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Abenteuerliches, in seiner Struktur beinahe allwöchentlich gehaltenes chop socky Sozialmärchen vom Casting - Genie Lo Wei, der zwar Darsteller wie Bruce Lee, Jackie Chan, Nora Miao, Sylvia Chang, Don Wong, Melvin Wong und nun auch Samuel Hui entdeckte oder Ihnen wenigstens die erste Plattform für die eigene Präsenz erschuf, aber letztlich nicht allzu viel davon hatte. Den Ruf, den Ruhm und insbesondere das Geld staubten jeweils andere Regisseure nach ihm ab, Lo Wei steht heutzutage immer noch, wenn nicht sogar zusätzlich vermehrt für einen immens produktiven, aber nicht sonderlich, sondern bloß einseitig talentierten Filmemacher der B-Schmiede. "Erfindung" von großer Kapazität und Ausführung von ebensolcher Dürftigkeit.

Back Alley Princess, das Debüt des 70er und 80er Jahre Über-Stars Samuel Hui, der kurz darauf in den Komödien seiner Brüder Michael und Ricky zu enormen Erfolg erlangte und dies mit einer ebenso gesegneten Cantopop-Karriere ergänzen durfte, weist diesem auch nur die zweite Rolle im hiesigen melancholisch durchheiterten Geschehen zu. Den undankbaren Part des die Aufmerksamkeit weniger reizenden Mitläufers. Der, obwohl es sich im Grunde genommen um ein buddy picture handelt und in der direkt anschließenden Fortsetzung The Chinatown Capers [ 1974 ] auch dergleichen erweitert wird, nur in der Funktion des Stichwortgebers verbleibt und nach einigen gemeinsamen Szenen mit seinem Gegenüber zumindest vom Drehbuch her auch schnell in der Versenkung der Allgemeinheit verschwindet.

Denn das Skript erlaubt außer der gender-bending Titelfigur keiner der sonstigen zahlenmäßig durchaus übervollen Partien und Parteien groß die weitere Beachtung, bekräftigt zwar die Hochschätzung des Individuums, das Leben in der Gemeinschaft mitsamt dem entsprechenden Zusammenheitsgefühl in der Tugend und in der Not, beschwört aber deswegen noch lange nicht die Sprichwörter "Mit nur einer Hand lässt sich kein Knoten knüpfen." oder "In der geballten Faust sind alle Finger gleich." Im Gegenteil, wird doch ansonsten dabei belassen, der burschikosen back alley princess selber den besonderen Gesichtspunkt des eigenen Glückes Schmied sowie das alleinige Zentrum der Geschichte einzuräumen und abseits ihres Auftretens auch so gut wie keine Kommunikation oder gar Interaktion zuzulassen, weder lebhaft, ausführlich noch lehrreich. Ohne sie keine Handlung. Der man in Neidfreiheit immerhin zugute halten muss, dass sie in ihrer Theorie des ewigen Kreislaufes um den Mittelpunkt herum es ganz gut verstanden hat, aus einem offenen Gefüge, vielen kleinen Wenigkeiten und erstmal unglaubwürdigen Elementen ein soaplastiges, sogar mit immanenten Botschaften angereichertes narratives Gewebe geflochten zu haben, welches in der Beschaffenheit der vielfältigen Unternehmungen und Vorfälle durchaus den Sinn für den eigentlichen Zweck der Dramaturgie beweist. Anziehende Theatergemütlichkeit mit hypochondrischen Harmoniebedürfnis. Witzig und betulich.

Nicht nur, dass die mit Seemansgarn erdichteten Vorfälle schon aufgrund des enormen Personals als bloße Einkleidung ebenso enormes Potential aufweisen und noch auf Jahre und Tausendundeine Nacht darauf gestrickt werden können – das Coronation Street Syndrom –, auch ist trotz mancherlei Zu- und merkwürdiger Vorfälle in den hiesigen Alltagsanekdoten der Arbeiterklasse der Gegensatz zwischen Idee und Realisierung nicht gleich unübersehbar:

1973. Eine Zeit der Unordnung und Regellosigkeit. "Chili Boy", auch "Hot Pepper Kid" benannt [ Polly Kuan, die mit burschikosen Kurzhaarschnitt knuffig süß, dafür später mit auftoupierter Dauerwelle wie ein frisch beglücktes Eichhörnchen aussieht ] lebt seit nunmehr drei Jahren zusammen mit ihrem Kumpel und Leidensgenossen "Embroidered Pillow" [ sissy boy: Samuel Hui ] auf der Straße, wo sie des Tags mit allerlei Unfug und kleineren Gaunereien versuchen, mühsam über die Runden zu kommen und des Nachts einen möglichst sauberen, möglichst trockenen Schlafplatz zu ergattern. Bei einer der Gelegenheiten landen sie beim Martial Arts Trainer Chiang [ Tien Feng ], der beide nach einem freundschaftlichen Disput mit seiner Spitzenangestellten Hsiao Ying [ Angela Mao ] als seine Schüler aufnimmt, nicht ganz zur Freude seines Ältesten und Besten Zöglings [ Carter Wong ]. Da Chiang zusammen mit seiner Crew, der Familie und Freunden alle unter einem Dach bei Auntie Wang [ Wang Lai ] leben, tragen auch Alle dasselbe Los und teilen ihr Leid, von harmlos bis zu schwerwiegend. Und sie legen eigenhändig einer schmierigen Verbrecherorganisation um "Killer" [ Fung Ngai ] das Handwerk.

