Gangsterboss Ricca wurde grade in einem Mordprozess freigesprochen und ist auf dem Weg nach Hause, als ein Polizist seinen Wagen anhält und ihn abknallt (mitsamt seinen Begleitern). Der Fall wäre was für Inspektor Harry Callahan (der den Polizeidienst also doch nicht quittiert hat), aber der ist inzwischen von der Mordkommission zur Fahndung versetzt worden und kümmert sich stattdessen um Flugzeugentführer und Ladenräuber. Als dann aber ein bekannter Verbrecherkönig nach dem anderen um die Ecke gebracht wird (wobei schon mal eine ganze Poolparty gleich mit in die Hölle fährt) und es offensichtlich ist, dass man es mit einer Mordserie zu tun hat, holt man Superbulle Harry doch noch ins Team. Erst gehen die Ermittler davon aus, dass ein Bandenkrieg hintern den brutalen Bluttaten steckt, aber Callahan ist sich sicher, dass der Täter in den Reihen der Polizei zu finden ist...
Schon im ersten Teil war klar, dass Dirty Harry zwar eine Vorliebe für unorthodoxe Ermittlungsmethoden und hartes Durchgreifen hat, aber grundsätzlich doch auf der Seite des Gesetzes steht. Hier in der Fortsetzung nimmt er gar explizit Stellung gegen Selbstjustiz und darf sogar eine kleine Rede halten, in der er erklärt, dass er das herrschende Rechtssystem zwar für alles andere als perfekt hält (er selbst handelt natürlich so kompromisslos wie gewohnt: „Wenn die richtigen Leute getroffen werden, ist gegen den Gebrauch der Waffe nichts zu sagen"), aber das Fehlen eines solchen für ihn keine akzeptable Alternative ist . Hätte man von mir aus nicht ganz so überdeutlich vermitteln müssen (soll das vielleicht sogar eine leise Kritik am ersten Teil sein?), aber was soll's.
Davon mal abgesehen, kommt die Figur des Callahan auch sonst etwas weicher rüber: Er ist nicht mehr der überzeichnete, fast schon comicartige Überbulle, sondern wird als normaler Mensch mit Privatleben dargestellt und kümmert sich als solcher um alte Freunde (Callahan hat Freunde? Staun!), bzw. um deren Familie (wobei „Onkel Harry" überraschend kinderlieb ist), fängt eine Romanze mit der jungen Nachbarin an, etc.
Überhaupt fehlt dem Film das Überdrehte - am ehesten schimmert dieses noch in der Szene mit den Flugzeugentführern durch, wo Harry sich stinkfrech als Pilot ausgibt und im Alleingang die beiden Möchtegern-Terroristen ausschaltet (macht ein bisschen den Eindruck, als habe man ein Pendant zu der Banküberfallszene aus dem ersten Teil bieten wollen). Der Humor wurde allgemein etwas zurückgefahren, eher peinlich ist der Klischee-Pimp. DIRTY HARRY 2 gibt sich als gewöhnlicher (wenn auch ziemlich ruppiger - der Bodycount beläuft sich auf 30 Tote) Polizeifilm.
Die Story stellt sich mehr oder weniger als Whodunit dar, wobei die Auflösung auf den ersten Blick nicht besonders überraschend ist: Es gibt nur zwei verdächtige Parteien, wobei Harrys Kumpel Charlie offensichtlich ein Red Herring ist (er hat eben eine Scheidung durchgemacht und ist psychisch derart labil, dass er einen Selbstmordversuch unternommen hat, ärgert sich lautstark darüber, dass sich die Polizei beim Vorgehen gegen Verbrecher zurückhalten muss, und befindet sich in der Nähe eines Tatortes). Andererseits wird eine Gruppe junger Polizisten vorgestellt, die hervorragende Schützen sind, insbesondere ihr Anführer Davies, der sich sogar mit Harry in einem Schiesswettbewerb messen kann. Tja, so schwer ist das Rätsel nicht (besonders, wenn dann Charlie selber Opfer des Killers wird). Für ein wenig Überraschung sorgt, dass hinter der Sache schlussendlich dann doch mehr steckt, als man erst vermutet, aber auch das wird zu früh verraten und ändert nichts daran, dass sich über drei Viertel der Laufzeit keine Spannung einstellen will.
