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„Das ist doch was für alte Weiber!“ (kann ich nicht bestätigen…)

„Die Nacht der reitenden Leichen“ ist der Auftakt zur iberischen Kult-Horror-Tetralogie des spanischen Regisseurs Amando de Ossorio und vermutlich dessen populärster Film. Er entstand im Jahre 1971 in spanisch-portugiesischer Koproduktion und dürfte neben den zahlreichen Paul-Naschy-Beiträgen einer der bekanntesten und berüchtigtsten Genrebeiträge jener Zeit sein. Stark beeinflusst wurde er vermutlich vom drei Jahre zuvor veröffentlichten Zombie-Schocker „Night of the Living Dead“ von George A. Romero.

In einem spanischen Ferienparadies treffen sich die alten Schulfreundinnen Betty (Lone Fleming, „Saat der Angst“) und Virginia (María Elena Arpón, „Fuzzy, halt die Ohren steif!“) wieder, die ihre Kindheit zusammen in einem strengen Internat verbrachten. Doch die Wiedersehensfreude währt nur kurz, denn als Virginias Freund Roger (César Burner, „Die große Abrechnung“) hinzustößt, brechen sich während einer gemeinsamen Zugreise Eifersüchteleien bahn, woraufhin Virginia entnervt während der Fahrt in einer gottverlassenen Einöde abspringt und sich schließlich in einer uralten Burgruine zur Nacht bettet. Was sie nicht ahnt: In der Nacht erwachen die auf dem nahen Friedhof begrabenen Mitglieder eines geheimnisvollen Templerordens aus ihrem Totenschlaf und machen Jagd auf die Lebenden. Nachdem sie Virginia schließlich totgebissen haben, begeben sich sowohl die Polizei, als auch Betty und Roger auf die Suche nach ihrer Freundin – und direkt in die Knochenarme(e) der untoten Templer...

Amando de Ossorio transportiert sein ganz eigenes Gemisch aus Gothic- und Untoten-Horror ins sonnendurchflutete Spanien der frühen 1970er. Sicherlich war er kein perfekter Regisseur, doch auch bei allen Schwächen dieses Low-Budget-Reißers schlägt das Pendel eindeutig in die richtige Richtung aus. Noch zu Zeiten des faschistischen Franco-Regimes gedreht, beschritt er mit „Die Nacht der reitenden Leichen“ manch mutigen Weg. Doch auch außerhalb von Zensurproblematik u.ä. traf er manch unkonventionelle Entscheidung. So ist Virginia, nachdem sie vom Zug in die vermeintliche Einsamkeit sprang, ganz auf sich allein gestellt, so dass es folgerichtig keinen einzigen Dialog gibt – und das verdammt lange! Genüsslich und mit aller Zeit der Welt folgt ihr die Kamera in die Ruine, filmt stilvoll durchs prasselnde Lagerfeuer, wie sie sich umzieht, während sich die schaurige Atmosphäre des Films langsam aber sicher in den Nacken des Zuschauers schleicht. Die Ruinen stehen im Kontrast zu den grünen Sommerlandschaften Spaniens, die man zuvor zu sehen bekam. Diese wunderschönen, authentischen Kulissen etablieren bereits die morbide Ästhetik, die mit dem Auftauchen der wiedererwachten Templer ihre Formvollendung findet: Lebendige Skelette, gehüllt in vermoderte Kutten, die mit leeren Augenhöhlen durch die Gemäuer schleichen oder auf ihren unheimlichen Pferden durch die Nacht reiten. Diese liebevolle Masken- und Spezialeffektarbeit wurde mit viel Sinn fürs Detail aufwändig und sorgfältig umgesetzt und wenngleich nicht jede Nahaufnahme einzelner Extremitäten ebenso wenig wie manch ein sparsam, aber effektiv eingesetzter blutiger Effekt hyperrealistisch wirkt, verfehlt sie ihre Wirkung nicht und kann ich nur meinen Hut ziehen vor dieser Arbeit, die weder in dieser Qualität, noch in dieser Konsequenz seinerzeit an der Tagesordnung war. Ein Markenzeichen des Films sind Schockeffekte mit einem aus dem Off versehenen Schrei, was mal mehr, mal weniger passend erscheint, zugegebenermaßen stark in Richtung Effekthascherei tendiert, dabei jedoch durchaus Charme entwickelt. Zusätzlich für wohlige Schauer garantieren die musikalische Untermalung mit ihren sakralen Chören, eine unheimliche Geräuschkulisse, die die Hufe der Templerpferde durch die Gemäuer hallen lässt und der häufige Gebrauch von Zeitlupen, die die sich aus ihren Gräbern erhoben habenden Reiter mächtig und erhaben durch die nebelverhangene Szenerie galoppieren lassen.

