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In Sevilla: Juan Gallardo, ein Junge aus armen Verhältnissen, hat keinen sehnlicheren Wunsch, als ein grosser Torero zu werden, ganz wie sein Vater. Dass dieser damals durch die Hörner eines Stieres starb, hält ihn ebenso wenig von seinen Plänen ab wie die Beschwörungen seiner Mutter und so macht er sich zusammen mit ein paar Freunden auf nach Madrid, um sich dort zum Stierkämpfer ausbilden zu lassen.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten schafft Juan es tatsächlich, zum gefeierten Star aufzusteigen und kehrt im Triumph nach Hause zurück, kauft sich eine grosse Villa, lebt im Luxus, verteilt sein Geld grosszügig an Verwandte, Freunde und an die Armen und heiratet seine Jungendliebe Carmen. Doch sein Glück währt nicht ewig: Er verfällt der männerfressenden Doña Sol des Muire; seine Frau erträgt die Affäre nicht und verlässt ihn. Seine privaten Probleme, die nicht zuletzt in gesteigertem Alkoholkonsum resultieren, wirken sich auf seine Leistung in der Arena aus, die vormals jubelnden Massen buhen ihn aus und die Schuldenberge, die er im Laufe der Jahre angehäuft hat, drohen ihn zu erdrücken. Erst als sein Jugendfreund Nacional während eines Stierkampfes bei dem Versuch, Juan zu retten, getötet wird, besinnt sich dieser und versucht, das Ruder herumzureissen. Doch es ist bereits zu spät…


BLOOD AND SAND ist einer jener seltenen Filme, an die ich ohne grosse Vorkenntnisse oder Erwartungen herangehe (einzig Regisseur Rouben Mamoulian war mir bekannt), die mich dann aber restlos begeistern und schwer beeindrucken. Das beginnt schon bei der wahrlich epischen Geschichte um den Aufstieg und Fall eines ehrgeizigen jungen Mannes, dessen Leben als Gefangener seines eigenen Ruhmes nicht anders als tragisch enden kann: Da er nichts anderes gelernt hat als den Stierkampf, ja nicht einmal schreiben und lesen kann, ist er, will er nicht alles verlieren, dazu gezwungen, immer wieder von neuem in die Arena zu gehen und sein Leben aufs Spiel zu setzen, selbst dann noch, als ihm die Felle schon längst davonschwimmen. Dem erbarmungslosen Publikum ist dies alles egal, das will nur seinen Spass haben, egal, ob dabei Tier und Mensch ums Leben kommen. Hier kann man den Film interpretieren als beissenden Kommentar zur Sensationsgeilheit der Massen und zum Starkult, den gerade Hollywood zelebrierte und dem seit jeher (und bis heute) so mancher zum Opfer gefallen ist. Etwas bewusster ist sich dessen Juans Kumpel Nacional, der immer wieder betont, wie widerwärtig die Quälerei doch eigentlich sei und dass er schon längst aufgehört hätte, wenn es für ihn andere Aufstiegsmöglichkeiten gäbe. Er ist es auch, der uns auf die weniger ruhmvollen Seiten des „Sports“ hinweist, wenn uns beispielsweise zeigt, wie der tote Stier nach Feierabend geschlachtet und sein Fleisch den Armen hingeworfen wird: ein entwürdigendes Schauspiel.

Getragen wir der Film von Tyrone Power (JESSE JAMES, THE MARK OF ZORRO, RAWHIDE), der seine hervorragend geschriebene und ausgearbeitete Rolle mit grosser Spielfreude und bis in die kleinsten Gesten stimmig ausfüllt. Sein Juan ist ein Aufschneider, der vor lauter Selbstvertrauen beinahe platzt, aber auch auf der Höhe seines Erfolges bloss ein unbeholfener und recht naiver Junge ist, der kaum mitkriegt, wie ihm geschieht: Für die durchtriebene Doña Sol ist er eine leichte Beute (entlarvend die Szene, in der sie den Torero und Juan den Stier spielt: sie erlegt ihn quasi), für die feinere Gesellschaft hingegen, mit seinen schlechten Manieren und seiner Ungebildetheit, höchstens ein Amüsement. Sein Geld rinnt ihm geradezu aus den Fingern, auch weil er sich von den Schmarotzern und falschen Freunden um ihn herum wie eine Weihnachtsgans ausnehmen lässt, auf seine Mutter oder echte Freunde wie Nacional hört er nicht. Mehr als überzeugend ist übrigens auch Rex Downing (alles andere als ein nerviger Kinderdarsteller, hat aber leider keine grosse Karriere gemacht) als junger Juan, der vor nichts und niemandem Respekt hat und öfters mal nonchalant eine Zigarre oder einen Apfel vom Markt mitgehen lässt.

