Review

Ich schreibe diesen Kommentar lediglich, um meinen Vorrednern eine gewisse Blindheit vorzuwerfen.

Zwar orientiert sich der Film "Bismarck" zweifellos an den historischen Fakten, jedoch ist es falsch davon auszugehen, der Film sei frei von jeglicher nationalsozialistischer Einfärbung! Goebbels Propagandaministerium wusste sehr gut um die Bedeutung des Kinos für die Stimmungslage in der Bevölkerung und somit bot sich in Anbetracht des Krieges und der Zielsetzung der Nationalsozialisten Bismarck als seit jeher glorifizierte Figur bestens an, um die zeitgenössische Politik in Paralleie zum Volkshelden Bismarck zu stellen.

Daher kommt es auch zu einer unkritischen Darstellung Bismarcks, die auch teils heute noch vertreten wird. Dabei werden zeitgenössische als auch in der Folge erschienende Verklärungstöne übernommen und der Reichskanzler pathetisch glorifiziert. Das Schlussbild ist eine lebendig gewordene Version des Gemäldes von Anton von Werner, das bekanntermaßen eine Überinterpretation der Figur Bismarcks darstellt. Fakten werden somit vielleicht aufgegriffen, aber nach belieben verwendet, um eben diese Glorifizierung zu erreichen. Zudem wird Bismarck als Gegenpol zum hohen Adel gezeichnet, mehr Offizier als Junker, mehr Volkseiniger und Deutscher als Preuße. Dies ist eine verfälschende Darstellung, die klar und deutlich auf das damalige Führerbild Bezug nahm. Habt Vertrauen! Ich weiß wie es geht! Dem deutschen Volk zum Wohle! Auch wenn ich Bismarck vor seinem historischen Hintergrund nicht als Verbrecher verstanden wissen möchte, muss man ihn und seine Politik zumindest aus heutiger Sicht kritisch betrachten. Er war nun mal antiparlamentarisch, antiliberal und erzkonsersativ eingestellt und ordnete alles nach eigenem Gusto. Ein Opportunist, der keinerlei Verständnis für die politischen Neuerungen und Vorgänge seiner Zeit hatte und sie sogar offen bekämpfte. Zudem sind seine angesprochenen Reformen hin zum Sozialstaat zum größten Teil dem Versuch geschuldet, den Sozialdemokraten die Wähler zu entziehen, da man als Monarchist diese als Volksfeinde sah. Ob Bismarck ohne diesen Druck jemals Sozialgesetze erlassen hätte, ist anzuzweifeln.

Und der von den Rezensenten latent geäußerte Wunsch nach einer vergleichbaren Figur in der Gegenwart ist doch stark bedenklich. Vielleicht wird heute mitunter hitzig lamentiert, aber das ist nun mal Bestandteil jedes demokratischen Prinzips und der Wunsch nach dem durchgreifenden Politiker mit dem Masterplan bedeutet eine Ablehnung eben dieses demokratischen Grundprinzips. Ist hier etwa der Gedanke versteckt, die Parteien "aus Deutschland hinauszufegen"? Ebenso ist die heute getätigte und vom Vorredner kritisierte "Selbstbesudelung" eine aufgrund von Erfahrungen eingenommene Haltung, die vor dem Hintergrund von Weltkrieg und Völkermord eine zwingende Folge ist, auch wenn dies hier anscheinend teils anders gesehen wird. Und das von Menschen, die des Lesens und Schreibens mächtig sind. Beängstigend!

Details
Ähnliche Filme