Ludovic Fabre ist ein siebenjähriger Junge, der lieber ein Mädchen sein möchte: er verkleidet und schminkt sich als Prinzessin, weigert sich standhaft, sich die Haare schneiden zu lassen und träumt davon, irgendwann - "wenn ich ein Mädchen bin" - seinen Schulfreund Jerome zu heiraten. Was zunächst von seinen Eltern und dem weiteren Umfeld für eine vorübergehende, kindliche Marotte gehalten wird, wächst sich allmählich zum Problem aus: wegen der Ablehnung des homophoben, sozialen Umfelds wird Ludovic von der Schule verwiesen, Ludovics Vater verliert seine Arbeitsstelle; die ganze, sechsköpfige Familie muß ihr Haus aufgeben und und in eine ferne Stadt umziehen. Erst dort - unter sozial einfacheren Verhältnissen - trifft Ludovic schließlich doch wieder auf mehr Toleranz und Verständnis und darf endlich wieder so sein, wie er nun mal ist.
Eigentlich ist die ganze Geschichte völlig aus der Zeit gefallen. In den 60er- und 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts waren die Verhältnisse tatsächlich so wie in diesem Film beschrieben; heute wäre das in Mitteleuropa undenkbar, obwohl (und gerade weil) es aktuell als politisch korrekt gilt, eine real schon längst nicht mehr vorhandene Diskriminierung Transsexueller lauthals anzuklagen. Ich bin selbst transsexuell und habe als transsexueller Mensch in den 60er Jahren meine Pubertät erlitten - ich weiß also, wovon ich da rede.
Aber die politisch korrekte Botschaft ist auch gar nicht das besondere Verdienst dieses Films; sehenswert ist vor allem seine liebevolle, behutsame, poetische Darstellung eines "Mädchenjungen". Ich habe deshalb wegen obiger Spoiler auch kein schlechtes Gewissen: denn nicht Spannung und unsicherer Ausgang machen den Reiz des Films aus, sondern das empathische Eintauchen in die Gefühls- und Erlebniswelt dieses ganz speziellen Kindes. Dem steht die Vorauskenntnis der Handlung nicht im Weg, ganz im Gegenteil!
George du Fresne spielt diese schwierige, kindliche Rolle bewundernswert natürlich und glaubhaft. Seine von der Filmumwelt als "peinlich" verurteilte Mädchenrolle wirkt auf den Zuschauer keinen einzigen Augenblick peinlich, sondern einfach harmonisch, zu diesem Kind passend. Man kann gar nicht anders, als sich beim Zuschauen mit diesem stillen, schüchternen, zarten Jungen zu identifizieren - und mit ihm zu leiden, wenn sie ihm schließlich doch einen Kurzhaarschnitt mit abstehenden Ohren aufzwingen: erst da wird's wirklich peinlich, weil das zu diesem Kind so gar nicht passen will.
Michele Laroque und Jean-Philippe Ecoffey machen als Ludovics Filmeltern sehr glaubhaft und drastisch die heillosen Konflikte zwischen der Loyalität zu ihrem Kind und der sozial erzwungenen Rücksichtnahme auf ein homophobes Umfeld sichtbar. Einen wohltuenden Halt und Ruhepol bildet bei all dem Ludovics zwar als etwas exzentrisch überdreht geltende, aber sehr verständnisvolle Großmama - von Helene Vincent sympathisch quirlig verkörpert.
Ganz besondere Würdigung verdient Alain Berliners behutsame, einfühlsame Regie, mit der er den zarten Stoff sorgsam darbietet, begleitet von einem liebevollen, nie verletzenden oder ins Klamottenhafte abgleitenden Humor. Man muß sich noch nicht mal speziell für das Transgender-Thema interessieren: das Ganze ist einfach ein wunderschöner Film für Jeden, der ein Herz für Kinder hat.