"(...)Ein Hausvater, der eigenmächtig etwas für den Haushalt eingekauft hat, verliert, sobald er seine Wohnung sich nähert, mehr und mehr den Mut. Er ist zu Hause schutzlos den Vorwürfen und den Hohn seiner Hausgenossen preisgegeben, da er bestimmt unrichtig und zu teuer eingekauft hat. Doch in diesem Falle erntete Vater Löwenhaupt überraschend hohes Lob. Mutter Löwenhaupt fand die Gans fett, gewichtig und preiswert. Das Hausmädchen Theres lobte das schöne weiße Gefieder; sie stellte jedoch infrage, wo das Tier bis Weihnachten sich aufhalten solle?(...)"
Hilfe, es weihnachtet sehr!, und das alle Jahre wieder, wird eine Schöne Bescherung und dazu auch die entsprechenden Weihnachtsfilme, die Klassiker präsentiert. Meist Geschichten für die ganze Familie, von den Kleinen bis zu den Großen, die teils selber als Kinder damit aufgewachsen und wo damals ebenfalls die Elternschaft Begleiter auf dem Ohrensessel vor dem Fernseher sind. Die Weihnachtsgans Auguste gehört mit zu den medialen Gaben, sowohl in der Literatur, wer es lieber schriftlich und mit eigener Fantasie ausgestalten mag, als auch eben als Nachmittagstagesunterhaltung und Bearbeitung durch mehrere andere Kreative, die verantwortlich für die folgende (fehlgeleitete) Übertragung der Geschichte frei nach Friedrich Wolf und dies kurz nach dem gleichnamigen, nur etwa zwanzigminütigen DEFA-Animationsfilm von 1984/85 und lange nach dem bereits frühen Peterle und die Weihnachtsgans Auguste (1964) (oder auch einem Fernsehspiel von '79) sind:
Der in der Dresdener Oper angestellte Sänger Ludwig Löwenhaupt [ Dietrich Körner ] kauft rechtzeitig vor Weihnachten eine lebende Gans, die er zu den Feiertagen entsprechend von seiner Frau Hanna [ Barbara Dittus ] zubereitet und vorher ordentlich gemästet haben will. Doch weder die Mutter Gertrud [ Käthe Reichel ] noch die Kinder Peter [ Daniel Mewes ], Anette [ Stefanie Stappenbeck ] und Robert [ Mark Wende ] sind sonderlich angetan davon, dem bald liebgewonnenen und auch schon in die Familie aufgenommenen Tier Leid oder gar Schaden zuzufügen.
Dem Jungen müsste die (sechsseitige) Erzählung und der Ausgang bekannt vorkommen, hat er doch in der ersten Szene gleich das dazugehörige Buch selber vor der Nase und in der Hand. Vielleicht ist er noch gar nicht bis zur entsprechenden Geschichte gekommen, ist vorher bei den anderen Texten von "Bummi. Tiergeschichten für große und kleine Kinder" noch aufgehalten worden und steckengeblieben, oder hat kreuz und quer gelesen, oder zwischendurch, da sowieso unterwegs mit dem Lada durch winterlich beschneite Gegend durch andere Dinge abgelenkt worden und das Lesen vorübergehend aufgegeben. Der Vater will ihm Tradition beibringen, das früher zeigen, wird nostalgisch und sentimental, damals war doch alles besser, und sowieso: “ist wie bei der seligen Großmutter“ und “Als die Gänse noch Gänse waren“, hat man das Tier noch urtümlich mit Beifuß und 'Äbbel' gemacht und nicht etwa südländisch mit Orangenscheiben oder der von Mandarinen. Der Vater ist ein Genießer, ein Liebhaber, hier geht die Kunst nicht nach Brot, sondern nach Braten. “Essen ist die Erotik des Alters“, das Problem ist nur, dass der kleine Sohnemann da noch anders als die Erwachsenen rangeht und unbedingt den Namen des Tieres wissen will, dass das feierlich gebraten vor ihm auf dem Teller liegt. 'Auguste' ist das noch nicht, 'Auguste' kommt erst später, ist erst Martinstag, was der dann (vom Sohnemann) akquirierten (und vom Vater mit seiner Original Stonewashed Jeans bezahlten) Gans noch sechs Wochen Zeit zum Einschmeicheln und Überleben gibt.
