nebenbei ist „Freaks and Geeks“ auch noch herzerfrischend komisch, gerade in den pointierten Dialogen, die aber bei allem Witz so klingen als ob Jugendliche sich so austauschen, dessen Slapstick- und Panneneinlagen (etwa wenn die Geeks ein Fass richtiges Bier vor einer Party gegen ein Fass alkoholfreies austauschen und Bill sich an dem Bier betrinkt) nie gewollt, sondern wie aus dem Leben gegriffen wirken.
Während die meisten Apatow-Produkte verstärkt aus dem männlichen Blickwinkel erzählt werden, kommen bei „Freaks and Geeks“ beide Geschlechter dran, denn obwohl der Cast mehr Männer als Frauen umfasst, so ist Lindsay die zentrale Figur der Serie, weshalb die meisten Geschichten über die Freaks aus ihrer Sicht erzählt werden. Das mag auch am Einfluss von Paul Feig liegen, dessen „Bridesmaids“ die Apatow-Kinokomödien kürzlich um den weiblichen Blickwinkel bereicherte.
Traurigerweise sollte Linda Cardellinis Karriere nach „Freaks and Geeks“ stagnieren, während Seth Rogen und Jason Segel gerade deswegen durchstarteten – Rogen wurde als Autor und Schauspieler zum Apatow-Spezi, Segel auch, doch dessen Karriere wurde mit „How I Met Your Mother“ angekurbelt, deren Schöpfer „Freaks and Geeks“ lieben und deshalb Segel casteten. Doch egal ob ganz (James Franco), semi- (Martin Starr) und wenig erfolgreich (Samm Levine, John Francis Daley) – der Cast vollbringt hier durch die Bank weg Höchstleistungen. In Gastrollen sind Claudia Christian, Ben Stiller, Leslie Mann und Jason Schwartzman zu sehen, man erlebt Ben Foster und Shia LaBeouf in ganz jungen Jahren.
„Freaks and Geeks“ ist unaufgeregt, lebensnah und witzig, ohne dabei bemüht zu wirken, toll besetzt und famos gespielt und vollbringt das Kunststück alltägliche Geschichten absolut packend über seine großartigen Charaktere zu erzählen. Trotz der einen oder anderen Schwäche zum Trotz ein absolutes Glanzstück der aktuellen amerikanischen Serienkultur, die zu Drehzeiten von „Freaks and Geeks“ noch in den Kinderschuhen steckte.