Altruismus gegen Bedürfnisse und Illusionen gegen Realitäten. "You're behind times. The rich can be unreasonable." gegen "The poorer you are, the worse." Erste Erfahrungen mit Liebe und auch mit Tod. Probleme sind auf dem Wochenmarkt gebraut und in pittoresken Winkeln und Gässchen erneut zusammengekocht. Da außer einigen Qualifizierungen die Figuren keinerlei und schon gar nicht ausfüllende Zeichnung erhalten und sowieso die innere Überzeugung dahinter fehlt, werden sie immerhin den geeigneten Klischees von Selbstaufopferung und Nächstenliebe zugewiesen, um der offenkundig naiven, unwiderstehlich gutgläubigen, vertrauensselig unbedarften Aufbereitung capraesker Tradition wenigstens auf dem Papier würdig entsprechen zu können.

Da gibt es in der Benefiz-Matinée den schmucken Anwalt Philip Teng [ Anthony Lau Wing ], der weit draußen in seinem weißen Märchenschloss mit einem Dutzend Bediensteten lebt, sich aber als Schutzengel der Kommune zugehörig fühlt und als Ritter auf dem Pferd desöfters die besonders schweren Gerichtsfälle pro bono übernimmt. Wahrsager Wu Pun - hsien [ Wu Jiaxiang ], der Jedem, der es wissen will, einen guten Ratschlag umsonst erteilt. Die Hure mit Herz Lily Wang [ Kong Faan ], die in der lokalen Depressionsära trotz Widerwillen gezwungen ist, ihren Körper dem dickleibigen Playboy Lin [ Nick Lam ] anzubieten, um ihrem spiel- und genusssüchtigen Freund Hsiao Hou [ David Cheung ] die Schulden zu bezahlen. Oder Auntie Wangs Tochter Yuan Fen [ Tong Jing ], deren gerade so erspartes Schulgeld geraubt wird, obwohl eine gute Bildung und gerade Englischkenntnisse im kapitalistischen Wettbewerb das höchste Gut doch sind.

Das ist mal leichtfüssige Komödie mitsamt verschmitzter tomboy-Attitüde, mal unerbittlich festgefahrenes action showreel, mit Einbrüchen eines zeithistorischen Melodrams und gar knapper Exploitation- bzw. arg knallbunter Trashansätze: Boss Han [ Han Ying-chieh ], das wahre Böse im gemäßigt steigernden Spannungsbogen, hält sich in der Unterwelt einen Prostituiertenring, um in einem geheimen Folterkeller die an vergoldeten Marmorsäulen angeketteten Freudenmädchen mit der Reitpeitsche zu bändigen und sein Schlafzimmer im fighting femme Finale in das wortwörtliche Schlachtfeld umzufunktionieren.
[Kuriosum am Rande: Eine im lokalen Kino spielende Szene verweist auf Arthur Maria Rabenalts Hilfe, mich liebt eine Jungfrau, Deutschland 1969, der in seinem Metier ein ähnlich wilder Absud ist.]

Märchen, Mythen, Nostalgie, Schwarzweißmalerei, Gegenwartskultur. Nichts so richtig, aber dafür Alles in Einem. Zusammengewürfelt als munteres Gefeilsche um die Gunst des Zuschauers. Da es mirakulöse Schicksalsfügung trivialer Verhältnisse zuhauf und genug gibt, macht sich auch die epochale Laufzeit von Acrobatic Kung Fu contre Gang Noir [ AT ] mit über 2h angenehm unsichtbar. Aufbau und Weiterentwicklung der umfassend angeordneten Charaktere, Reden, Entschließungen, Tun und Treiben der Personnage de fiction ist – abgesehen mal von einigen extra angekündigten Cameos von Lo Wei selber, Helen Ma oder Gam Saan – nicht um ihrer selbst willen da, sondern beruht auf grundsätzlich verständlichen Stärken oder eben Schwächen des Menschen. Der stetige Kampf zwischen seiner guten und seiner schlechten Seite als die gleichfalls ewig gültige Basisregel stellt Haupteindruck und Fundament dar. Das Wunderbare, das Märchenhafte und das katharsische Versprechen darin den eigentlichen Charme der pilotfilmartigen Erzählung.

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