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One small step for the man - one giant leap for fankind


Ein Cop undercover. Sein Partner ermordet. Er selbst vom Dienst suspendiert. Jetzt will er Rache. Ja, so einfach kann ein Plot sein und das ist gut so. Nicht nur, aber auch weil Chuck Norris die Hauptrolle spielt. Der Ex-Karatechampion war immer dann am besten, wenn er sämtliche Klischees bediente und keine allzu komplexe Handlung seine Stärken verdeckte. Also den Roundhouse-Kick, den Roundhouse-Kick und natürlich den Roundhouse-Kick. In DER GIGANT macht Chuck ausgiebig von dieser Spezialität gebrauch und schafft so ordentlich Licht ins Dickicht der Gegnerscharen. Große Wummen und anderes Kampfspielzeug wären da nur hinderlich, der Mann ist selbst eine Waffe.

Was jetzt wie eine Auflistung der heute so populären Norris-Facts klingt, ist keineswegs lediglich spaßig gemeint. Norris ist nicht nur ein Wegbereiter des Körperkinos der 80er-Jahre, sondern maßgeblich für die Etablierung asiatischer Kampfkunst im amerikanischen Actionfilm verantwortlich. All die VanDammes und Seagals wären ohne Chucks Pionierarbeit gar nicht denkbar. Böse Zungen werden sagen, er hat auch den mimischen Standard fest gelegt, aber das wäre unfair. Der Mann kommt vom Karate und nicht vom Lee Strassberg Institut, was für seine Art von Filmen auch die passendere Referenz ist.

Anno 1981 hatte Norris bereits Erfolgsluft geschnuppert und dem Independent Studio „American Cinema“ drei Hits in Folge beschert. Der finale OCTAGON brachte es bei einem Budget von $2,5 Millionen auf satte rund  $20 Millionen. Nun wurden auch etabliertere Studios auf den blonden Kampfsportkünstler aufmerksam. Produzent Frank Capra Jr. engagierte ein kompetentes Team um den aufstrebenden Actionstar, was den Giganten zu seinem bis dato ambitioniertesten Projekt machte. Regisseur Steve Carver war immerhin bei Exploitation-Papst Roger Norman in die Schule gegangen (BIG BAD MAMA, CAPONE) und Autor William Gray war in ähnlichen Gefilden groß geworden (u.a. THE CHANGELLING, PROM NIGHT, beide 1980). Zwar bewegte man sich nach wie vor im Low-Budget-Bereich, aber im Vergleich zu OCTAGON verdoppelten sich die Produktionskosten, was allein schon beim Cast sichtbar wird.

Als Norris Costars standen so illustre Namen wie Richard Roundtree (SHAFT) und Christopher Lee auf der Besetzungsliste. Vor allem Lee war bereits damals ein überaus gefragter Fiesling - immerhin hatte er auch schon James Bond heraus gefordert -, der auch mit sehr wenig Screentime Akzente setzen konnte. Einen noch bleibenderen Eindruck hinterließ allerdings der hawaianische Wrestler Charles Kalani, Jr., besser bekannt unter seinem Kampfnamen „Professor Toru Tanaka“. Beim deutschen Verleih war man offenbar von Lees Henchman „The Professor“ so angetan, dass man „Eye for an Eye“ kurzerhand in „Der Gigant“ umtaufte, Rollennamentausch inklusive. Für den massigen Kemper war das der Start einer netten kleinen Karriere, so traf er in MISSING IN ACTION 2 erneut auf Norris und in RUNNING MAN sowie LAST ACTION HERO sogar zwei Mal auf Arnold Schwarzenegger.

