Pere Portabella, vor allem als progressiver Produzent von Carlos Sauras "Los Golfos" (1960), Marco Ferreris "El Cochecito" (1960) und Luis Bunuels Skandalklassiker "Viridiana" (1961) im Spanien Francos in Erscheinung getreten, hat sich als Regisseur seit 1967 an zahlreichen Experimentalfilmen versucht, mit denen er als unabhängiger Filmemacher die durch Zensur und Selbstzensur gekennzeichnete traditionelle Filmkultur Spaniens weit hinter sich ließ, um filmische Grenzen auszureizen, dem Film innovative Aspekte abzugewinnen und gegen staatliche Vorgaben zu rebellieren.
Dabei ist sein Werk von einer Radikalität geprägt, die es sogar von francokritischen Werken spanischer Meisterregisseure wie Carlos Saura oder dem ins Exil gegangenen Luis Bunuel noch deutlich unterscheidet. Als etwas gelockerte Zensurbestimmungen in den 60er & 70er Jahren[1] durchaus kritische, intellektualisierte Werke erlaubten (die zumeist sogar in Spanien selbst Aufführungen erlebten - wenn auch nicht immer ohne entscheidende Schnittauflagen), war es etwa Saura durchaus möglich, in Filmen wie "El Jardín de las delicias" (1970) ein böses Gesellschaftsbild zu entwerfen: dennoch blieb auch dort inmitten von Rückblenden, Erinnerungs- und Traumbildern eine konventionelle Erzählform gewahrt, während Portabellas Filme sich dadurch auszeichnen, dass sie durchweg gegen die Zensurbestimmungen arbeiteten und sich der in den Richtlinien verbotenen "Subversion" verschrieben, indem statt gewöhnlicher Dramaturgie auf assoziative, essayistische Verknüpfungen gesetzt wurde, die nicht selten die klassische Dramaturgie thematisierten.
Höhepunkt des portabellaschen Schaffens dürfte dann wohl "El Umbracle" (1972) sein, der gerade auf Zusammenhanglosigkeit, die Einbindung kommentierter Propagandafilme und Diskussionsrunden über Zensurvorgaben setzt[2], um seine Nicht-Geschichte zu erzählen und die vom Franco-Regime geforderten Grenzen kreativer Ausdruckskraft zu thematisieren.
Von Portabellas Langfilmen stellt "Cuadecuc, Vampir" im Gegensatz dazu vielleicht den zugänglichsten dar: auch wenn er hier (wie schon in "Nocturno 29" (1968) und später in "El Umbracle") auf kontrastreiche, grobkörnige s/w-Aufnahmen setzt und - offenbar inspiriert von den Experimentalfilmen seines Freundes und Kollegen Carles Santos[3], der hier für die Musikuntermalung gesorgt hat - das Verhältnis von Bild und Ton krasser thematisiert als in seinen anderen Werken, so fällt die Erzählstruktur doch noch am wenigsten kompliziert aus (allerdings nur, solange man mit dem "Dracula"-Stoff vertraut ist).
Dieser Umstand verdankt sich der Tatsache, dass "Cuadecuc, Vampir" vor allem die Dreharbeiten zu Jess Francos "El Conde Dracula" (1970) festhält und aus dem Material eine eigenwillige Mischung aus alternativer "El Conde Dracula"-Version, Dokumentarfilm über die Dreharbeiten und Metafilm über Genremerkmale im speziellen & das Medium Film im allgemeinen erschafft; damit folgt der Film oberflächlich der Struktur von Stokers Roman & Francos Verfilmung und liefert für kundige Zuschauer einen deutlichen Orientierungspunkt. Dass der Film sich darin jedoch nicht erschöpft, sondern - bisweilen humorvoll dargereicht - essayistische Tendenzen aufweist, macht ihn ungleich gehaltvoller und äußerst reizvoll.[4]
Den Zuschauern, die sich weder Stokers Roman noch einer der vielen Verfilmungen, Vertonungen & Aufführungen gewidmet haben, dürfte jedoch der angesprochene Orientierungspunkt kaum weiterhelfen: Portabella erzählt die Geschichte nicht für Unkundige nachvollziehbar nach, sondern hält einzelne Etappen der Geschichte fest und montiert einzelne Sequenzen der Geschichte derartig, dass sie (zumal mit Ausnahme des Schlusses auf Dialoge verzichtet und das Material nachträglich lediglich mit Musik unterlegt wird) nur für diejenigen verständlich ist, die sie auf die Vorlage(n) beziehen können - eine ganz andere Art von Vorlagennähe, die damit arbeitet, dass sich der Zuschauer stets genötigt sieht, für das Verständnis sein Wissen über die Vorlage(n) beständig herbeizubemühen. Erst gegen Ende wird der Film für jeden verständlich: Portabella hielt die letzten Dreharbeiten Jess Francos nicht mehr fest, sondern ließ stattdessen Christopher Lee aus dem Finale des Romans zitieren und eine kurze Zusammenfassung geben.
