Review

Staffel 01

---{«In liebevollen Andenken an den Franz, 2006-2016, und ewig»}---

Als die Rosenheim-Cops im Januar 2002 an den Start gingen, war die Serie als später Nachzügler von ähnlich zwischen Heimat und Krimi pendelnden Vorreitern des Privaten Fernsehens, namentlich die ihre Zeit sehr erfolgreichen Ein Bayer auf Rügen (1993-1997) und Der Bulle von Tölz (1995–2009) angetan. Mittlerweile, in der 16. Staffel angelangt, die 17. geplant, kein Ende absehbar und mit weiterhin stabilen und für das Vorabendprogramm äußerst zufriedenstellenden Einschaltquoten, die selbst für häufige Wiederholungen gleichbleibend und anhaltend rentabel sind, hat die Produktion mit seinen Inspirationen zumindest gleichgezogen; was den Status, den Einfluss und die Beliebtheit, das Weißblau im Herz'n und die Genugtuung beim Blick in den hübsch gepflegten Vorgarten hinein betrifft.

Gedacht bzw. davon ausgegangen ist man bei der Einleitenden Staffel, die nur 12 Episoden umfasst – statt später bis zu und knapp über 30 – und der Eröffnungsfolge "Der Tote am See" sicherlich nicht. Rückwirkend, im Nachhinein sind damalige Bedenken und Schmährufe diesbezüglich, gerade angesichts des ungewohnten Titel verständlich; in der Benennung "Rosenheim-Cops", der abschreckend wirkt, in der Serie allerdings auch seltenst erwähnt wird und in seinem Anglizismus auch nicht auf das Gezeigte passt, sondern dem vielmehr widerspricht. Umso erstaunlicher ist aber das Selbstbewusstsein gerade auch des Aufgalopps, der bereits vier der bis heute gleichbleibenden Figuren, das Schema selber ebenso und auch die Methode darin schon vorstellt und gleichzeitig an die Hand für eine ganze lange Reise, rein in die Natur und das Gute der Provinz und Beständigkeit nimmt. “Lieber bisschen spät, als wie den ganzen Tag hungrig.“ Und “bissel was ist besser wie gar nichts.“:

Strafversetzt vom LKA München in das verschlafene Rosenheim muss sich Neuankömmling Hauptkommissar Ulrich Satori [ Markus Böker ] gleich mit mehreren unliebsamen Überraschungen bekannt machen. Sein neuer Partner, der ortsansässige Hauptkommissar Korbinian Hofer [Joseph Hannesschläger ] hat es nicht so mit der Arbeit, sondern beschäftigt sich lieber auch während der Dienstzeit mit seinem außerhalb gelegenen Bauernhofs. Der Chef ist ständig am Kritisieren und Antreiben, während der Zuarbeiter Michael 'Michi' Moor [ Max Müller ] nicht gerade der Hellste ist, und die Sekretärin Miriam Stockl [ Marisa Burger ] zwar äußerst attraktiv, aber oftmals auch mit anderen Dingen beschäftigt ist. Auch sonst scheinen die Uhren hier etwas anders zu ticken, nichtsdestotrotz ist die Mordrate recht hoch und die Anwesenheit eines Spezialisten in seinen Augen da zumindest für den Moment nicht verkehrt.   

Dabei sind die (vermeintlichen) Klischees, die Vorurteile an das Leben in der bayerischen Provinz damals fast noch offensiver angesprochen und auch schon damit offensiver gespielt, als es heutzutage, nach der ewig währenden Gewöhnung daran der Fall ist. Kuhglocken und Vogelgezwitscher als Untermalung der Boarischen Almmusik, dazu der Geißenpeter an der Ecke, der den Neuzugang im BWM vor sich und dies mit der Sonnenbrille im Haar statt auf den Augen erstmal in die falsche Richtung lenkt. Die Unterschiede zwischen dem Hinzugezogenen, der natürlich nicht freiwillig, sondern als Strafe für zu aufmüpfiges Verhalten nun im Hinterland weitab von München ist, und dem Alteingesessenen, der eher Hobby-Kriminalist und weniger Hobby-Landwirt ist, werden dabei gleichzeitig extra betont als sind auch hinfällig in das Bild gerückt. Der Eine sportlich und Charmeur, welcher natürlich alle Frauen bezirzt, den Sportwagen fährt und die schicken Klamotten trägt. Während dem Anderen dies alles so was von egal ist, und sich eigentlich mehr um das bald kommende Kalb und die trächtige Kuh auf seinen Bauernhof schert.

Gegensätze ziehen sich bekanntlich an; was auch noch 380+ Folgen Bauerntheater später mit einer der Gründe für den Zuspruch der Serie, mitsamt diverser anderer emotionaler Ziehpunkte, wie Nostalgie, Tradition, Provinzialität, Stadtflucht, Trutzburg usw. ist. Wichtig ist, dass gleich mehrere verschiedene Figuren, mit unterschiedlichen Eigenarten, aber nur der kleinen Reiberei aneinander, nicht miteinander vorhanden sind. Es ermitteln immer zwei Kommissare, die von Dienstrang gleichwertig sind, und die Partnerschaft so vorgegeben, das Was und das Wie aber jeweils unterschiedlich sind.

