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Regisseurin Cheryl Dunye konnte nach einigen Kurz- und Experimentalfilmen erstmals im Jahr 1996 Aufmerksamkeit erregen. “The Watermelon Woman”, ein semidokumentarisches Drama um eine schwarze Filmemacherin (Dunye selbst), die durch ihren Job in die lesbische Szene eingeführt und dort mit ihrer eigenen Gefühlswelt konfrontiert wird, wurde von Kritikern und Publikum gleichermaßen begeistert aufgenommen. Selten, so berichten Quellen aus dem Internet, erschien die Thematisierung gleichgeschlechtlicher Liebe authentischer. Das mag an der eigenwilligen Mischung aus Fiktion und Realität liegen, die Cheryl Dunye etwas humorvoll “Dunyementary” nennt und die es etwas schwer macht, zu beurteilen, ob nicht auch autobiografische Züge eingeflossen sind.

“My Baby’s Daddy” ist nun ihr dritter Film, und erstmals übernimmt der Humor, welcher etwas zurückgedrängt schon vorher zu finden war, das Ruder. Irgendwie ist es eine typische Erziehungskomödie à la “Big Daddy” geworden; andererseits ist dann doch etwas mehr Substanz zu finden als in den Albernheiten eines Adam Sandler.

Das Skript brauchte immerhin fast fünf Jahre, aber Hand aufs Herz, so essenziell ist die ganze Geschichte dann auch wieder nicht ausgefallen. Es läuft sogar mitunter ab wie der übliche Comedy-Schmund aus der Gangsta-Rap-Kiffer-Ecke: Wilde Partys mit R’n’B und Hip Hop, weiße Möchtegern-Snoops, Miniatur-2Pacs und Raubüberfälle, bei denen der Kriminelle von den Kunden noch höflich beratschlagt wird. Charmant ist die Pose aber durchaus. Man ist zwar versucht, bei jeder vorkommenden Figur von einem Klischee zu sprechen, und irgendwo hätte man auch Recht damit. Aber im Gegensatz zu so ziemlich jedem Ableger der “American Pie”-Reihe passt es einfach. Dunyes Regie ist ein bunter Mix aus den Grundfarben, die sich wie drei Puzzleteile zu einem Ganzen zusammenfügen. Dass die Charaktere bei näherem Hinsehen tatsächlich abgedroschene Klischees sind, verzeiht man auf dem Fuße.
Die Einleitung ins Geschehen unterstützt den Eindruck: Eine liebevoll animierte Zeichentricksequenz informiert den Zuschauer über die Vorgeschichte der drei Hauptfiguren (Eddie Griffin als “Lonnie”, Anthony Anderson als “G” und Michael Imperioli als “Dominic”). In drei oder vier verschiedenen Stadien wird deren Werdegang veranschaulicht, ihr Heranwachsen zu wenigstens körperlich Erwachsenen, seit sie als Babys zusammengefunden und sich nie mehr getrennt haben. Das gilt dann auch für die geistige Ebene, die irgendwo im Kindergartenalter stagniert ist.

Es ist nun die plötzliche Veränderung der Ausgangslage, die es erfordert, dass jene Stagnation aufgehoben wird. Die drei Freunde werden jeweils aus einer anderen Situation heraus gleichzeitig Vater und müssen ihr sorgenfreies Leben aufgeben, weil sie von nun an Verantwortung über ein anderes Leben besitzen. Lonnie, G und Dominic stehen kurz vor dem Sprung auf der evolutionären Leiter.
Hier kommt es nun zum qualitativen Kernpunkt des Films. Obwohl die Neuigkeiten bei allen dreien gleich ausfallen und auch noch wie nach Uhrenvergleich ablaufen, ist die Situation, wie gesagt, bei allen anders. Anthony Anderson spielt einen aufstrebenden Boxer (übrigens mit einer netten “Rocky”-Parodie), der vor seinem großen Traum aber noch im Lebensmittelladen eines alten Chinesen jobben muss. Dort verliebt er sich in dessen Tochter (Bai Ling, “Taxi 3", “Dark Species”), die ihn dann schon bald mit der Hiobsbotschaft überrascht. Michael Imperioli spielt eine Art Italo-Amerikaner, der ganz dick im Music Business drin ist, als seine Freundin ihm zuerst von ihrer Schwangerschaft berichtet und dann ihre lesbischen Neigungen beichtet. Eddie Griffin zuletzt mimt einen schüchternen Basketball-Schiedsrichter, der von seiner Schlampe von Frau (Paula Jai Parker) nur an der Nase herumgeführt wird, bis sie ihm als Krönung, um monatlich bei ihm abkassieren zu können, ein Kind vorsetzt.

Das Hauptdarsteller-Dreigespann ergibt also zusammen mit seinem Anhang ein buntes Potpourri an Nationalitäten, Lebenseinstellungen, Charakteren und sozialen Schichtungen. Für Regisseurin Dunye ist dies ein Mittel zu zeigen, dass die Verantwortung über ein Kind eine universelle Sache ist, die nicht auf spezielle Gruppen beschränkt bleibt und ungeachtet der Hintergründe uneingeschränkte Gültigkeit genießt. Nach eigener Aussage wollte sie tatsächlich genau dies deutlich machen, und zwar bevorzugt am Beispiel der afroamerikanisch-stämmigen Hip Hop-Generation, der das Klischee nachgetragen wird, nicht dazu willens oder fähig zu sein, sich um ein Kind zu kümmern. Das Problem seien eben jene Vorurteile, die es einfach nicht erlauben, die Begriffe “Hip Hop-Generation” und “Vaterschaft” stimmig miteinander zu verbinden. Eddie Griffin bemerkt dazu, erstmals mit 16 Jahren Vater geworden zu sein und anschließend gedacht zu haben, das Leben sei vorbei, woraufhin er zur Navy ging - vielleicht auch beeinflusst durch die präjudizierende Gesellschaft.

