---{«In liebevollen Andenken an den Franz, 2006-2016, und ewig»}---
“Gibt's schon Ergebnisse?“
“An inneren Blutungen ist er nicht gestorben. Auch nicht an seinen Verletzungen.“
“Also, lebt er noch?“
Alles beim Alten und doch wieder nicht.
Nach Ablauf der ersten Vier Jahre, nach der Festigung beim Publikum, die bereits fundamentiert auf dem Sendeplatz anwesend und aller ersten Unkenrufe zum Trotz gleichbleibend stabil in Millionenhöhe war, und nach dem Beschreiten von weiteren Absatzwegen erfolgte nunmehr die erste große Änderung im Schema. Bisher hatten man sich auf eine feste Paarung von gerade bei den Frauen mehr als gut ankommenden Städter mit guten Aussehen, viel Selbstbewusstsein und auch entsprechend großen Tönen und eigenen Wegen als Gegenpart zu dem (scheinbar) gefällig-faulen Dorfmenschen verlassen, eine Kombination aus Yin und Yang, aus Schwarz und Weiß, aus Dünn und Dick, die ab der ersten Folge bis dato stetig betrieben wurde und auch zu Reibereien untereinander führte und das Klima der Serie damals schon und in abgeschwächter Form bis Heute mitbestimmte. 'Berge und Abgründe im Chiemgau'.
Da nach dem Rückgang seines Vorgängers Satori nach München die Stelle eines Hauptkommissars im Polizeirevier Rosenheim vakant geworden ist, übergibt der ebenfalls scheidende Chef dem neuen Leiter der Dienststelle Maximilian Heppt [ Hubert Mulzer auch gleich einen frischen Hauptkommissar, welcher mit dem Ortswechsel von Göttingen nach Bayern der davon nicht allzu begeisterte Christian Lind [ Tom Mikulla ] ist. Zwar hat er aufgrund seiner angenehmen Art schnell Anschluss an seinen Partner, den ortsansässigen Korbinian Hofer [ Josef Hannesschläger ], und versteht sich auch mit der Sekretärin Miriam Stockl [ Marisa Burger ], dem Polizisten Michael 'Michi' Moor [ Max Müller ], der Pathologin Dr. Ursula Kern [ Maren Schumacher ] und mit Korbinians Schwester Marie [ Karin Thaler ] sehr gut, muss teilweise allerdings auch die Arbeit seines Kollegen mit erledigen und stößt gerade bei den finanziellen Begrenzungen und ermittlerischen Beschränkungen hier auf dem Lande immer wieder an die Grenzen. Dabei ist die Mordrate in Stadt und Umkreis recht hoch und gründliche Arbeit gefragt und eminent.
Nach den vier Jahren, den ebensolchen Staffeln, die ab fortschreitenden Erfolg auch stetig in die Breite gingen und die Episodenanzahl erhöhten, und nach einer gewissen Stagnierung der ursprünglichen Frische stieg mit Markus Böker als Ulrich Satori einer aus der Paarung aus. Auf der Suche nach anderen Bestimmungen, die der Schauspieler nun und analog dazu auch die übriggebliebene Serie, der nun auf einmal ledige Partner ging. Ein Veränderung, die zwangsläufig nötig wurde, wenn nicht mittendran halt gemacht werden sollte, und dass, wo der Konsum und der Kommerz gerade erst auf volle Touren röhrte.
Gewählt in der Um-, nicht wirklich der Neubesetzung wurde ebenfalls ein Frauenschwarm, der allerdings wesentlich ruhigere und weichere Töne anschlug, und die Herzen der Damen und der Zuschauer nicht mit dem aggressiven Auftreten, sondern tatsächlich mit einer grundsoliden Freundlichkeit und Ehrlichkeit, dennoch mit Charme, wenn auch dem Lächeln und guten Benehmen des Schwiegersohnes, und nicht der Kantigkeit des Vorgängers anging. Komplimente, die ernst gemeint waren und von Herzen wohl gesonnen sind, wobei das gute, aber nicht das besondere, sondern das normale Aussehen, das quasi leicht bessere 08/15 auch hilfreich und ausschlaggebend für die Popularität waren und den klug ausgesuchten Darsteller Tom Mikulla und seine Figur des Lind für immer und ewig in die Ahnengalerie der Rosenheim Cops und dies ganz oben hängend auserwählten. [Seine spätere Ablösung Igor Jeftic tritt hier in Folge 16 “Die Gattin des Anwalts“ in einer anderen Rolle als geheimer Liebhaber und hochgradig Mordverdächtiger auf.]
