Review

Goldene Kassen in der Schweiz

Der italienische Regisseur Marco Vicario („Die nackten Stunden“) bediente mit seinem 1965 veröffentlichten Spielfilm „Sieben goldene Männer“ das seinerzeit beliebte Heist-Genre, einen Unterbereich des Kriminalfilms, und kombinierte es mit der Komödie sowie der Swingin‘-Sixties-Ästhetik. Als Hingucker fungierte seine Ehefrau Rossana Podestà („Das Schloss des Grauens“).

„Der Professor“ (Philippe Leroy, „Das wilde Auge“), ein mit bürgerlichem Namen eigentlich Albert heißender Gentleman-Verbrecher, hat eine Bande aus sechs Einbruchsspezialisten aus verschiedenen europäischen Nationen zusammengestellt, deren Namen alle mit dem Buchstaben „A“ beginnen: Adolf (natürlich Deutscher, in der deutschen Fassung machte den Briten Arthur aus ihm; Gastone Moschin, „Milano Kaliber 9“), Aldo (Gabriele Tinti, „Black Emanuelle“), August (Giampiero Albertini, „Das Geheimnis der blutigen Lilie“), Anthony (Dario De Grassi, „Lanky Fellow“), Alfonso (Manuel Zarzo, „Blutiges Blei“) und Alfred (Maurice Poli, „Tote faulen in der Sonne“) sollen unter seiner Federführung und unter Mithilfe seiner Geliebten Giorgia (Rossana Podestà) als städtische Straßenarbeiter getarnt die im Hochsicherheitstresor der Genfer „Credit Suisse Bank“ lagernden nationalen Goldbestände stehlen. Der Weg führt durch die Kanalisation, doch der ausgeklügelte Plan, angeleitet und überwacht von einem zur Kommandozentrale umfunktionierten luxuriösen Hotelzimmer mit Blick auf das Bankgebäude aus, droht aufgrund unvorhergesehener Ereignisse immer wieder zu scheitern. Die Sicherheitsanlagen zählen zu den modernsten schlechthin, die Polizei beginnt ein Auge auf die „Arbeiter“ zu werfen und die Luft unter Tage wird knapp. Erschwerend hinzu kommt, dass sich unterschiedliche Vorstellungen über die Aufteilung der Beute herauskristallisieren…

Vicario stößt sein Publikum direkt ins kalte Wasser, indem er seinen Heist-Film unmittelbar und ohne vorausgeschaltete Erklärungen ungewöhnlicherweise mit dem Coup beginnt. Worum es geht und wie der Plan (von dem übrigens auch eine klassische Faltpapierversion in, nun ja, stark abstrahierter Form existiert, auf das der Professor immer wieder einen Blick wirft) genau aussieht, erschließt sich erst im Laufe der Zeit. Eben jene Zeit ist mit zahlreichen europäischen Galgenvogel-Charaktergesichtern, der erotische Farbtupfer setzenden, in jeder Szene einen anderen irren Fummel und die grellsten Kassengestelle tragenden Podestà sowie einer wahrlich fesselnden, zum Nägelkauen animierenden Inszenierung überaus unterhaltsam und kurzweilig gestaltet.

Der Humor ist keiner der albernen, klamottigen Schenkelklopfersorte, sondern spitzbübisch, süffisant und sympathisch, zudem mit Bedacht gezielt lediglich partiell eingesetzt, wenngleich über dem Ganzen stets die überzeichnete und dadurch bereits humoreske Konstellation schwebt. Auf die Coup-Turbulenzen folgen gleich mehrere Wendungen und schließlich tumultartige Szenen, die Exzentrik des Professors und die Extravaganz Giorgias ergänzen sich prächtig und vor dem Hintergrund der Swingin‘-Sixties-Style-Offensive ist das alles ein gut durchkomponierter, ziemlich gelungener Spaß.

Das häufig wiederaufgegriffene Titellied dürfte an manch Katersonntag jedoch eher Kopfschmerz denn Wohlgefühl bereiten, Leroy gibt sich – zumindest in der deutschen Synchronisation – etwas sehr, aber dafür umso weniger glaubwürdig um einen britischen Akzent bemüht, und, und das wiegt am schwersten: Dass das Harmoniebedürfnis letztlich die Geldgier zu überwiegen scheint und man sich mir nichts, dir nichts diverse Gemeinheiten gegenseitig verzeiht, ist ein für meinen Geschmack zu großes Zugeständnis an den luftigeren Komödienstil. Verglichen mit anderen Heist-Filmen fehlt mir hier die letzte Konsequenz. Nichtsdestotrotz ein schöner, auf der Tonspur auffallend lauter Film und ein idealer Einstieg beispielsweise in ein kleines Kinofestival!

P.S.: Ein echter Coup scheint auch die Entstehung des Films gewesen zu sein, denn angeblich war es verboten, einen Bankraub in der Schweiz zu drehen, weshalb Vicario auf ein gefälschtes Drehbuch zurückgriff…

Details
Ähnliche Filme