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H.P. Lovecraft, der zu Lebzeiten wenig, dafür heute umso bekanntere Schriftsteller von "weird fiction", wurde zu seiner Zeit in eine Ecke mit sonstiger, schnell heruntergeschriebener Schundliteratur gestellt; obwohl seine Werke heutzutage als fantastische, teils überbordende, aber immer originelle Literatur die Anerkennung finden, die ihnen gebührt, findet ihre filmische Umsetzung selten zu einer dem Original gerechten Form. Eigentlich verwunderlich, bedienen sich doch so viele Menschen aus Literatur, Film und Musik seiner Elemente, die aus dem Kontext gerissen häufig den trashigen Touch bekommen, der Lovecraft selbst zu Unrecht unterstellt wurde: Von Metallica bis hin zu Regisseuren wie Stuart Gordon, Bryan Yuzna oder auch Sam Raimi zeigen sie Interesse für das Universum, das der Schriftsteller mit seinen Kurzgeschichten schuf, ohne ihm je wirklich gerecht zu werden. Dies darf nicht falsch verstanden werden: Gerade die zitierten Beispiele haben Stimmungsvolles, Eigenständiges geschaffen; nur als Literaturumsetzung sind sie kaum zu bezeichnen.

"Lurker Films", ein US-amerikanisches Fanlabel, hat es sich offensichtlich zur Aufgabe gemacht, jenem Anspruch gerecht zu werden: Auf mehreren DVDs, die die "H.P. Lovecraft Collection" bilden, haben sie Kurzfilme versammelt, die als originalgetreue und liebevoll erstellte Literaturverfilmungen angepriesen werden. Es ist naheliegend, Lovecrafts Kurzgeschichten gerade als Kurzfilm umzusetzen; schließlich ist ein Grund für die Ferne der anderthalbstündigen Spielfilme zur Schrift das neu geschriebene Material, das benötigt wurde, um den Film auf entsprechende Länge zu bringen. Dies aber ist bei Kurzfilmen unnötig: Hier kann der Stoff ohne künstliche Streckung umgesetzt werden. Dazu sind viele der versammelten Filme in schwarzweiß gedreht, was dem Gezeigten ein altertümliches Flair verleihen sollte, um den Zuschauer noch besser in die 20er Jahre zurückzuversetzen. Aber können die Filme den Erwartungen auch gerecht werden?

Beginnen möchte ich am Anfang - mit dem ersten und längsten Kurzfilm der ersten DVD der genannten Sammlung, "Cool Air". Er basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte und ist inhaltlich sehr exakt an sie angelehnt. Innere Monologe oder eine Erzählerstimme, die man wie bei vielen Literaturverfilmungen vielleicht erwarten würde, um die immense Textmenge in einem bildlastigen Medium unterzubringen, gibt es nicht. Stattdessen liefert uns Regisseur Bryan Moore gut geschriebene Dialoge, die es bestens verstehen, eine so spannungsgeladene wie träge Atmosphäre zu erschaffen. Diese Stimmung passt perfekt zu der Geschichte, die sich in minimalistischen Bildern entfaltet:
Randolph Carter, dessen Name in vielen Geschichten Lovecrafts auftaucht und hier klar dessen Person nachempfunden ist (er ist Schriftsteller fantastischer Literatur über unsägliche Schrecken, mit der er sich kaum über Wasser halten kann), sucht nach einer günstigen Absteige, um in Ruhe an seinen Beiträgen zu einem Magazin schreiben ("Weird Tales" lässt grüßen). Die sommerliche Hitze lastet schwer über der Stadt - mit verkniffenem Blick und schweißnasser Stirn blickt Carter über eine menschenleere Straße auf das gegenüberliegende Gebäude. Moore, der auch die Hauptperson verkörpert, lässt erahnen, dass hier echte Schauspieler am Werk sind. als er das Gebäude betritt, um die italienischstämmige Haushälterin nach einem Zimmer zu fragen und sich ein so wunderbar unterhaltsamer wie alltäglicher Dialog entspannt, merken wir, dass sich die Ahnung bewahrheitet. Die wenigen Rollen, die dieser Film bereithält (es sind genau fünf an der Zahl), sind ausgezeichnet besetzt (wobei zwei nur Kurzauftritte haben).
Carter betritt sein Zimmer, das ein Bett, einen Tisch mit Stuhl und einen einsamen, viel zu kleinen Ventilator enthält - sogar den Putz einer Wand hat man sich gespart. Die spartanische Optik unterstreicht die heiße Trägheit, die Stille des Films. Die ebenfalls minimalistische, bedrohlich im Hintergrund dräuende Musik fügt sich in das Gesamtbild - etwas ist falsch. Dieses etwas manifestiert sich in einer stinkenden Flüssigkeit, die aus der Wohnung über Carter tropft. Die so neugierige wie griesgrämige Haushälterin erzählt Carter von dem geheimnisvollen Dr. Muñoz, der schon lange dort oben wohnt und in seiner Wohnung seltsame Gerätschaften beherbergt. Außerdem sei es dort unsäglich kalt - doch als ob die gute Dame merken würde, dass sie zuviel erzählt, fährt sie plötzlich energisch aus dem Zimmer; Carter solle sie gefälligst nicht von ihrer Arbeit abhalten. Die Dialoge bleiben stark, verraten gerade so viel, dass einem wohlig unwohl wird, schießen aber nicht über's Ziel hinaus.

Als der Strom ausfällt und Carter in der glühenden Hitze des Tages einen Herzanfall erleidet, rettet er sich an die Tür des seltsamen Doktors. Dieser heilt ihn; Stück für Stück entwickelt er sich von einer geheimnisomwobenen Person zu einer liebenswerten Persönlichkeit, die aber einen Rest von Schatten bewahrt. Muñoz wird grandios gespielt von Jack Donner, der zum Beispiel in "Star Trek" und "Stigmata" mitwirkte. In langen Gesprächen entspinnt sich seine Lebensgeschichte von so unorthodoxen wie visionären Heilpraktiken, tragischer Liebe und vernichtender Vergangenheit - alles so geschickt geschrieben und gespielt, dass diese alten Themen völlig neu und frisch erscheinen.
Dann fällt die Kältemaschine aus und das Geheimnis lüftet sich. Auch hier bleibt Moore subtil, gibt sich nicht irgendeiner Schaulust hin, sondern bleibt der typisch lovecraftschen Kunst der Andeutung treu.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass meine durchweg hohen Erwartungen nicht enttäuscht wurden: Erstklassige Schauspieler, eine hochklassig umgesetzte Geschichte und einprägsame Bilder erschaffen eine träge, hitzeflirrende Geschichte voll unruhiger Spannung. Bis auf kleine Mankos, die wohl dem Budget (das sich sonst nie negativ bemerkbar macht) angerechnet werden müssen, haben wir es mit einem so großartigen wie werktreuen Kurzfilm zu tun, der auf ganzer Linie begeistert!

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