Mikulla hat die wichtige Funktion des Zu-, nicht des Gegenspielers vom Urgestein Hannesschläger alias Hauptkommissar Korbinian Hofer für die nächsten langen Jahre inne, und war derart beliebt, dass er selbst nach dem Ausstieg immer wieder für die Vertretung angefragt und Gastauftritte absolviert wurden. Nicht nur durch, aber auch wegen ihm änderte sich in der Serie selber auch die Stimmung, wurden die Geschichten für die Massen kompatibler, auf die friedliche und harmlose Unterhaltung ganz gleich dem neuen Hauptdarsteller und seiner Bodenständigkeit ausgerichtet und zählt nun das Beschauliche, das Heimatliche, das Urige und die Freiheit von 45min Frieden an einem an Urlaubsattaktionen reichen Phantasieort, im weißblauen Phantasieland noch wesentlich mehr. [Ein wenig übertrieben in dieser Begradigung hat man es bei der zweiten einschneidenden, aber längst vergessenen und ad acta gelegten Neubesetzung des Vorgesetzten, der ein Langeweiler und Bürokrat vor dem Herrn und doch recht zum Abgewöhnen ist; etwas, dass die ihn mehr involvierenden Folgen wie Episode 20 “Der Tod kam auf Kufen“ und 21 “Der Wolf im Schafspelz“ auch gleichzeitig recht trocken und zäh gleich mit macht.]
Auch vorher wurde schon die Landschaft gepflegt, in diesem Forsthaus Falkenau des Krimis, im Bergdoktor mit dem Polizeiausweis, das gute Wetter beschwört, das grüne Gras, der klare Himmel, die wärmende Sonne, die die Sinne vorbereitet und das Panorama umspielt. Nun wird dieser Eindruck des vergangenen Heimatfilmes mit Tracht, Brauchtum und Folklore noch einmal angehoben, noch einmal potenziert, die Schärfe genommen und das Rosmarin und das Lavendel, die beruhigenden Düfte dazu addiert. Zwar lautet die Devise weiterhin “Auch Sonntags wird gemordet“, aber werden die Ecken quasi begradigt, das Ungestüme eingezäunt, das Traumschiff des Unterhaltungsfernsehens einmal quer durch die Provinzialität von Bayern gelenkt, dem speziellen Sehnsuchtsort des Deutschen, eigentlich direkt vor der Haustür und doch für die Meisten so weit weg.
So mutet gleich die erste Folge “Freier Fall“, der mit der Wachablösung gleich zweier bisher festgesetzter Personen, einem Umtrunk zur Verabschiedung und so einer Trauerfeier im kleinen Kreise, mit Kloß im Hals und Tränen in den Augen und so dem rührigen Moment beginnt, weniger wie ein Neuanfang eines Krimis als vielmehr eine Werkschau von Dahoam is Dahoam, der urigen boarischen Provinz- und Heimatsoap an. Der Alte findet den Herkunftsort und die bisherige Wirkstätte des Neuen zwar nicht auf der Landkarte, weil dieses Göttingen gar zu weit oben in Deutschland und viel zu weit weg ausserhalb Bayerns und ausserhalb des Bewusstseins liegt, bietet dem Reisenden aber gleich sein Bett hat, auch wenn das eher eine holzige Puppenstube und nicht so ganz nach dem Geschmäckle des (allerdings friedfertigen) Städters ist. Die erste harte Nacht und der erste (freie) Fall – in dem ein Bergsteiger per Schüssen von der Kletterwand heruntergeholt wird – als der Beginn von soviel Mehr, indem der Neuling vor Ort, der “Flachlandtiroler“ immerhin gleich von seiner kriminalistischen Spürnase und dem Schlag bei und Trost von allen wichtigen Frauen in der Umgebung profitiert. Fremdeln von Beginn an tut ausgerechnet der alteingesessene Vorgesetzte, der die Mentalität seiner Mitbürger, allen voran der Nebentätigkeit seines einheimischen Chefermittlers im Kuhstall, während der Dienstzeit, so gar nicht versteht und auch gleich mit strengen Sparmaßnahmen agiert, so dass selbst der Kaffee in der Kantine eigentlich nur Wasser mit brauner Lebensmittelfarbe ist.
“Freier Fall“ als Art nächster Pilotfilm, von der Ablenkung und der Privatierei deutlich ausgiebiger als die üblicherweise Fünfundvierzigminüter, die sonst und vor allem heutzutage das Schema bestimmen. Zeit für eine Wanderung in die Berge, die hier sowieso das bestimmende Motiv von Aufstieg und Absturz, von dem zu hohen Ehrgeiz, dem falschen Risiko und dem Verlassen müssen auf den Vorder-, den Neben- und den Hintermann sind. Zeit für einen Dia- und Motivationsvortrag über die Risiken und Grenzen des Lebens. Zeit auch für das Weisswurschtessen, dass dem Neuen schon wegen der ungewohnten Konsistenz und der eingenommenen Menge nicht bekommt, das aber kein Hindernis für sein Kriminalistisches Bauchgefühl und den Fortgang der Ermittlungen ist.
