Jeder Autofahrer kennt dieses mulmige Gefühl, wenn er auf die Anzeige der Zapfsäule blickt und mit den Augen verfolgt, wie sich der zu zahlende Betrag mit jedem Tropfen Kraftstoff laufend erhöht. Die Nachkommastellen rotieren so schnell, dass jede Relation von Angebot und Preis verschwimmt. Zur Kasse geht man völlig benommen, aus dem Tritt gebracht durch diesen Akt des freiwilligen und doch sonderbar willenlosen Handelns. Vielleicht sind es gar nicht die aufsteigenden Dämpfe, wegen denen man sich beim Tanken so unbehaglich fühlt; vielleicht ist es einfach das Wissen, dass man gerade ausgesaugt wurde wie von einem Vampir.
Die Verbindung zwischen Automobil und Vampirismus ist eine abstrakte, voller Exzentrik und Absurdität. Somit hat man sie schnell als Trash eingeordnet, wo es doch schon problematisch genug ist, einem Publikum überhaupt menschliche Eigenschaften durch den Benzintank einzuflößen. Wenn der penetrante Tanklaster aus Spielbergs „Duell“, der diabolische Lincoln aus „The Car“ oder die eifersüchtige „Christine“ aus Carpenters King-Adaption menschliche Charakterzüge aufweisen, dann liegt das daran, dass ihnen vom Drehbuch die Fähigkeit zur Selbstbestimmung angedichtet wird und damit zum Ausbruch aus der autonomen Funktionsweise, die ein Auto eben zum Auto macht.
„Der Autovampir“ ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswert origineller Film, der sich mit solch geradlinigen Genre-Horrorfilmen über Autos weniger vergleichen lässt als mit wesentlich abstrakteren Filmkonzepten. Juraj Herz greift sich die wenig naheliegende Idee eines mit Blut betriebenen Autos völlig unbekümmert und verarbeitet sie zu einer bösen Satire über Medien (Paparazzi spielen eine entscheidende Rolle bei der Auswertung der Unfälle, die im Film stattfinden) und die Automobilindustrie, ohne Angst davor, die Verbindungslinie zwischen der Funktionsweise eines Automotors und vampirischen Verhaltensweisen könnte möglicherweise zu dünn sein.
Man muss sich also nicht wundern, wenn der Regisseur die Möglichkeiten, die ihm das Medium bietet, einfach nutzt. Noch zwei Jahre bevor David Cronenberg (der sich mit „Fast Company“ und „Crash“ selbst ebenfalls dem Thema Auto widmete) „Videodrome“ drehte, lässt Herz seine Hauptfigur mit dem Arm wie Butter durch die Motorhaube des Vampirautos greifen und nimmt damit bereits die berühmte Effektsequenz vorweg, in der James Woods eine Videokassette in die Bauchhöhle geschoben wird. Die Übergänge zwischen ernstzunehmendem Thriller und krudem B-Movie werden ebenso fließend vorangetrieben wie sie abrupt in den Film editiert werden. Hartes Metall wird einfach aufgeweicht, Mechanisches für Biologisches zugänglich gemacht. Das beginnt bei der Figurenzeichnung (allen voraus eine toughe Rettungswagenfahrerin und ein leicht zerstreut wirkender Arzt, der Licht in den surrealen Tunnel werfen möchte, in den er irgendwie geraten ist) und endet in groben Szenenwechseln, die mit harten Schnitten immer wieder die Stimmung zugunsten schwarzer Komödie, surrealem Horror, sleazigem Thriller oder Action-Krimi kippen.
Der schwarz lackierte „Ferat Vampir“, ein Skoda aus der Supersport-Reihe, wacht über alldem wie eine dunkle Eminenz und verleiht dem Film Charakter und Schnitt, ohne selbst so sehr Anthropomorphismen zu unterliegen wie seine berühmten Filmstar-Kollegen auf vier Rädern (schon gar nicht wie der schwarze Trans-Am, der mit vielen Ähnlichkeiten im Design kurz darauf in einer albernen SciFi-Action-Krimiserie in den USA gegen das Verbrechen kämpfte). Vielmehr ist er das Resultat einer vom Menschen erschaffenen, blutsaugenden Industrie.
Zurück bleiben Dinge, die man vorher unter Garantie als Cronenberg-Patente eingestuft hätte: abgefressene Fußsohlen, nicht-ergonomische, dem Körper widersprechende Bedieninstrumente, metallisch-organische Verbindungen und Autorennen mit fatalem Ausgang. Dazu gesellen sich surreale Besuche in der Leichenhalle mit unkonventionellen Ritualen (zur Begrüßung ein Biss in die Hand – wer kennt es nicht?) und ein Hauch von Trash – eine betörende Mischung.
(7.5/10)