Ebenso eindrücklich ist Rita Hayworth (YOU’LL NEVER GEHT RICH, THE LADY FROM SHANGHAI, THE LOVES OF CARMEN) als Doña Sol, ein eiskaltes Miststück, das mit seinem aufgesetzten, breiten Lächeln und seinen überlegten Bewegungen wie eine Gottesanbeterin wirkt. Aber äusserst attraktiv ist. Und die Gitarre beherrscht (grossartig das Lied, das sie Juan vorspielt). Natürlich lässt sie Juan fallen (wie sie auch ihren letzten Geliebten vor ihm für ihn hat fallen lassen), sobald dieser sich auf dem absteigenden Ast befindet, und verlässt ihn ausgerechnet für Manola de Palma, seit Jugendjahren ein Rivale Juans und sein Nachfolger in der Arena. (Was Juan derart wütend macht, dass er ein Glas, welches er in der Hand hält, zerbricht – ganz grosse Szene.)

Dieser hübsch böse und spöttelnde Manola wird übrigens vom inzwischen verstorbenen Oscarpreisträger Anthony Quinn (VIVA ZAPATA!, ATTILA, LUST FOR LIVE, NOTRE DAME DE PARIS, THE GUNS OF NAVARONE, ALEXIS SORBA) gespielt. Als Nacional findet sich in einer anderen Nebenrolle B-Film-Legende John Carradine (THE GRAPES OF WRATH, HOUSE OF FRANKENSTEIN, HOUSE OF DRACULA, THE ASTRO-ZOMBIES, SHOCK WAVES, THE BOOGEYMAN, THE ICE PIRATES), der mit wenig Screentime maximale Wirkung erzielt; unglaublich, der Mann. Irgendwo strolcht übrigens auch George „Superman“ Reeves (nicht zu verwechseln mit Christopher Reeve) herum.

Etwas unzufrieden bin ich einzig mit Linda Darnell (THE MARK OF ZORRO, MY DARLING CLEMENTINE; BLACKBEARD, THE PIRATE) als Carmen. Die ist zwar hübsch und gibt sich redlich Mühe, aber das Drehbuch lässt sie etwas im Stich: Als devotes Frauchen, das ihrem Mann den Seitensprung bald einmal und ohne weiteres verzeiht (Happy End muss sein), ist sie mir nicht besonders sympathisch. Ausserdem ist sie für einige der pathetischsten Sätze verantwortlich (zum Thema Pathos später noch mehr).

Zur Inszenierung: Die Technicolor-Farben mögen manchmal etwas gewöhnungsbedürftig sein (insbesondere der Blaustich der Nachtszenen wirkt beinahe schon surrealistisch), allerdings gefällt mir die knallige Farbgestaltung zum grössten Teil durchaus. Zusammen mit der kontrastreichen Lichtführung, der opulenten Ausstattung und der genialen Bildkomposition sorgt sie öfters mal für den Eindruck, nicht einfach nur einen Film, sondern ein Gemälde vor sich zu haben (und tatsächlich soll sich Regisseur Mamoulian - APPLAUSE, DR. JEKYLL AND MR. HYDE, THE MARK OF ZORRO - an dem Stil spanischer Maler orientiert haben). So entstehen beeindruckende Einstellungen, die einem im Gedächtnis bleiben: Wenn zum Beispiel am Anfang des Filmes der junge Juan das Bild eines Toreros bewundert und der Schatten eines ausgestopften Stierkopfes hinter ihm an die Wand fällt… direkt über einem Kreuz (womit schon eine der ersten Szenen einen Hinweis auf das Ende gibt), wenn Juan im Ankleidezimmer vor seinen Bewunderern sitzt wie ein König auf dem Thron, oder wenn er und seine Kollegen vor dem Gang in die Arena in der Kapelle vor dem Altar knien. Die Kameraführung fällt nicht gross auf, setzt mit einigen gezielt eingesetzten Fahrten aber dynamische Akzente.