(...)"Natürlich konnte man jetzt Auguste nicht wieder in den Keller bringen, zumal die Nächte immer kälter wurden, weil es schon mächtig auf Weihnachten ging. Auch benahm sich die Gans außerordentlich manierlich. Bei Tag ging sie mit Peterle spazieren und hielt sich getreulich an seiner Seite wie ein guter Kamerad, wobei sie ihren Kopf stolz hochtrug und ihren kleinen Freund mit ihrem Geplapper aufs beste unterhielt. Sie erzählte dem Peterle, wie man die verschiedenen schmackhaften oder bitteren Gräser und Kräuter unterscheiden könne, wie ihre Geschwister – die Wildgänse – im Herbst nach Süden in wärmere Länder zögen und wie umgekehrt die Schneegänse sich am wohlsten in Eisgründen fühlten. Soviel konnte Auguste dem Peterle erzählen; und auf all sein „Warum“ und „Weshalb“ antwortete sie gern und geduldig. Auch die anderen Kinder gewöhnten sich immer mehr an Auguste. Peterle aber liebte seine Gustje so, dass beide schier unzertrennlich wurden."(...)
Ein Kinder- und Jugendfilm, scheinbar, ein Tierfilm auch, allerdings und zunehmend unpassend mit einem Erwachsenen als Hauptfigur, ist der Vater doch der Mittelpunkt des Ganzen und hat er letztlich die Entscheidungsgewalt. Im Buch ist es ein Opernsänger, hier ein Kammersänger, in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden wohnend und in einem größeren Haus auch, da noch mit zwei weiteren Kindern, der Ehefrau natürlich und der Mutter auch noch residierend. Naturell wird die Geschichte auch modernisiert und gestreckt, was teilweise ganz gut funktioniert, als Stück eigener Zeitgeschichte, kurz vor der Wende, wo die (realiter nur drei Jahre ältere) Großmutter schon mit einem Walkman herumfuhrwerkt und immer was von „Partys“ murmelt, und der Vater nachts deutlich kapitalistische, da reißerische Actionkrimis konsumiert. Teilweise ist der Film hier auch diese Stoßart, knalliger Slapstick, wenn die Gustje bzw. ihr Besitzer das Porzellanregal abräumt und alles zu Bruch und Scherben geht; und Referenzen an “Freischütz“ und “Lohengrin“ und längere Aufführungen davon, wobei keiner so recht weiß, welche Zielgruppe man damit (und dem privaten Gebamsel, dem 'fröhlich hängenden Glockenspiel' vom Vater hinter der eher durchsichtigen Milchglassdusche) anvisiert.
Nutzen gleich Schaden quasi, der kleine Peterle spielt gut, der erste Ausflug aufs Lande (Uckermark) ist heimelig, die Tierdressur (des übrigens mit über einem Vierteljahrhundert sehr alt gewordenen Ganters) vorzüglich. Aufnahmen aus Dresden gelingen komischerweise selten, der Besuch auf dem Striezelmarkt ist eher abschreckend, die Großmutter mächtig exaltiert und nervig und die komische Beziehung vom ältesten Sohn zu einer ihn anhimmelnden, aber auf keine Gegenliebe stoßenden Verehrerin gleichen Teenageralters unerklärlich. Die ehrwürdige Semperoper von außen sieht aus wie bei Jack the Ripper, der Film wird später eher zum Drama im bald recht anstrengenden Künstlermilieu, wobei daran einzig interessant ist, wie isoliert und weltfremd das ganze Haus mit all seinen Bewohnern, ausgenommen eben des kleinen Peterle und vielleicht noch der Anette wirkt.