Harrison Ford strebte, es nach seinem dritten Kreuzzug in Abenteuerkluft, in völlig andere Rollen und glänzte neben „In Sachen Henry“ als Widerling, der sich selbst neu entdeckt, während ihm in „Aus Mangel an Beweisen“ keine großartige Leistung abgefordert wurde, bevor er später als CIA-Agent Jack Ryan wieder zu größeren Kassenschlagern zurückfand.
„Presumed Innocent“ beginnt sehr unspektakulär und zeigt den stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt Rusty Sabich (Harrison Ford), der von seinem Vorgesetzten mächtig unter Druck gesetzt wird. Die Wahlen stehen vor der Tür, sein Chef Raymond Morgan (Brian Dennehey) kandidiert, wird aber schon jetzt von seinem Kontrahenten zerpflückt. Zu allem übel gibt es im eigenen Haus den Mord an einer Kollegin zu beklagen, mit dessen Aufklärung Sabich betraut wird. In nur wenigen Tagen soll er den Mörder ausfindig machen, was sich als überraschend schwierig erweist.
Bis es zur überraschenden Wendung kommt, in der Sabich plötzlich selbst zum Hauptverdächtigen wird, bleibt das Geschehen verdammt trocken und träge, beschäftigt sich mit dem familiären, gestörten Umfeld Sabichs, seinen Kontrahenten, Kollegen und Ermittlungsarbeiten, die zu keinem stichhaltigen Indiz führen. Seiner Beziehung zum Opfer wird (noch) keine Beachtung geschenkt und brisante Offenbarungen Morgans fallen genauso uninteressant wie die Unterschlagung einer Bestechungsakte aus. Das größtenteils lustlose Schauspiel aller passt sich den monotonen Ermittlungsarbeiten an. Ohne einen Schritt voran zu kommen, wird bieder gesponnen, was und wer sich des Nachts Eintritt in die Wohnung verschafft haben könnte; stets behindert von der Konkurrenz.
Als aber bisher nicht weiter beachtete Beweise auftauchen und ausgewertet werden beginnt aber auch der Zuschauer an den Absichten und Motiven des nun Hauptverdächtigen Sabich zu zweifeln, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Verdreht doch selbst sein Chef, sauer über die verpatzte Wahl, die Wahrheit. Als interessante Komponente erweist sich schon bald ein zynischer Anwalt Raul Julia, der seinen ärgsten Widersacher nun vor Gericht zur Seite stehen soll. Beweise verschwinden, in Flashbacks wird der kalkulierende Kopf der Toten erläutert und Julia zaubert Anwalttricks aus der Kiste, um seinem Mandanten den Allerwertesten zu retten.
In vielen Dialogen wird mit den verschiedensten Namen und Motiven unbekannter oder kaum vorgestellter Figuren gespielt, bei denen man als Zuschauer sich oft sträflich allein gelassen vorkommt, da der Bezug fehlt. Das Geschehen im Gerichtssaal ist ohne Frage brauchbar spannend inszeniert, aber es fehlen die überraschenden Momente und Erkenntnisse, die vom Hocker hauen oder zumindest erstaunen. Wäre da nicht der nette Plottwist am Ende, kann man „Aus Mangel an Beweisen“ zwar nicht Vorhersehbarkeit vorwerfen, aber Spannung ist weitestgehend auch nicht vorhanden.
Zwei lange Stunden dem Schicksal Sabichs zu folgen erweist sich hinterher eher wie eine Geduldsprobe, als wie ein spannender Gerichtsthriller, der er im Übrigen erst nach einem Drittel wird. Zwar wird bis kurz vor Schluss nicht klar gestellt, wer denn nun den Mord beging, was immerhin Restspannung aufrecht erhält, aber wieso fehlt dem Script jeglicher Mut etwas Brisanz in das Szenario zu mengen, dass die gesamte Riege namhafter Schauspieler aus ihrer Lethargie erweckt?
Fazit:
Mittelmäßiger, zäher, zu langer Justizthriller, dem wohl nur Genrefans etwas abgewinnen dürften. Die Geschichte wird überraschungslos und ohne nennenswerte schauspielerische Leistungen (Raul Julia außen vor) inszeniert, so dass der überraschende Storyumschwung, in dem Ford auf einmal zum Angeklagten mutiert, und der Schlusstwist die einzigen Höhepunkte bleiben. Mau, träge und schwer zu konsumieren.