Das Tempo ist hoch, der Plot geht zügig voran und lässt keine Längen aufkommen. Schon zu Beginn gibt’s eine launige Prügelei in einer Bar (und geprügelt wird sich noch ein paar Mal), für die sich übrigens der junge Juan, der einem Kritiker seines Vaters eine Flasche über die Rübe zieht, verantwortlich zeichnet, und auch den Rest des Filmes hindurch ist immer was los. Vielleicht schon wieder etwas zu kurz kommen allerdings die Stierkämpfe weg, von denen Angesichts der Tatsache, dass der Streifen sich ja um diese dreht, doch überraschend wenig zu sehen ist. Und natürlich blendet die Kamera sofort weg, wenn’s etwas brutaler wird und zeigt uns höchstens das Entsetzen in den Gesichtern der Zuschauer. (Beispielsweise, als Juan einen Stier mit dem Säbel tötet – dafür sehen wir einen schmausenden Zuschauer, der aus lauter Begeisterung mit dem Besteck auf einen Trinkschlauch mit Wein einsticht, bis roter Saft aus diesem spritzt.)

Etwas abschrecken dürften den einen oder anderen die Breitseiten an Kitsch und Pathos, welche der Film auf den Zuschauer abfeuert. Da werden die Gefühle öfters mal mit der grossen Kelle angerichtet (wenn zum Beispiel der junge Juan der jungen Carmen seine Liebe gesteht und sie darum bittet, dass sie auf ihn warten möge, bis er als berühmter Torero zurückkehrt) und besonders feierlich sind natürlich die Sterbeszenen. Mir persönlich gefällt das nicht schlecht (und im schlimmsten Falle kann man sich immer noch darüber amüsieren), aber es ist sicher nicht jedermanns Sache. Wobei auch gesagt werden muss, dass das Pathos öfters mal ironisch gebrochen wird (wenn der junge Juan nach seiner Liebeserklärung vom Baum fällt, oder siehe auch die erwähnte Szene mit der todernsten Tötung des Stieres einerseits und dem trinkschlauchmassakrierenden Zuschauer andererseits). Überhaupt ist der Film durchaus nicht humorlos und schlägt gerne mal einen lockeren Ton an. (Was gegen Ende natürlich abnimmt.)

Die Filmmusik des mehrfachen Oscarpreisträgers Alfred Newman (der Typ, der das Theme von 20th Century Fox komponiert hat, ausserdem die Musik für THE HUNCHBACK OF NOTRE DAME, THE MARK OF ZORRO, ANASTASIA) macht ordentlich was her und fasziniert besonders in den eher subtilen Partien (siehe die Szenen in der Kapelle, die nicht zuletzt dank der minimalistischen, aber stimmungsvollen Musik die Spannung vor dem Spiel sehr überzeugend rüberbringen). Immer präsent sind auch die mitreissenden Klänge spanischer Volksmusik (hier nochmals einen Verweise auf „Verde Luna“, der Song, den Hayworth singt).


Fazit: Man sollte sich nicht allzu sehr an Pathos stören, um den Film richtig geniessen zu können, aber ansonsten ist BLOOD AND SANG ein grandioses Stück Kino, das mit seinen hervorragenden Schauspielern, seiner rasanten, bemerkenswerten Inszenierung, seiner prächtigen Ausstattung und seiner fantastischen musikalischen Untermalung begeistert und in den Bann zieht. Ein Meisterwerk, das man sich unbedingt mal antun muss.

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