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Mit seinem Debüt-Langspielfilm schuf David Lynch Mitte der 70er ein surrealistisches Meisterwerk für die Ewigkeit: „Eraserhead" ist ein in düsterstem Schwarz-Weiß gehaltener Albtraumtrip durch eine Welt, in der hinter den alltäglichsten Vorgängen das pure Grauen lauert. Die Geschichte, so weit man sie entziffern kann, handelt von dem leicht apathischen Henry, der im Grunde alles mit sich geschehen lässt - auf die Annäherungsversuche seiner Nachbarin reagiert er nicht, seine Schwiegereltern zwingen ihn zur Hochzeit mit seiner Freundin, nachdem diese ein Kind ausgetragen hat, die Freundin zieht erst bei ihm ein, lässt ihn dann aber mit dem monströsen und stets kränklichen Kind allein, weil sie es nicht mehr aushält. Zwischen Wahn und Wirklichkeit versucht Henry, irgendwie sein monotones Leben weiterzuführen.

Selten sind die Grenzen zwischen grauenhafter Fantasie und unheimlicher Realität so fließend ineinander übergegangen wie in „Eraserhead". Traumsequenzen, Wahnvorstellungen und das Leben in einer so seltsamen wie latent bedrohlichen Umwelt wechseln hier einander ab, bleiben aber formal so gleichartig, dass es schwer fällt, einen tatsächlichen Unterschied zu finden. Lynch entwirft eine bizarre Welt, deren verlassene Industrieanlagen, öde Landschaften und heruntergekommene Häuserblocks einen geradezu apokalyptischen Anstrich haben; in diesen endlos grauen Alltag brechen dann immer wieder kryptische Sequenzen, die das Innenleben des ebenso seltsamen Henry auf mystische Weise zu symbolisieren scheinen.

Überhaupt ist hier so gut wie jedes Bild pure Metapher. Wie aus späteren Lynch-Werken bekannt, etwa „Blue Velvet" oder „Twin Peaks - Der Film", kann man viele Szenen mit tiefenpsychologischer Symbolik analysieren: etwa die immer wieder auftauchenden Wurmwesen, die nicht von ungefähr an mutierte Spermien erinnern. In diesem Sinne beginnt der Film auch mit einer der bizarrsten Sex-, Befruchtungs- und Geburtsmetaphern der Filmgeschichte. Und so geht es weiter - beinahe jede neue Sequenz bietet eine weiterführende Symbolik, die mal leichter, mal schwerer zu entschlüsseln ist. Tiefenpsychologische Albtraumsequenzen wie die Szene, in der Henry der Kopf abfällt und durch den Schädel des monströsen Babys ersetzt wird, oder die entstellte Bühnentänzerin wechseln sich mit ironisierenden Szenen ab - so fällt das so bizarre wie in latent unheimlicher Atmosphäre stattfindende Abendessen bei den Schwiegereltern als finstere Satire auf typische Gesellschaftskonventionen aus. Auch der Druck, die geschwängerte Freundin zu heiraten, und das darauf folgende Gefangensein in einer Situation, die so nie gewollt war, spiegeln sich im Handlungsablauf wider. So entpuppt sich „Eraserhead" als düstere Satire auf Bedrängnisse und Beengtheiten einer spießigen Gesellschaft, die immer wieder mit hintergründigem Humor aufwartet.

Trotzdem wird der Film mit fortlaufender Handlung immer finsterer und unheimlicher. Das liegt nicht nur an der perfekt gelungenen Beleuchtung und dem beängstigenden Sounddesign, das beinahe vollständig auf Musik verzichtet und stattdessen viele Szenen mit maschinell wirkenden, schwer identifizierbaren Geräuschen untermalt, sondern auch an der sich steigernden Grausigkeit der Bildfolgen. Das schreiende monströse Kind, das als Metapher vielen gestressten, übermüdeten Eltern bekannt vorkommen dürfte, verwandelt sich trotz seiner offensichtlichen Hilflosigkeit immer mehr in ein bedrängendes, bedrohliches Monstrum, das schließlich das gesamte Zimmer einnimmt. Hier wird klar, dass es um das Entmenschlichte in einer Gesellschaft geht, die von ihren Mitgliedern das bedingungslose Einhalten starrer Verhaltenskorsetts verlangt; die psychischen Schäden, die das mit sich bringen kann, visualisiert der Film in seinen gruselig-ekligen Albtraumsequenzen.

Über diese hintergründig gesellschaftskritische Symbolik hinaus bietet „Eraserhead" aber auch einige so kryptische Szenen, dass es schwer ist, sämtliche Metaphern zu erschließen. Wie so oft bei Lynch muss man sich die Aussage des Films eher über die emotionale Wirkung der Bilder als über ihre symbolische Bedeutung entschlüsseln. In diesem Fall sind das allerdings auch Bilder von unglaublicher Wirkkraft und Intensität. Wer sich auf „Eraserhead" einlässt, erlebt einen irrwitzig intensiven, so unheimlichen wie bedrückenden, surrealen Trip durch eine Albtraumwelt, die der unsrigen trotz aller Bizarrerien beängstigend nah scheint. Ein komplexes Meisterwerk, das man sich unbedingt mehrmals ansehen sollte.

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