1968 hat Michael Reeves mit seinem letzten Film "Witchfinder General" einen pessimistischen Historienfilm vorgelegt, der trotz intensiver Folterszenen, einem ebenso erschütternden wie befreienden Ende - das nach Genreregeln sicherlich als Happy End zu bezeichnen wäre, letztlich aber dank des durchdachten Drehbuches und der treffsicheren Inszenierung eines der verstörendsten Enden in der Filmgeschichte geworden ist! - und Vincent Price in der Hauptrolle kein Horrorfilm sein wollte. Tatsächlich tat Reeves alles, um seinem Ruf als junge, große Hoffnung des Horrorfilms zu entkommen, und strebte hier ein düsteres, gewalttätiges Drama an, das von der Produzentenseite aus dennoch als Horrorfilm vermarktet worden ist... (nicht ganz zu Unrecht: horribel ist das Werk allemal, auch wenn klassische Genremotive völlig fehlen.)
Ironischerweise erwies sich der Film - was der viel zu früh verstorbene Reeves nicht mehr erlebte! - als Startschuss einer ganzen Reihe von Exploitationfilmen, die das Sex- & Gewalt-Potential des Vorbildes bis zum Äußersten ausloteten: 1969 entstand Jess Francos vergleichsweise sorgfältiger "Il Trono di fuoco", während in Deutschland "Hexen bis aufs Blut gequält" gedreht wurde; drei bis vier Jahre darauf drehte Hoven, Produzent & Co-Regisseur dieses deutschen Splatterklassikers, quasi im Alleingang das fortsetzungsähnliche Semi-Remake "Hexen - Geschändet und zu Tode gequält" (1973).
Von diesen bekanntesten und einzig nennenswerten direkten Abkupferungen, die den Erfolg von Reeves Meisterwerk ausnutzten und in etwas einfältigerer Dramaturgie den Schwerpunkt auf peinliche Verhöre, kaltschnäuzige Hexenjäger und Hexenverbrennungen legten, ist "Hexen bis aufs Blut gequält" sicherlich der reizvollste.
Abgesehen von einer Besetzung, die sich höchst interessant liest (Vorzeigebösewicht Herbert Lom, Narbengesicht Reggie Nalder, Herbert Fux als Folterknecht, ein junger Udo Kier als Schönling, Olivera Vuco als Objekt seiner Begierde und schließlich noch der Sexfilm-geprüfte Michael Maien und die schöne - Horrorfans auch aus "La Noche de Walpurgis" (1971) bekannte - Gaby Fuchs) nimmt sich der Film auf formaler wie auf inhaltlicher Seite einige Eigenwilligkeiten raus.
Die Handlung ist [Achtung: Spoiler!] schnell erzählt: Hexenjäger Albino (Nalder) wütet wie ein Wahnsinniger, will sich die Dorfschönheit Vanessa (Vuco) unter den Nagel reißen, wird von Christian von Meruh (Kier) - dem Gehilfen des Hexenjägers Lord Cumberland (Lom) - bestraft, woraufhin Vanessa und Christian eine Liebelei beginnen. Der gekränkte Albino schreitet zur Rache und denunziert Vanessa beim bald hinzukommenden Lord Cumberland als Hexe. Damit ist die erste Meinungsverschiedenheit zwischen Christian und seinem Lehrmeister Cumberland vorprogrammiert. Als Albino und Cumberland eines Tages eine Streiterei haben - in erster Linie weil Cumberland sich selbst gegenüber seine Machtgier nicht eingestehen will - bringt Cumberland Albino im Affekt um. Christian muss alles mit ansehen und während Lord Cumberland immer unnachgiebiger wird und immer egoistischer seine eigenen Gelüste befriedigt, befreit Christian Vanessa. Bevor beide fliehen können, will Christian noch den zu Unrecht gefolterten Baron Daume (Maien) befreien, wird dabei jedoch von Cumberland überrascht und seinerseits eingesperrt. Vanessa organisiert unter der mürrischen Landbevölkerung einen Aufstand - für Baron Daume kommt diese Aktion zu spät, er muss sein Leben lassen. Christian wird im Getümmel befreit, nur um vom Advokaten, mit dem er im Zwist liegt, als Cumberlands vermeintlicher Gehilfe angeschwärzt zu werden, woraufhin ihn der Mob zu Tode foltert. Und während der sadistische Cumberland in letzter Sekunde der wütenden Bevölkerung entkommt, heult sich Vanessa zu den Füßen von Christians Leiche in den Abspann.
Gestreckt wird die Handlung mit diversen Folterszenen, die für damalige Zeit harte Kost darstellen: Gaby Fuchs wird gestreckt, der Zunge beraubt und ihre Daumen werden mit der Daumenschraube bearbeitet, Baron Daume wird gepeitscht, gestochen und geröstet und die Kamera hält hier detailfreudig drauf. Dementsprechend konnte man den Film mit dem Umstand bewerben, dass er in zig Ländern verboten war... und auch das Gimmick der - zusammen mit der Eintrittskarte verkauften - Kotztüte spricht für sich.
Und trotzdem ist "Hexen bis aufs Blut gequält" etwas mehr als ein billiger & schlampiger Exploitationfilm: Denn Regisseur Michael Armstrong ließ es sich nicht nehmen, einige künstlerische Ambitionen einfließen zu lassen, ehe Hoven ihn wegen einer Überschreitung der festgelegten Drehzeit feuerte und den Film sowohl beendete, als auch mit weiteren blutigen Aufnahmen ausschmückte.