Wie bereits angedeutet, gesellen sich zur höchst gelungenen morbiden Ästhetik einige krude Szenen, allen voran die Rückblende ins 12. Jahrhundert, die die fantastische Mythologie des Films erläutert. Während man erfährt, dass es sich bei den Templern um Kreuzzügler handelt, die aus dem Orient nicht nur mit materieller Beute, sondern auch mit reichlich okkultem Geheimwissen zurückkehrten, wird man Augenzeuge eines ihrer mörderischen Rituale, während dessen einer entblößten, gefesselten Frau von Reitern mit Schwertern die Brustpartie aufgeschlitzt wird, woraufhin sich, wenn das Blut erst einmal so richtig fließt, die Templer an ihr festsaugten und gierig das Blut schlürfen. Nackte Oberweiten und explizite Gewalt – Exploitation vom Feinsten! Ferner erfahren wir, dass die mittelalterliche Obrigkeit dem blasphemischen Treiben nicht lange tatenlos zusah und die Ketzer böse bestrafte. Schließlich wurden ihnen die Augen von Krähen herausgehackt, weshalb nun auch die Untoten Skelett-Templer blind sind, dafür umso besser hören – beispielsweise das nervöse Herzpochen ihrer nächsten Opfer. Wunderbar originell und ein sehr schönes Alleinstellungsmerkmal!

Nicht sonderlich vertrauenserweckend werden auch die noch menschlichen Spanier gezeichnet. So wird man mit einem debilen, finsteren, hämisch grinsenden Pathologen ebenso konfrontiert wie mit einem kauzigen, abweisenden Bibliothekar und einem unsympathischen Anführer einer Bande Kleinkrimineller, der sich zudem in einer ebenfalls wenig dezent gefilmten Szene als Vergewaltiger entpuppt – wodurch sich zum Teil Genugtuung beim Zuschauer einstellt, sobald einer dieser schmierigen Vertreter der eigenen Spezies das Zeitliche segnet. Der Grund, weshalb die nicht nur reitenden, sondern vor allem schleichenden und schlurfenden Leichen überhaupt einige Opfer erwischen, liegt in ihrem zahlreichen Auftreten, ähnlich wie bei einer auf die Ebbe folgenden Flut: Ganz langsam steigt der Wasserpegel und ehe man sich versieht, ist man knietief drin. Skeptiker und Gegner der phantastischen Films werden vermutlich spätestens hier anknüpfen und versuchen, dem Film jegliches Gespür für Logik abzusprechen. Sicherlich sollte man „Die Nacht der reitenden Leichen“ logisch nicht allzu sehr hinterfragen und stattdessen das Treiben genussvoll auf sich wirken lassen. Die große Zahl vermeintlicher Logikfehler entdecke ich hier dennoch nicht, erst in den weiteren Teilen verwickelt man sich stellenweise ein wenig in Widersprüche. Schade ist jedoch, weshalb aus dem Umstand, dass Virginia nach ihrem Tod eine Art Vampirin wird, meines Erachtens etwas wenig gemacht wird. Auch diese außerhalb der Ruine spielenden Szenen sind zwar schön anzusehen, wirken aber bisweilen wie ein Fremdkörper und finden keine wirkliche Entsprechung in der Mythologie des Films. Weitaus kritischer darf man indes einige wenig sinnvolle Streckdialoge betrachten, die jedoch spätestens im großartigen Finale vergessen sind. Die Pointe setzt einen herrlich bösen Schlusspunkt, an ein „Happy End“ ist nicht zu denken. Nicht alle aufgekommenen Fragen werden erschöpfend geklärt, was für sich genommen schon Grund genug ist, auch die Fortsetzungen nicht unbeachtet an sich vorbeiziehen zu lassen, wenn diese auch nicht mehr ganz die Qualität dieses Originals heranreichen. In der mir bekannten ungeschnittenen deutschen Fassung lenken die zahlreichen nachsynchronisierten Dialoge zu sehr von den schauspielerischen Leistungen ab, als das ich diese wirklich beurteilen könnte, deshalb nur so viel: Die Mädels sind hübsch anzusehen und geizen nicht mit ihren Reizen, die Kerle sind i.d.R. hässlich und/oder prollig, die Unterscheidung zwischen Unsympath und Sympathieträger fällt nicht immer leicht, dafür wird viel geschrien und gekreischt. Sicher ist aber: Alle spielen hinter den skelettierten Templern die zweite Geige. Je nach Zeitgeist mag ein Film wie dieser in der einen oder anderen Weise unfreiwillig komisch auf den abgeklärten Rezipienten wirken, doch während Trends und Modeerscheinungen kommen und gehen, bleibt den reitenden Leichen auf ewig ein Platz im Herzen des Liebhabers europäischer Horrorfilme längst vergangener Zeiten sicher.

Fazit: Spanischer Kult-Horror, der bei mir trotz ein paar Abzügen in der B-Note ganz hohen Stellenwert genießt. Seinerzeit erstmals im RTL-Nachtprogramm, anmoderiert vom Elvira-Plagiat „Wilde Hilde“, damit konfrontiert worden und seitdem ins morbide Herz geschlossen. Reitende Knochenmänner - atmosphärisch, gruselig, grandios!

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