Es wurde also so einiges aufgefahren vor Carvers Linse und der ließ sich nicht lange lumpen. Norris alias LAPD-Cop Sean Kane bekommt alle Hände voll zu tun bei den Bemühungen die Mörder seines Partners ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Die von TV-Mogul und Drogenboss Morgan Canfield (Christopher Lee) gedungenen Mordbuben sind zahlreich und mit gutem Zureden nicht zu besänftigen. Das ist nicht weiter schlimm, denn die internationale Sprache der Kicke und Tritte beherrscht Sean fließend. Bisweilen bekommt er auch noch Hilfe von seinem Mentor-Kumpel James Chan (Makoto Iwamatsu), der die Fortschritte seines Schülers immer ein wenig nörgelnd kommentiert, damit dieser nicht abhebt. Diese flapsige Komik ist allerdings ein Insidergag der beiden Handkanten-Buddies, außerhalb ihres Kreises des Vertrauens ist Schluss mit lustig, so dass Canfields Schergen in Scharen zu Bode gehen oder gleich das Zeitliche segnen. In diesen Szenen ist Norris Kampfkunst in voller Pracht zu bewundern, soll heißen die Choreographie wird nicht durch schnelle Schnitte unkenntlich gemacht und ihrer Nachvollziehbarkeit beraubt. Norris hat auch nichts zu verbergen, im Unterschied zu vielen zeitgenössischen Action-Darstellern beherrscht er das Kampfsportmetier wirklich, was seinen (Auf-)Tritten eine ganze andere Wucht und Qualität verleiht.

Darüber hinaus weiß Carver auch den Drehort San Francisco entsprechend in Szene zu setzen - in einer Budgetklasse, in der vornehmlich auf Studiosettings zurück gegriffen wird, eher die Ausnahme -, was EYE FOR AN EYE optisch wie atmosphärisch aufwertet. Stil, Ton und Anlage erinnern dabei mehr an das Thrillerkino der vorangegangen Dekade, vor allem an die ebenfalls in San Francisco spielende DIRTY HARRY-Reihe. Typischer 80er-Flair deutet sich dagegen im synthlastigen Score und den übermenschlichen Qualitäten des Helden an, ein Kontrast der zunächst etwas irritiert, im weiteren Verlauf aber den besonderen Charme des Films ausmacht.

Überhaupt ist der Film einer der besten der frühen Norris-Karriere. Der gewollte Schlenker weg von der reinen Martial-Arts-Kampfmaschine, Norris war anno 1981 immerhin bereits 40, hin zu einer breiter angelegten Action-Persona klappt hier ausgezeichnet. Er überzeugt hier nicht nur als Kämpfer, sondern macht auch hinter dem Steuer oder mit diversen Waffen in der Hand eine gute Figur. Die Handlung mag simpel und klischeehaft sein, öffnet sich aber im Vergleich zu den vorangegangenen drei Filmen erkennbar mehr dem Mainstream. Das anvisierte und von Norris auch gern kolportierte Ziel in die Regionen von Burt Reynolds und Clint Eastwood vorzustoßen war natürlich noch in sehr weiter Ferne, aber Richtung und Umsetzung stimmten schon mal.

Angesichts der Qualitäten des Films ist das insgesamt schwächere Einspiel im Vergleich zu OCTAGON überraschend und seinerzeit sicherlich enttäuschend gewesen. Möglicherweise musste sich Norris eingeschworene Fangemeinde erst einmal an die neuen Ambitionen ihres Stars gewöhnen und der Rest traute Norris, sofern er ihn bis dato überhaupt wahr genommen hatte, wohl keine auch noch so zarte Imagekorrektur zu. Es sollte noch zwei weitere Filme dauern, bis der heute als klassischer Norris bekannte Leinwandheld etabliert war. Dass DER GIGANT in dieser Entwicklung gerne übersehen wird, überhaupt eher zu den unbekannteren Norris-Vehikeln zählt, ist doppelt schade. Norris fünfte Kinohauptrolle ist nicht nur der entscheidende Karriereschritt hin zur dritten Action-Kraft hinter dem Superstarduo Stallone und Schwarzenegger, sondern auch im Gesamtkontext seiner Filmographie einer der unterhaltsamsten und abwechslungsreichsten Beiträge. Immerhin bekommt man hier ein Dreifachpaket aus Revenge-Thriller, Martial-Arts-Klopper und Actionfilm geschnürt, solide Wertarbeit inklusive. Da muss man eigentlich nur noch zuschlagen, was wiederum ganz im Sinne von Chuck sein dürfte.

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