Die Dramaturgie hätte etwas ausgebügelt gehört: Die Ermittlungen zum Fall nehmen nur langsam Fahrt auf, weil die Polizei relativ spät auf den Trichter kommt, dass die Morde überhaupt in einem Zusammenhang stehen und auch Callahan nimmt sich erst im letzten Drittel der Laufzeit der Sache an. Dann pressiert es plötzlich und Harry kommt zu Schlüssen, die im Grunde mehr oder weniger aus der Luft gegriffen sind. (Es gäbe allerdings ein paar deleted scenes, die das näher erklärt hätten.) Auch ist mir nicht ganz klar, welches Ziel er mit der Provokation des Ganoven Palancio verfolgt.
Viel Zeit wird mit überflüssigem Geplänkel verschwendet: Die Flugzeugentführungs-Sache geht ja noch an, aber die Ladenräuberszene ist eher pointless, und was Harry in seiner Freizeit macht, interessiert mich auch nicht wirklich, besonders dann, wenn das mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun hat damit. Unnötig ausgewalzt auch die Sequenz um den prostituiertenmordenden Zuhälter (während mir beim Poolparty-Massaker nicht einmal klar war, welcher Gangsterboss für welches Verbrechen gerichtet wurde).
Mal von der verkorksten Dramaturgie abgesehen bringt es Regisseur Ted Post (drehte auch HANG 'EM HIGH mit Eastwood, GOOD GUYS WEAR BLACK mit Chuck Norris und NIGHTKILL mit Robert Mitchum. Die Gerüchte besagen übrigens, dass Eastwood ihm hier bei der Regie ins Zeug geflickt hat) auch nicht fertig, dass der Film mal richtig Fahrt aufnimmt. (Wie schon erwähnt: Es wird zuviel Zeit mit uninteressantem Geplänkel vertan und man hätte sich früher auf den Fall konzentrieren sollen.) Es gibt dafür ein paar Schiessereien und Verfolgungsjagden mit Auto und Motorrad, aber den Vergleich mit der Action aus dem ersten Teil halten diese nicht stand. Die Kameraführung ist in Ordnung (es gibt extreme Unter- und Obersicht, Handkameraeinsatz und sonstige schöne Sachen), aber wirklich beeindruckende Bilder fehlen. Für die Musik war wieder Lalo Schifrin zuständig, sein jazziger Score kommt diesmal aber seltener zum Zug. Für etwas Auflockerung sorgt ein wenig Nudity (wobei ich auch mit einer geringeren Anzahl fetter nackter Männerärsche zufrieden gewesen wäre).
Clint Eastwood, auch hier wieder mit Sonnenbrille und minimalem Darstellung am Werk, ist nach wie vor die perfekte Besetzung für den Harry, auch wenn ich mich mit der bereits erwähnten „Vermenschlichung" seines Charakters nicht wirklich anfreunden kann.
Hal Holbrook (THE FOG, CREEPSHOW, THE FIRM) gibt Briggs, den unvermeidlichen arschigen (und zwielichtigen) Vorgesetzten, Felton Perry (hatte eine kleine wiederkehrende Rolle in der ROBOCOP-Filmreihe) spielt Harrys neuen Partner (der als solcher das Ende des Filmes natürlich nicht miterlebt), Mitch Rayn (LEATHEL WEAPON, HALLOWEEN: THE CURSE OF MICHAEL MYERS) kommt als Charlie angemessen labil rüber. John Davis wird dargestellt von David Soul (gab später den Hutch in STARSKY & HUTCH), der als solcher nicht übermässig eindrücklich ist (gegen Scorpio aus dem Vorgänger stinkt sein Bösewicht jedenfalls erheblich ab).
Fazit: DIRTY HARRY 2 kann sich in keiner Weise messen mit dem bahnbrechenden Vorgänger aufgrund der Verwässerung von Harrys Charakter, dramaturgischen Problemen und der Tatsache, das Ted Post einem Don Siegel nicht das Wasser reichen kann. Trotzdem ist der Streifen immer noch ein guter Polizeithriller.