Mal eine Stephen King Verfilmung, die nicht zum Horrorgenre gehört, sondern sich als eingängiges Familiendrama entpuppt.
Trotzdem kommt die Spannung nicht zu kurz, wie bereits die Anfangsszene zeigt: Dolores Claiborne (Kathy Bates), ihres Zeichens Haushälterin, ist im Disput mit ihrer Chefin, diese stürzt die Treppe herunter und stirbt, während Dolores mit schlagbereitem Nudelholz über ihr steht. Trotzdem ist es nicht einfach zu sagen, ob es sich hier um einen Mord handelt, was dann auch eine Leitfrage für den weiteren Film darstellt.
Ein ominöses Fax holt ihre Tochter Selena (Jennifer Jason Leigh) zum Ort des Geschehens, die an sich als Journalistin in New York arbeitet. Mutter und Tochter haben sich auseinander gelebt und seit Jahren nur gelegentlich übers Telefon kommuniziert. Gemeinsam rollen sie die Vergangenheit auf, doch die beiden haben schwere Differenzen…
Die große Schwierigkeit bei Stephen King Verfilmungen ist es immer die Charaktere so eingängig zu gestalten wie in den Büchern. Doch hier ist mit Taylor Hackford genau der richtige am Drücker, der ja mit seinem Meisterwerk „Blood In Blood Out“ bewies, dass er sich wunderbar auf Charakterstudien versteht. So erlangen die beiden Frauenfiguren hier so richtig Profil: Dolores als zynisch und streitsüchtige Matrone, der man auch Mord zutrauen kann, daneben die etwas zickige und gebrochene Tochter mit Tablettensucht, die nie so richtig über die Schwierigkeiten der Vergangenheit hinweggekommen ist. Und doch haben beide auch ihre Gemeinsamkeiten, die sie nicht sehen wollen.
Doch ohne die entsprechenden Schauspieler kann auch ein Regisseur wie Taylor Hackford nicht soviel ausrichten und auch da hat er Glück. Ganz große Klasse ist Kathy Bates, die hier sogar noch besser als in „Misery“ spielt: Ihre Dolores hat viele Facetten, sodass man ihr sowohl die liebende Mutter als auch die potentielle Mörderin abkauft. Jennifer Jason Leigh kommt da nicht mit, leistet aber auch überzeugende Arbeit. Das Nebendarstellerensemble, darunter auch John C. Reilly, Eric Bogosian und Christopher Plummer, machen auch gute Jobs, doch ihre Screentime ist im Vergleich zu der der Hauptdarstellerinnen echt verschwindend gering.
Roter Faden bei der ganzen Geschichte ist die Frage, ob Dolores eine Mörderin ist. Dabei geht es nicht nur um den Tod ihrer Arbeitgeberin, sondern auch den scheinbaren Unfalltod ihres brutalen Ehemannes 16 Jahre zuvor. Zwar kann man sich nach einer Weile denken, ob Dolores einen oder beide unter die Erde gebracht hat, doch die meiste Zeit ist „Dolores“ trotzdem recht spannend.
Doch die Mordfrage ist nur der rote Faden, in erster Linie rekonstruiert „Dolores“ auf faszinierende Weise das Leben seiner Hauptfigur: Mit stets geschickt eingebauten Rückblenden erfährt man, wie es überhaupt zu der Situation kam, warum Mutter und Tochter zerstritten, was es mit der Fehde zwischen Dolores und dem Sheriff auch sich hat usw. Stets fiebert man der nächsten Enthüllung entgegen und wird dank der plastischen Charaktere auch mitgerissen.
Leider ist „Dolores“ nicht ganz das Spannungsstück geworden, das möglich gewesen wäre. Hin und wieder gibt es kleine Längen, die nicht hätten sein müssen, z.B. wenn sich die Streitereien zwischen Dolores und Selena zu Anfang etwas wiederholen. Zudem fällt der Schluss leider etwas einfallslos aus: Die Ursache für die Probleme ist die gleiche wie in zig anderen Familiendramen und zur Lösung des Problems raufen sich Mutter und Tochter zusammen, was in einer leicht pathetischen Quasi-Gerichtsverhandlung endet. Da verschenkt „Dolores“ auf den letzten Metern leider noch ein paar Zuschauersympathien.
Doch trotz der genannten Schwächen kommt „Dolores“ als ruhiges und dennoch fesselndes Drama daher, das vor allem durch die hervorragenden Darsteller und die erstklassige Regie punktet.