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„Solche Pfaffen lehne ich ab!“

Eine der letzten Regiearbeiten des Italieners Alberto De Martino („Der Antichrist“) ist der Spät-Giallo „Das Haus der Verfluchten“ aus dem Jahre 1985. Das italienische Genrekino befand sich bereits auf dem absteigenden Ast und im Giallo war eigentlich alles bereits auserzählt worden. Doch De Martino ließ einige zeitgenössische Einflüsse zu und wollte es noch einmal wissen.

„Du wirst nie wieder nach Hause gehen!“

Die junge Joana (Christina Nagy) ist zwar an den Rollstuhl gefesselt, lässt sich von ihrem Handicap jedoch nicht unterkriegen und lebt ein aufgewecktes Leben voller Aktivitäten – vor allem innerhalb ihrer Sportgruppe für Querschnittsgelähmte, wo sie sich in ihren Trainer Craig (David Warbeck, „The Beyond – Über dem Jenseits“) verliebt. Ihre Freundin und Pflegerin Ruth (Caroll Blumenberg), die auf Joanas Zuneigung hoffte, betrachtet diese Entwicklung mit Argwohn. Tatsächlich ist auch Craig Joana sehr zugetan und macht ihr einen Heiratsantrag. Daraufhin tritt Joanas behandelnder Arzt Dr. Sernich (Rossano Brazzi, „Mondo Cane“) an Craig heran und unterrichtet ihn über grausame Ereignisse aus Joanas Kindheit: Sie wurde von einem als Pfarrer verkleideten Kinderschänder missbraucht und fiel auf der Flucht eine Treppe herunter, woher ihre Lähmung rührt. Sie hat dieses Trauma vollständig verdrängt – doch gelangt es wieder in ihr Bewusstsein, riskiert sie, einen Herzinfarkt zu erleiden. Nach der Vermählung mit Craig scheint eben jener Triebtäter immer wieder in Joanas Nähe aufzutauchen und sie zu terrorisieren. Der Grund: Joana ist finanziell nicht schlecht gestellt – und an Übeltäter geraten, die sie in den Wahnsinn bzw. Tod treiben wollen, um sich über ihr Vermögen hermachen zu können…

„Mein psychisches Gleichgewicht ist sehr labil...“

Ein sehr durchästhetisierter Prolog deutet in Zeitlupen Joanas schreckliche Missbrauchserlebnisse an. In der erzählerischen Gegenwart definiert De Martino sodann die Genrezugehörigkeit des Films, indem er in Point-of-View-Perspektive einen heftigen Priestermord durch einen schwarzbehandschuhten Mörder inszeniert. Anschließend wird einem Joana nähergebracht, die irgendetwas im Schaufenster sieht, das sie zu irritieren scheint... Doch das mit dem Priestermord initiierte Whodunit? wird nach der Charakterisierung Joanas überraschend schnell aufgeben und Craig als Mörder enttarnt. Dass es zwei Täter gibt, da Ruth gemeinsame Sache mit Craig macht, bleibt ebenso wenig ein Geheimnis. Diese ungewöhnlich frühe Bekanntgabe von Täter(n) und Motiv führt jedoch kaum zu Spannungsabfall, sondern gibt De Martino die Gelegenheit, sich stärker in Richtung Slasher (das mit subjektiver Kamera gefilmte Erschlagen eines jungen Pfaffen ist nicht von schlechten Eltern), vor allem aber Psycho-Thriller zu orientieren und dabei den Überlebenskampf der querschnittsgelähmten Joana in den Mittelpunkt zu stellen. Der Wissensvorsprung des Publikums schafft Raum für Suspense-Momente.

De Martino und sein Team reizen auch die optischen Möglichkeiten ein gutes Stück weit aus, nicht nur in den Gewaltspitzen: Alpträume werden visualisiert, Spiegelungen in Sonnenbrillen stellen einen schönen grafischen Effekt dar, weitläufige Gebäude werden zu klaustrophobischen Fallen verengt. Die recht krude Handlung erhält nach rund zwei Dritteln eine plötzliche überraschende Wendung und einige genüsslich ausgewalzte Spannungsszenen, was in ein vom Wahnsinn geprägtes Finale mündet, in dem der Terror regiert und ein expressiver Warbeck noch einmal so richtig aufdreht. Dass Joana auf ihren Rollstuhl angewiesen ist, erhöht die Perfidie der Täter und die Diskrepanz zwischen Opfer und Täter beträchtlich, was sich in der Konsequenz positiv auf die Empathieentwicklung zugunsten Joanas auswirkt.

Nein, „Das Haus der Verfluchten“ verfügt über kaum Alleinstellungsmerkmale. Es handelt sich vielmehr um ein Genrefilm-Puzzle, dem immerhin das Kunststück gelingt, trotz früher Aufdeckung seines „Geheimnisses“ spannend und unterhaltsam zu bleiben, wenngleich er dadurch etwas inkonsistent erscheint. Carroll Blumenberg bringt Sex-Appeal ein, Warbeck haut kräftig auf die Kacke und Christina Nagy ist mitleiderregend und wehrhaft zugleich – ein Trio, dem man gern in diesem in Boston und New York spielenden Spät-Giallo aus der zweiten Reihe in tollem Look, mit sehr hörenswerter musikalischer Untermalung Francesco de Masis und mit einigen deftigen Gewalterruptionen angereichert, zusieht. Schade, dass Nagy und Blumenberg nicht in weiteren Produktionen zu sehen waren.

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