Das Verhältnis zwischen Literatur und Literaturverfilmung, zwischen Text und Bild ist ein großer Themenbereich von "Cuadecuc, Vampir", dem sich das Verhältnis von Spielfilm und Dokumentarfilm als weiterer Themenkomplex hinzufügen wird.
Die angesprochene notwendige Kenntnis der Zuschauer des zugrundeliegenden Stoffes offenbahrt schon der Beginn des Films: Die Prätitelsequenz präsentiert dem Zuschauer in den ersten drei Minuten einen Mann, der einer Kutsche entsteigt, in einem Haus empfangen wird, bei dem es sich vermutlich um einen Gasthof handeln dürfte, und in der Nacht Besuch von einer Hausdame bekommt, die jedoch wieder flüchtet, als er sie erblickt.
Bei Vorlagenkenntnis des Rezipienten suggeriert erst der darauf folgende Vorspann über seinen Verweis auf den Dracula-Stoff, dass es sich um Jonathan Harker handelt, der sich auf seiner Anreise zum Schloss des Grafen befindet. Erst die Kenntnis der Vorlage versetzt den Zuschauer dann in die Lage, das Verhalten der jungen Frau als zögerliche Warnung, welche vor lauter Angst zurückgehalten wird, zu interpretieren. Der Film selbst stellt an keiner Stelle heraus, dass die Frau von Harkers Reiseziel weiß, noch wird er das Verhalten der Frau an späterer Stelle wieder aufgreifen. Portabella liefert also die Bilder, aber nicht die Zusammenhänge.
Andere Szenen hingegen hinterlassen bei einem Zuschauer ohne Vorwissen zwar für sich genommen keine Schwierigkeiten, wenn es darum geht zu klären, wer wo was begeht, implizieren durch ihre Anschlüsse an vorherige Szenen jedoch größere Handlungslöcher. Harkers Flucht aus dem Schloss ist etwa aufgrund von Harkers ruhigem und gelassenem Vorgehen nicht als solche zu erkennen; und wenn er ein Zimmer durch ein Fenster verlässt, springt er nicht wie in der Vorlage ins Freie, sondern entsteigt in ein Nebenzimmer und zugleich in die Meta-Ebene der Dreharbeiten, denn das Nebenzimmer ist freilich keine Kulisse mehr. Wie Harker also in der nächsten Einstellung in das Krankenbett gelangt, ist ohne Kenntnis der Handlung nur zu erahnen - ohne Vorlagenkenntnis sicher kein völlig unlösbares Rätsel, das jedoch mit vielen vergleichbaren Aussparungen durchaus für ein nebulös-undurchsichtiges Gesamtbild sorgt: Unkenntlich gemachte Bilder, irritierende Anschlüsse, Auslassungen und ein Verzicht auf verbale Vermittlung stellen Portabellas Prinzip der Verschleierung dar. (Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht tragisch, dass sich Francos "El Conde Dracula" als direkte Vorlage Portabellas bereits von der Romanvorlage unterscheidet, da die Unterschiede zum großen Teil aus Auslassungen bestehen - die in einem Film, der selbst ganz bewusst mit Auslassungen arbeitet, nicht störend ins Gewicht fallen - und das variierte Ende bei Franco in Portabellas Film ohnehin der Lektüre des Romans weicht.)