“Nur der Mond schaut zu“ im Anschluss vertieft die Bemühungen um den neuen Hauptdarsteller in Sachen Frauen- und Ermittlerheld noch. Während er den Mord im Vollmond per Hammer inmitten in Rosenheim quasi im Alleingang löst (allerdings später als der Zuschauer, der schon nach 10min am richtig raten ist), werden zuvorderst erste zarte körperliche Bande [Umarmungen, ein Einhaken beim Gang zum Eis essen zu zweit] geknüpft. Und es wird die später allseits stets präsente In-Stätte des “Times Square“, eine Art alleinige Freizeitlokalität, analog zum “Central Perk“ von Friends erstmals vorgestellt, am Tag der Eröffnung und mit Stockl und Lind als zufällig erste Gäste wohlgemerkt. Unendliches festigt sich, wird der bisher noch grundlos unsympathische Kriminaldirektor hier seitens des Publikums gleich zweimal bei Gemauschel hinter den Kulissen erwischt, was nicht nur hinterhältig, sondern auch noch feige und schmierig gleichzeitig wirkt.
“Seilschaft“ als Folge 3 ist wie “ Freier Fall“, nur mit dem Unterschied, dass das Motiv zeitlich aktueller ist und Hofer hier undercover in einer Rehaklinik ermittelt; eine Aktion übrigens, die ein willkommener Wechsel im Erzählrhythmus, aber rein fadenscheinig und im Grunde nur komödiantischer Aufhänger für einige Späßchen und nicht dramaturgisch genutzt ist. [Hofer hat sich eigentlich nur wegen den dort gesichteten Schweinshaxen eingecheckt, sitzt allerdings beim Verdächtigen direkt am Fastentisch, drei Tage lang in derselben Kleidung, und muss sich extra für die Currywurst rausschleichen.] Gegenüber den späteren Staffeln fällt gerade auch hier noch und auch erstmals eine andere, entspanntere Herangehensweise auf, in der die klassischen Geschichten eher vor sich plätschern, und das obwohl die Prämissen – hier bspw. ein telefonischer Hilferuf des Opfers bei der Polizei kurz vor der Tat; in Folge 1 ein zufällig live auf Video aufgenommener Absturz eines Bergsteigers – oftmals wesentlich gereizter und eher mit Ausrufezeichen gesetzt sind.
Es folgt eine ganze Palette von leicht zu konsumierenden, im Nebenher auch öfters zu verfolgenden Geschichten um “Der Hahn ist tot“ und “Die doppelte Venus“ und “Wellness bis zum Ende“, die nun wirklich sehr ruhig und entspannt gehalten sind, die Serie aber auch heutzutage beliebt als Füllprogramm für ständige wöchentliche Wiederholungen im Mutterhaus oder gar in der Dauerschleife für Abonnenten wie dem Sky Crime Sender macht. Allzu in das Detail des Privatlebens der Hauptpersonen gehen darf man dabei allerdings nicht, wie “Die zerbrochene Feder“ zeigt, in der eine mögliche zartromantische Wallung von Hofer zu einer aus Polen stammenden Haushaltshilfe mit Diplomhintergrund und eventueller Zeugin / Verdächtige angedeutet wird. Derlei Handlungsstränge ziehen das Geschehen nicht nur unnötig in die Länge, sondern wirken oftmals fast peinsam und sind gerade hier mit noch jeweils einem Duo aus a) Kabarettkomikern und b) Schuldeneintreibern erschwerend belegt, was das Ganze auffallend schnell zu dem 'Schmieren- und Bauerntheater' mäandern lässt, in dessen Ecke die Produktion häufig geschoben wird, sonst aber nicht zugehörig ist. Folge 15 “Die Männer der Friseuse“ lanciert eine ähnliche Ausgangslage, aber erzählt das Ganze bspw. mehr als Thriller, mit zwei deftigen Morden und einigen De Palma - Ideen.
Sowieso steigert sich spätestens ab der Hälfte der Staffel wieder die Qualität, vor allem mit den Folgen “Erst sterben, dann erben“, “Das verschwundene Dorf“, “Schöner Hannes, toter Hannes“, die fast als (milde) böser Heimatkrimi mit jahrzehntelangen Familienfehden, Verwünschungen bis über den Tod hinaus und spannenden Kontrasten zwischen scheinbar friedlicher, abgeschiedener Natur und den gewalttätigen Eingriffen des Menschen funktionieren.