Nun macht es sich Dunye eben zur Aufgabe, diese allgemeine Meinung zu widerlegen, was ihr allerdings nur bedingt gelingt. Die anfangs angesprochenen Klischees mögen zwar rein filmisch verträglich und damit kaum störend sein, für die Aussage sind sie aber wenig wertfördernd. Wenn sich die drei Väter auf eine Party begeben und ihre Kinder unbeaufsichtigt im Nebenzimmer sitzen lassen, bevor die sich dann im Sinne der Comedy auf den Weg machen und zwischen Kondomautomaten, Bierflaschen und tanzenden Leuten umherkriechen, fühlen sich die Klischeedenker in ihrer Meinung bestärkt. Natürlich werden Lonnie, G und Dominic letztendlich, da es sich trotz einiger Ausflüge ins Derbe (wir sehen den Sekundenbruchteil eines Pornofilms, und geflucht wird auch, weshalb die FSK6-Freigabe schon beachtlich ist; in den USA heißt es immerhin “PG-13 for sexual content, language and some drug references”) um einen halbwegs familientauglichen Film handelt, erwachsen und damit verantwortungsvoll. Aber die Wende wird auch nicht geschickter vollzogen als in den zahlreichen anderen Familienkomödien, die zeigen wollen, wie sich ein hoffnungsloser Trottel mit Herz zum verantwortungsvollen Menschen wandelt.
Einzig die Verpflichtung von Anthony Anderson kann in der Hinsicht überzeugen. Spielte er doch in so vielen seiner früheren Filme den schwachsinnigen Volltrottel, so tut er das hier auch, aber diesmal zweifellos mit Würde und Ehrgefühl. Es ist nur eine charakterliche Nuance, die sich geändert hat, aber die gibt den Ausschlag. Dieser Anthony Anderson ist im Herzen vernünftig; jetzt muss er sich nur noch so verhalten.

Die für Cheryl Dunye persönliche Komponente liegt in der Dreiecksbeziehung zwischen Nia, Venus und Dominic, welche sich nach eigener Aussage als Ausschnitt aus ihrem Leben entpuppt. In Anbetracht der kurzen Laufzeit dieser Einzelepisode lässt sich die Thematik aber nicht mal annähernd in der Ausführlichkeit der “Watermelon Woman” oder etwa von Kevin Smiths “Chasing Amy” portraitieren, wodurch sie recht oberflächlich bleibt. Gleiches gilt auch für die weiteren Ausflechtungen der beiden anderen Kumpels. Die Selbstfindung des Lonnie zwischen seiner (bösen) alten Freundin und seiner (guten) neuen Freundin erreicht immerhin noch die Qualität einer beliebigen Romantikkomödie, in der ein hilfloser Tor von einer dominanten Frau in die Hände einer blütenweißen Neuen getrieben werden soll. Die Sache mit XiXis (Bai Ling) Vater und seiner dunklen Vergangenheit sowie die komplette Charakterisierung der chinesischen Familientradition kratzt dagegen nicht mal an die Oberfläche.

Die unter all den kulturellen Einflüssen dominante Hip Hop-Kultur wird schon beinahe leicht satirisch behandelt. Die weißen Rapper “Brotha Stylz” (Randy und Jason Sklar) stellen sich vor wie ein Snoop Dogg-Klon, während ein kniehoher Wichtelzwerg bereits mit Ghettoslang DVDs und Rolexuhren auf der Straße vertickt. Obwohl man nicht verleugnen kann, all dies schon mal gesehen zu haben, bietet gerade der Zwerg den ein oder anderen Lacher, ebenso wie ein schön knurriger Tom Lister Jr. als rigoroser Plattenboss.
Als wahrhaftiger Rapper wurde Method Man (“So High”, “Scary Movie 3") verpflichtet, der als eine Art Kontrollgruppe fungiert, da er im Knast hängen geblieben die Entwicklung verpasst hat, die Lonnie, G und Dominic widerfahren ist. Natürlich gehen viele Albernheiten auf seine Kappe, was so und nicht anders zu erwarten war. Immerhin lässt sich an seiner Figur die Entwicklung seiner drei Kollegen ablesen.

Stilistisch wird viel mit Match Cuts und ähnlichen Späßen gewerkelt, damit die Parallelität der dreifachen Ereignisse deutlich wird. Gerade bei der Überbringung der Baby-Botschaft und bei der Geburt sticht dies hervor. Ansonsten ist die Regie ebenfalls rasant und zackig, ohne einen visuellen Overkill oder ein Schnitte-Delirium hervorzurufen. Die Dynamik bleibt daher stets erhalten und damit auch die Kurzweil.

Im Endeffekt ist “My Baby’s Daddy” eine recht konventionelle Komödie aus dem Hip Hop-Lager, die sich aber bemüht, sämtliche kulturellen Einflüsse zu integrieren und damit eine filmische “Salad Bowl” zu erstellen. Immer wieder sticht jedoch die Handschrift von Regisseurin Cheryl Dunye hervor, die sich besonders in der Dominic-Geschichte zeigt, viel wichtiger aber in dem Gleichschritt der drei Hauptdarsteller, der zeigt, dass Verantwortungsbewusstsein keine Sache von abgegrenzten Menschengruppen ist, sondern ausnahmslos auf jede Minderheitengruppe zutrifft. Der Humor ist von einigen Szenen abgesehen eher altbacken, das Gesamtbild jedoch bunt und stimmig. Summa summarum: Knapp überdurchschnittlich.

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