Somit gelingt es Portabella, einen konventionellen Handlungsverlauf nachzuzeichnen, ohne mit seiner Rebellion gegen traditionelles Erzählkino brechen zu müssen - das Einbinden der Dreharbeiten von "El Conde Dracula" in Portabellas Film unterstützt diese Abweichung von gängiger Spielfilmkost noch, macht deren Inszenierung darüber hinaus zugleich zum Thema.
Immer wieder verdeutlicht er, wie serialisiert und standardisiert der Genrefilm in den meisten Fällen auftritt - in einem solchen Maße, dass etwa die Erzeugung künstlicher Spinnweben zur rasch ausübbaren Routine gerät: mehrfach laufen Techniker ins Bild und sprühen die weißen Fäden mit dafür konstruierten Gerätschaften über die Ausstattung oder über Christopher Lee. Auch die Gummifledermäuse (bereits in Francos Original mehr erheiternd als beängstigend), die Maske und die ganzen (einfachen) Spezialeffekte werden ähnlich vorgeführt und unterbrechen dabei oftmals die Handlung und damit auch die düstere Atmosphäre, die nun angesichts ihrer Erzeugung auch humoristisches Potential entfaltet. (Manchmal stehen Schauer und Witz sogar zeitgleich und gleichberechtigt ganz dicht beieinander - ein nicht minder spannendes Erlebnis für den Zuschauer.)
Vor allem dann, wenn Portabella die Einstellungen derartig aneinanderschneidet, dass die fiktiven Figuren der Binnengeschichte um Dracula, Van Helsing, Jonathan Harker usw. mit den Filmschaffenden der rahmenden Meta-Ebene zu kommunizieren scheinen, versprüht "Cuadecuc, Vampir" seinen ganzen Witz: So schaut sich Jonathan Harker in Draculas Schloss um, dem Zuschauer wird dann jedoch nach dem Gegenschnitt einer der Kameramänner Francos präsentiert; Dracula geht in London umher und schaut irritiert zur Seite und der Zuschauer bekommt dann einen Kamerawagen zu Gesicht, der hinter einer Säule hervorkommt und wieder hinter ihr verschwindet, als würde er den Grafen beäugen - dabei folgt diesen Einschüben dann jeweils wieder eine Einstellung der zuvor aufgetretenen Figur, die ihren Blick nun wieder abwendet.
Übermäßige Betonung findet dieses Vorgehen vor allem am Schluss des Films, kurz vor Christopher Lees Monolog: Hier sitzen Fred Williams und Jack Taylor als Jonathan Harker und Quincey Morris am Set beisammen - hier werden die Ebenen bereits vor der Montage, innerhalb der Einstellung vermischt, da die Schauspieler in Kleidung und Mimik ganz offensichtlich in ihre Rollen geschlüpft sind, während ihre Umgebung deutlich auf ein Filmstudio verweist - und blicken erstaunt auf Christopher Lee, der allmählich seine Dracula-Maskierung abnimmt, wobei dieser Vorgang abwechselnd mit den Blicken der zwei Figuren zusammengeschnitten wird.
Szenen dieser Art lassen sich mehrfach finden und überführen die unheimliche Stimmung jedesmal erneut ins Humoristische.[5]
Darüber hinaus - das sollte man nicht übersehen - sind diese montierten Einstellungen auch dazu gut, als Zuschauer scheinbare Selbstverständlichkeiten der Montage zu hinterfragen: nur solange man den Koventionen der Montagetechniken vertraut und davon ausgeht, dass die zwischengeschnittenen Kameramänner und restlichen Crewmitglieder einen point of view shot bilden, der die Sicht der Darsteller innerhalb ihrer Rollen vermittelt, hat man Grund irritiert zu sein. Sieht man die Sequenz aber als das was sie ist, als Verschränkung zweier Vorgänge, deren Zusammenhang einzig über die Montage erfolgt, ist der Grund zur Irritation beseitigt. Es zeigt sich also, dass man die Montage von Einstellungen aufgrund etablierter Konventionen liest, und nicht aufgrund einer zwingenden Logik. (Die Stürmung durch die Polizeieinheit im Finale von "Silence of the Lambs" (1991) ist dafür vielleicht eines der bekanntesten Beispiele.)
