Lila Lee ist die Tochter des 20er-Jahre-Gangsters Alvin Lee, der seine Frau in einem Anfall von Eifersucht umgebracht hat. Dadurch der Mutter beraubt, schließt sich Lila einer Kirchensekte an, um als singender Engel die Unschuld in Person zu verkörpern. Eines Tages erhält Lila einen Brief von ihrem Vater, der sie zu einem versöhnenden Gespräch bittet. Lila nimmt die Einladung an und gerät auf ihrer Reise, die immer mehr einer Odyssee gleicht, in den Bann von Lemora, einem weiblichen Vampir.
Richard Blackburn ist es mit „Lemora“ gelungen, ein düsteres Märchen für Erwachsene zu fertigen, welches sich ironischerweise mit den letzten Tagen der Kindheit beschäftigt, denn Lila Lee verliert im Verlauf der Handlung langsam aber sicher ihre Unschuld, und ihr Image als unbefleckter Engel wird Stück für Stück demontiert. Die Horrorsequenzen (z.B. die Fahrt durch den Wald und den damit verbundenen schockreichen Angriff durch Lemoras Zombies) erinnern in ihrer ungekünstelten Ungeschlachtheit an Sam Raimis „Tanz der Teufel“, ohne jedoch in dessen Bluttiefen zu waten. Viel eher wird hier durch eine morbide Szenerie Atmosphäre erzeugt als durch das exzessive Ausleben brutaler Gewaltmomente. Ob die UK-Fassung allerdings vielleicht etwas geschnitten ist, kann man nicht mehr nachvollziehen. Manche US-Lexika geben die Originallaufzeit jedoch mit 95 Minuten an. „Lemora“ unterscheidet sich von den üblichen Vampir-Streifen durch eine durchweg gelungene phantastische Handlung, die mit einem deutlich spürbaren anti-klerikalen Unterton versehen ist und durch das bitterböse, groteske Ende glänzt. Obwohl Richard Blackburns voller Symbolik steckender Bilderreigen nach modernen Gesichtspunkten etwas antiquiert erscheint, muß man doch neidisch feststellen, daß solche ungeschliffenen Meisterwerke des Unheimlichen heute leider nicht mehr gedreht werden. Mit Lesley Gilb, Cheryl Smith, William Whitton, Richard Blackburn u.a.
© Selbstverlag Frank Trebbin