Wenn ein Opfer der Häscher des Hexenjägers dem Advokaten im Getümmel ein Auge aussticht, folgt ein wirres Gewimmel an Farben & Formen, das vergleichbar wäre mit der Ermordungssequenz der Cat-Lady in Kubricks "A Clockwork Orange" (1971). Die Kameraführung bei der Ankunft Cumberlands überhöht diesen zur übermächtigen Figur, die Ermordung Albinos wird wirksam durch das Klappern eines herabgefallenen Schildes unterstützt, das immer weiter verstummt, je mehr Albino seine Lebensgeister aushaucht... und bei einer Vergewaltigung durch Lord Cumberland dreht sich und schwenkt die Kamera in jede Richtung und verleiht der Szene somit ein hohes Maß an Vitalität.
Diese Mischung aus künstlerischen Ambitionen - die manchmal auch recht gezwungen & missglückt wirken - und krasser Blutspritzerei wird darüber hinaus angereichert mit einer romantischen Liebesgeschichte im idyllischen Heimatfilm-Ambiente. (Adrian Hoven, selbst als Star des Heimatfilms zum Liebling des einschlägigen Publikums avanciert, raubt dem Genre hiermit seine vermeintliche Unschuld: wer ohnehin schon im Heimatfilm ein Genre der Verdrängung gesehen hat, dürfte an dieser gewalttätig-sexuellen Schmuddelphantasie im Heimatfilmgewand, inszeniert von einem seiner einstigen Stars, durchaus seine Freude & Bestätigung haben.) Diesen Szenen verleiht nicht zuletzt die Musik Michael Holms ihre idyllisch-kitschige Atmosphäre, während Holm mit dissonanten Tönen in bedrohlichen Situationen ebenfalls ein hohes Maß an Wirkung zu erzielen vermag.
Und dennoch zerfällt der Film nicht in drei widersprüchliche Teile, sondern fügt sich in ein abwechselungsreiches, aber dennoch auf eigentümliche Weise harmonisches Ganzes. Hier und da macht sich zwar auch unfreiwillige Komik breit: etwa wenn sich Herbert Fux als tumber Folterknecht auf nicht unbedingt zärtliche Weise mit einem Hasen vergnügt... oder wenn ein arg geschminkter Udo Kier mit schmachtenden Blicken während mancher Bedrohungssituationen über Großaufnahmen und laut aufspielendes musikalisches Leitmotiv mit dem Holzhammer in Szene gesetzt wird. Das ist dem Film aber eher zu- als abträglich.
Ein glückliches Händchen hatte man bei der Wahl des Drehortes in Österreich gezeigt, auch wenn die eine oder andere moderne Regenrinne u. ä. im Kontrast zur Handlungszeit steht.
Inhaltlich hebt sich der Film aus der Masse vergleichbarer Werke hervor, indem er wie Reeves auf einen pessimistischen Schluss setzt. Das wirkt zwar angenehm abwechselungsreich, fällt dabei aber auch deutlich platter aus als das böse Ende bei Reeves: werden dort die Täter/Opferrollen für einen Augenblick der wütenden Entladung ausgetauscht - wodurch der Hexenjäger zum bemitleidenswerten Opfer viehischer Rohheit wird, die von der eigentlichen Identifikationsfigur ausgeübt wird, deren Frau daraufhin in einen hemmungslosen Schreikrampf verfällt! - begnügt sich Hoven damit, einfach die Guten zu bestrafen und die Bösen zu belohnen... von der ambivalenten (und damit letztlich aufgehobenen) s/w-Malerei bei Reeves ist hier nichts mehr zu spüren; die Guten und die Bösen sind klar umrissen und werden eindeutig voneinander abgetrennt. Hoven orientiert sich eher an der Philosophie eines de Sade, der die Tugend bestrafen und das Laster belohnen ließ; das zeigt sich auch an der Einführung der Folteropfer: Gaby Fuchs gibt eine vom Erzbischof geschwängerte Nonne, der aufgrund ihrer 'dreisten' Aussage und ihrer Schwangerschaft der Prozess gemacht wird, und Maien wird gemartert, weil er die rechtsmäßig ihm gehörenden Güter nicht der Kirche überschreiben will. Gerade die kirchlichen Würdenträger werden so vehement verunglimpft und wie bei de Sade schimmert das Laster damit immer dort durch, wo sich der breiten Bevölkerung stets die löblichste Tugend offenbart. Anders als bei de Sade wird daraus jedoch keine richtige, beständig reflektierte Moral entwickelt - und platter fallen diese Elemente zudem auch aus.
Aber wenn man bedenkt, dass ursprünglich ein Ende vorgesehen war, in dem die Opfer des Hexenjägers aus ihren Gräbern steigen und Christian zu sich herabziehen, ist dieses Ende, das den nirgends phantastischen und überall pessimistischen Film konsequent abschließt, bei weitem nicht die schlechteste Wahl.
Insgesamt jedoch eine erfrischend andersartige Kuriosität aus Deutschland; ein irgendwo zwischen Heimat-, Liebes- und Historienfilm angesiedelter Sex- & Splatterfilm, entstanden bevor Splatter in solcher Form überhaupt mainstreamfähig geworden ist - eine krude Mixtur aus künstlerischen Ambitionen und krasser Exploitation!
6,5/10