Weniger humoristisch, aber womöglich gehaltvoller geraten die Ebenenwechsel, wenn die Schauspieler(innen) von ihrer Rolle in ihre wirkliche Identität zurückfallen und umgekehrt: da liegt Maria Rohm als Mina Harker im Bett liegt und verständigt sich dann deutlich als Maria Rohm über ein Augenzwinkern mit dem Kameramann; oder Christopher Lee scherzt mit der Filmcrew und verfällt dabei plötzlich in seine Rolle des Grafen. Vor allem die bereits erwähnte Szene, in der Lee bei seiner Demaskierung betrachtet wird, arbeitet nach diesem Muster. Diese Szene ist nicht nur die längste, die mit Schnitt und Gegenschnitt die nonverbale Kommunikation zwischen den Figuren bzw. Personen der verschiedenen Ebenen vortäuscht, indem sie das Montageprinzip mehrfach wiederholt, sondern drückt die Differenz von Schauspieler und Rolle jenseits der Montage besonders auffällig aus, indem sie die Verkleidung bzw. Entkleidung zum visuellen Motiv erhebt.
Der Überraschungseffekt bleibt bestehen, das humoristische Potential weicht allerdings einer bloß sympathischen Wirkung. Doch vor allem steht Portabella, dessen Filme sich nahezu immer zwischen Spielfilm und Dokumentarfilm bewegen, in einem seinerzeit ziemlich aktuellen Kontext - die doppelte Identität des Schauspielers, der sowohl er selbst, als auch die gespielte Figur ist, wurde von der zweiten Hälfte der 60er Jahre an bis in die 70er Jahre hinein immer wieder in den verschiedensten Filmen thematisiert: in "Deux ou trois choses que je sais d'elle" (1967) führt Godard als Off-Sprecher seine Darstellerin zweimal ein - einmal als fiktive Figur, einmal als tatsächliche Person; in Ingmar Bergmans "En Passion" (1969) nehmen Max von Sydow und Liv Ullmann im Film zu ihren Rollen Stellung - ebenso die Darsteller in "Cardillac" (1968) von Edgar Reitz, wenngleich beiläufiger und unmerklicher, da sich die Interviews mit den Schauspielern in dem ohnehin sehr dokumentarischen Film mit den Interviews ihrer Rollen vermischen. Und Alejandro Jodorowsky enttarnt in "Subida al Monte Carmelo" (MEX 1973) alle Figuren als Schauspieler und klärt den Zuschauer in einem Monolog über die Täuschung des Films auf.
Die Aussage ist so simpel wie bedeutsam: ein Schauspieler ist weder ausschließlich Schauspieler, noch ausschließlich Rolle - in ihm fällt beides zusammen, er ist sowohl das eine als auch das andere. Diese Erfahrungen machen nicht nur die Darsteller selbst, auch das Publikum wird sich dessen spätestens dann bewusst, wenn es von "Fehlbesetzungen" oder "schlechtem Schauspiel" spricht. Damit (im übrigen auch mit anderem) ist jeder Spielfilm immer auch zum Teil Dokumentarfilm; in einer Zeit, in dem einige auteurs des Kinos danach trachteten, dem Schein eines eskapistischen Kinos zu entrinnen, auch als Rezipient eine neue Haltung gegenüber Filmen einzunehmen, und in dem sich Filmschaffende generell bewusster wurden, dass Filme immer auch Dokumente ihrer Entstehungszeit sind, war solch ein Kunstgriff freilich en vogue.
Mag der jeweilige Erkenntniswert solcher Szenen auch nicht überwältigend ausfallen, so dürfte diese Haltung durchaus dazu beigetragen haben, den Weg für eine postmoderne Filmkunst zu ebnen.