In der ersten Staffel (bis zur #4) sind dies Hofer und Satori, Outback Rosenheim und Weltstadt München, Dick und Dünn, Leberkasssemmel und Ciabatta, Weissbier und Rotwein, Kuhmief und Duft der Ferne, die beide nicht auf den Mund gefallen und Stichwortgeber für entweder schneidende Verhöre und/oder gewitzte Kommentare, manchmal eben auch beides auf einmal und manchmal dies auch abwechselnd sind. Überraschend ist die Leichtigkeit, mit der dies in der Serie schon sehr früh, im Grunde von Beginn an, ohne Startschwierigkeiten präsentiert wird; ein sehr simpel scheinendes, aber sehr schwer umzusetzendes Vergnügen, das bekanntermaßen auch noch heute, nach so vieler Zeit und ohne Ausfall- und Ermüdungserscheinungen immer noch zieht und das Publikum zum Einschalten reizt. Ein Geheimrezept, dessen Zutaten wie Tradition, Rechtschaffenheit, Verlässlichkeit, Postkartenoptik, schönes Wetter, viel Dekoration in der Landkarte usw. eigentlich bekannt sind, dessen Zusammensetzung aber (auch trotz gleicher Beteiligung hinter der Bühne) nicht mehr wiederholt werden konnte und dessen Mischung deswegen trotzdem noch ein Rätsel ist.

Im Übrigen tut man sich innerhalb des Fortgangs, gerade in der Inszenierung und auch der gesamten Fortführung doch wesentlich zu dem von Heute unterscheiden, ist man über die Jahre viel voller und schneller geworden, während hier zu Beginn im Vergleich dazu fast noch Altertümlichkeit, das Biedere, das Gediegene, die schläfrige Funkstille, die quantitativ personelle Leere, die Ruhe vor dem Sturm und so die Gemütlichkeit vom Trachten- und Dialektverein, die Jahre der Deutschen Mark noch statt des hektischen Euros am vorherrschen ist. Der Büroflur ist wie ausgestorben, sieht man manchmal keine Menschenseele, wird sich im Spaziergang durch die Stadt und selbst die Zeit für Aerial shots ( v.a. beim Österreicher Wilhelm Engelhardt) und das Davongleiten und Schweben über den Dingen ermöglicht. Da die Serie noch am Wachsen ist, nicht jeder Kellner gleich die wiederkehrende Rolle zugeschrieben bekommt, und sowieso weniger verzwicktes und verzweigtes Personal vorhanden ist, steht der Krimi hier auch noch ein wenig mehr im Vordergrund des Erzählerinchen. Nicht immer wird gleich eine Leiche und die Ermittlung in den Fokus gerückt, sondern auch auf die Vorgeschichte des Ganzen und mit den Wechsel von Perspektiven an die Sache heran gegangen. Eine 'richtige' Erzählung, was die Geschichten, wie bspw. Folge 2 “Schweigegeld“ um eine Falschaussage, Folge 3 “Hopfen und Malz“ um einen vermeintlichen und einen im Anschluss echten Mord, und Folge 4 “Blinde Liebe“ über das Herumscharwenzeln Hofers um eine Alibizeugin auf ihre Art vielfältiger, dramaturgisch kompetenter und persönlicher, aber auch langsamer und anfälliger für Schwachpunkte als in den neuen (beliebigen) Staffeln macht. Darüber hinaus sind die früheren Geschichten allerdings in ihrer Trivialität auch mit mehr Sex und Gewalt bzw. Aktion in Form von Flucht, Verfolgung & Verhaftung angereichert, angesichts des Vorabendprogramms natürlich gemäßigt, im Vergleich zum hier und heute dennoch auffällig in direkten Konfrontationen, einen schon rauen Ton untereinander und ausgelebten Leidenschaften und so vergleichsweise explizit. (Noch in Folge 9 “Tod in Kolbermoor“ fällt ein unfeines 'Penner' zwischen den Kommissaren, die ja eigentlich nun schon eine Weile zusammen arbeiten und eigentlich auch an Tür an Tür wohnen.)

Geschrieben hier vor allem von dem Autorenpaar Andreas Föhr und Thomas Letocha erinnern die Folgen gerade zu Beginn oft an einen eher bitterbösen Heimatfilm, in dem das Patriarchate noch am Vorherrschen und seine Macht auch bedingungslos ausüben ist, und wenn es sein muss, dann eben mit Unterdrückung, Drangsalisierung und angedrohter bis vollzogener Gewalt. Föhr und Letocha haben später und da einzeln in der Belletristik reüssiert, besonders Föhr mit seinen gleichsam zwischen (vergleichsweise) Härte und (wenig) Humor mäandernden “Wallner & Kreuthner“ - Reihe (ab “Prinzesinnenmörder“ über u.a. “Karwoche“, “Schwarze Piste“, “Totensonntag“ bis “Wolfsschlucht“ und derzeit “Schwarzwasser“  um zwei unterschiedliche Rosenheimer Polizisten auf Mörderjagd gar anerkannt und auch kommerziell noch mehr.

Also, viel Mauschelei und Klungelei und Andeutung von Korruption und Illegalität auch hinter den Kulissen, v.a. in Abschlussfolge 12 “Die Zocker von Rosenheim“, die geschrieben von Föhr, Letocha und Engelhardt auch dahingehend ungemütlich wird. Der Rest bleibt dann ähnlich; Alibis werden präsentiert und auseinander klamüsert, Verdächtige geben sich unschuldig, während später Freigesprochene sich erst in das Fahndungsvisier hinein manövrieren. Ein nur kleineres Verwirrspiel, welches auch mal um drei Ecken denkt. Die nicht nur leichte Schonkost, in der man gerne mitraten, sich aber auch zurücklehnen und den Dingen ihren Lauf lassen und stattdessen Land und Leute genießen kann.

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