Auch Christopher Lees Schlussmonolog ist von diesem Aspekt noch betroffen: auffällig an Lees Inszenierung ist, dass Portabella zunächst festhält, wie Lee den Faden seiner Rede verliert, um danach zu zeigen, wie Lee mit dem Einsatz von ausdrucksstarker Betonung danach strebt, der Erzählinstanz des Romanausschnittes, den er zitiert, möglichst glaubwürdig zu entsprechen. Nicht Lees schauspielerische Leistung (die während dieser Lesung freilich weitestgehend auf seine Stimme beschränkt bleiben muss) wird festgehalten, sondern vor allem sein Versuch, eine solche zu erbringen - mit allen Anlaufversuchen und Mängeln, die Portabella nicht entfernt sondern (ohne Lee der Lächerlichkeit preisgeben zu wollen) deutlich aufzeigt.
Doch Lee zerfällt hier nicht bloß in sich und seine Rolle - diesmal wird er quasi in drei Teile gespalten, denn seine Rolle ist hier die des Erzählers, des Lesers, des Zitierenden... und verweist damit auf die Zitierte (also auf Mina - bzw. Bram Stoker, je nachdem auf welcher Ebene man denkt). Dem Verhältnis Schauspieler/Rolle wird also ganz nebenbei das Verhältnis Lesender/Erzählinstanz an die Seite gestellt; und während die Schauspieler/Rolle-Entsprechung ganz direkt und unmittelbar erfolgt, da der Schauspieler mit seinem ganzen Körper in der Rolle aufgeht, ist das Verhältnis von Lesenden und Erzählinstanzen deutlich komplexer und schwerer zu fassen, da hier über den Textblock vermittelt wird. Hier ergeben sich viele Schwierigkeiten, denen Portabella aber nicht nachgeht - er begnügt sich damit, auf den (in der Filmtheorie nahezu von Anfang an behandelten) Unterschied von Film und Literatur hinzuweisen und damit Anreize zu liefern, sich mit Fragen der Intermedialität zu beschäftigen. Dass Lees Monolog nach vielen sprachlosen Minuten plötzlich über das Publikum einbricht, während zugleich die kunstvollen Bilder des Films zunächst für etliche Sekunden einem totalen Schwarzbild weichen, betont die Gegenüberstellung von Film und Literatur mit Nachdruck.
In dieser Gegenüberstellung von bildlicher und sprachlicher Darstellung wird vor allem die intensive Wirkung der bildlichen Darstellung viel stärker bewusst gemacht, was den Film auch zum unterschwelligen Kommentar auf eine zwangsläufige Entwicklung im Genre werden lässt: die Überbietungstaktik bishin zum Splatterfilm. Die den Tod des Grafen vermittelnden Worte von Lee/Mina/Stoker können nicht mit der scheinbaren Unmittelbarkeit der visuellen Darstellung mithalten - auch wenn Franco in "El Conde Dracula" recht zurückhaltend arbeitet, wird dieser Punkt bei Portabella deutlich; dass er bei den jeweiligen (Pfählungs- & Köpfungs-)Szenen auch immer sogleich wieder auf die Tricktechnik mit den Kunstblutpumpen verweist, nimmt den Szenen (nicht zuletzt dank der Musikuntermalung durch Santos) erstaunlich wenig von ihrer Intensität und erweist sich damit weniger als verfremdendes Mittel der Distanzierung, sondern vielmehr als nachdrücklichen Hinweis auf die Unentbehrlichkeit solcher Bilder für das Genre.
"Cuadecuc, Vampir" arbeitet und funktioniert letztlich auf vielen Ebenen: seinen konventionellen Kern verdankt er Jess Franco, seine radikal-subversive Darreichung ist Rebellion gegen Francisco Franco - und als Produkt dieser ungewöhnlichen Verschmelzung entsteht ein Werk, für das sich Experimentalfilm- und Essayfilmliebhaber ebenso begeistern dürften, wie Liebhaber des phantastischen Euro-Horrorfilms der Zeit.
Francos "El Conde Dracula" ist der Film mit seiner ungebändigten Kreativität und der Reflexion über den Genrefilm um Längen überlegen: was bei Franco "bloß" eine irgendwo liebenswert naive Horrormär in handwerklich durchschaubarer Umsetzung ohne größere künstlerische Ambitionen war (die in Francos "Drácula contra Frankenstein" (1973) eine obskure Fortsetzung gefunden hat), gerät hier zur bildgewaltigen, erzählerisch höchstgradig innovativen Mischung aus filmischen Experiment, politischer Stellungnahme und Sammelsurium der Motive des Horrorfilms - "besetzt" mit bekannten Gesichtern des Genres (Christopher Lee, Herbert Lom, Soledad Miranda, Jack Taylor, Maria Rohm, Jess Franco).
Und auch im Hinblick auf ästhetisch und politisch verantwortungsbewusstes spanisches Kino seiner Zeit gehört "Cuadecuc, Vampir" mit zum besten, was damals entstanden ist.
Dass der Film wie das meiste von Portabella kaum greifbar ist (einzig das doch recht enttäuschende Spätwerk "Die Stille vor Bach" (2007) kann ziemlich problemlos bezogen werden) ist entsprechend bedauerlich: trotz Starbesetzung mit Christopher Lee in "Cuadecuc, Vampir" und "El Umbracle" ist der geneigte Zuschauer auf seltene Retroperspektiven oder die Archive des Internets angewiesen (u. a. Portabellas Homepage hatte vor einiger Zeit Downloads ermöglicht) - ganz zu schweigen davon, dass der enormen Unpopularität dieser Filme somit kaum abgeholfen werden kann. Zwar existiert eine anständig ausgestattete DVD-Version beider Filme, die von Portabella und Films 59 für entsprechende Kinovorführungen zur Verfügung gestellt wird, aber eine auch für den Durchschnittsmenschen verfügbare DVD-Edition der Werke Portabellas liegt scheinbar noch nicht vor, auch wenn vor wenigen Jahren unter Mitarbeit von Jonathan Rosenbaum eine spanische 9-DVD-Box mit Begleitbuch angekündigt worden ist.
Unschuldig ist daran aber auch Portabella selbst nicht, der (aus falscher Eitelkeit heraus?) bislang Anfragen ablehnte, "Cuadecuc, Vampir" als Bonusmaterial unter den Extras von "El Conde Dracula"-DVD-Veröffentlichungen veröffentlicht zu sehen.
9/10
1) Eine aufschlussreiche Darstellung spanischer Filmzensur bietet:
Elke Rudolph: Im Auftrag Francos: "Filme von internationalem Interesse". Zur politischen Instrumentalisierung des spanischen Films in den 60er Jahren (LIT 1999).
2) In El Umbracle (E 1972) lässt Portabella diese Zensur von Interviewpartnern zusammenfassen: es werden diverse Elemente als verboten aufgeführt - etwa die Thematisierung politischer Ideologien, die Darstellung von Grausamkeiten und Pornographie, zusätzlich aber auch an sich als harmlos aufgefasste Szenen, die in ihrer Montage subversiv wirken. Ein vorgetragener Paragraph bringt die Zensurbestimmungen auf einen Punkt: "Blasphemous, pornographic and subversive films will be forbidden for any audience."
3) Zu nennen wären vor allem "L'Espectador. Habitació amb Rellotge. La Llum. Conversa." (1967), "L'Àpat" (1967) und "La Cadira" (1968).
4) Portabella selbst umschreibt seinen Film folgendermaßen: "Vampir is an attempt at a reflection on cinematic language. Perhaps, since it was made during the shooting of Jesus Franco's production Count Dracula, it is also an attempt to analyze that genre of fantasy denigrated by most horror films, an exploration and rethinking of the problem of the ,vampire film'. But fundamentally - and I want to point this out - Vampir is one of the first independent films in my country. And I must alert you to the fact that working outside the establishment is not a voluntary decision but rather something we are forced into by our political, social and cultural situation." (Pere Portabella: Vampir Cuadecuc - Letter from the Director. Presentation of Vampire in Moma (1972). http://www.lamirada.org.au/2009/letter_from_pere_portabella/index.html ).
5) Vgl. etwa Genette, der davon ausgeht, dass jedes "Eindringen des extradiegetischen Erzählers oder narrativen Adressaten ins diegetische Universum (bzw. diegetischer Figuren in ein metadiegetisches Universum usw.) oder auch, wie bei Cortazar, das Umgekehrte, [...] eine bizarre Wirkung [zeitigt], die mal komisch ist [...], mal phantastisch."