Review

Nach all den Worten des Lobes, die ich im Vorfeld über Taegukgi gehört und gelesen hatte, waren meine Erwartungen kaum geringer als den besten Kriegsfilm aller Zeiten (oder zumindest aller mir bekannten Kriegsfilme) zu sehen. Und um das Fazit gleich vorweg zu nehmen, dieser Film hat die enormen Erwatungen weitestgehend erfüllt, was für ein Film!

Der Film erzählt die Geschichte der in Südkorea lebenden Brüder Jin-Tae und Jin-Seok. Von einen Tag auf den anderen werden die beiden aufgrund des Angriffs Nordkoreas zwangsrekrutiert und an die Front geschickt. Ihre Familie müssen sie zurücklassen. Ich hab es dem Film anfangs etwas übel genommen, keinerlei politischen Background oder Informationen zum Kriegsverlauf zu geben. Aber recht schnell wird deutlich, wie genial dieser Schachzug ist, denn der Zuschauer weis, es sei denn er ist bewandert in der koreanischen Geschichte, nie mehr über die Gesamtsituation als die Protagonisten. So stolpert man quasi immer mit von einem blutrünstigen Gefecht zum nächsten, ohne das der Film den Kämpfen selbst einen größeren Sinn oder gar ein nobles Ziel geben würde. So bleibt als einzige Rechtfertigung für ihr Handeln nur der Grund den jeder für sich selbst findet um zu kämpfen, im Falle von Jin-Tae das Wohl seines Bruders.

Unglaublichen Respekt muss man vor der Unparteilichkeit des Filmes haben, mit welcher er den Koreakrieg und die beiden Konfliktparteien darstellt. Anfangs erfährt man über den Norden nur, was uns sie südkoreanische Propaganda einreden will (oder besser gesagt den Südkoreanern), wir bekommen sie als unnahbares Übel aus dem Norden präsentiert (so ist die erste Kampfszene auch nur auf Artelleriebeschus beschränkt). Erst langsam finden die Brüder heraus, dass die Soldaten der Gegenseite auch nur aufgrund einer verblendeten Ideologie auf dem Schlachtfeld stehen und verkennen dabei meist selbst, dass sie aus denselben Gründen dort sind. Der Film konzentriert sich auf die Wandlung der Persönlichkeit im Krieg, aber nicht nur darauf, auch die Wandlung der Mentalität eines Volkes zu Kriegszeiten wird durch die faschistische Kommunistenjagd der Südseite eindrucksvoll dargestellt. Es gibt keine guten, alle Parteien verlieren ihren Anstand und dem Individuum ist es unmöglich sich gegen den kollektiven Wahnsinn zu stemmen. Die Charakter der beiden Brüder gleiten dabei nie aus dem Fokus, der Film statuiert an ihnen quasi ein Exampel, was der Krieg bei den Menschen bewirkt und diese Betrachtung ist ebenso schockierend wie ehrlich und glaubwürdig

In der Darstellung der Schlachten geht Taegukgi weiter als jeder US-Kriegsfilm. Es bleibt nicht bei Feuergefechten und Granatbewurf, in den Schützengräben Koreas stechen sich die Soldaten reihenweise mit Bajonetten ab, Schlagen sich mit Steinen und Stahlhelmen die Schädel ein oder würgen sich hasserfüllt gegenseitig zu Tode. Der Film denkt nicht mal daran hier beschönigend wegzublenden. So muss man Unmengen an Durchschüssen, abgerissenen Gliedmaßen, brennenden Soldaten und ausufernden Bajonettstechereien ertragen wenn man die Kampfhandlungen sehen will. Was sich definitiv lohnt, die Schlachten sind fantastisch inszeniert, haufenweise Statisten rennen und fliegen durch ein Inferno aus Blei und Feuer, wobei jede Actionszene erfolgreich versucht die vorangegangene zu übertreffen. Auch zwischen den eigentlichen Kämpfen gibt es jede Menge unglaublich harter Szenen wie Hinrichtungen oder Lazarettbesuche zu sehen. Allerdings ist nichts davon selbstzweckhaft, der Film braucht diesen Blutgehalt um zu funktionieren und ob man nun draufhält oder es der Phantasie des Zuschauers überlässt ändert wenig am Effekt selbst.

Okay, nun zu den minimalen Schattenseiten von Taegukgi. Einige Elemente der Handlung wirken ein wenig konstruiert, wie die Tatsache, dass genau in dem Moment in dem Jin-Seok heimkehrt die Kommunistenjäger vor der Tür stehen, oder, dass der erste sich ergebende Soldat der angesengt aus einem Bunker in Pjöngjang stolpert ein alter Freund der Familie ist, welcher von der Gegenpartei zwangsrekrutiert wurde. Aber da der Film das dramatische Potential, welches sich aus diesen sagen wir mal Zufällen ergibt, perfekt ausreizt, sehe ich hier von Punktabzug ab. Ein anderes Problem ist der Schnitt, die Szenen sind dermaßen abgehackt, dass man als Zuschauer ständig gezwungen ist sich neu zu orientieren. Ab und zu ist dieser Effekt gewollt und schockierend (Schnitt von gemütlicher Runde am Lagerfeuer mitten in den Granathagel), aber auf Dauer nervt es schon immer mitten in eine neue Szenen geworfen zu werden. Man sollte dem Cutter vielleicht mal erzählen, das man Musik auch über mehrere Szenen legen kann, hier sieht es so aus und klingt vor allem so als wäre der Film komplett mit Tonspur zersägt und neu zusammengefügt wurden. Aber ich bin gnädig und ziehe aufgrund der Stärken nur einen halben Punkt für diese technische Schwäche ab und hoffe auf einen saubereren Directors Cut.

Fazit: Taegukgi ist ein Meisterwerk, einer der dramatischsten, härtesten, fesselndsten und auch noch spektakulärsten Kriegsfilme die es gibt. Trotz knapp zweieinhalb Stunden Laufzeit hat der Streifen keinerlei Längen, stattdessen ist er voll gestopft mit unvergesslichen Szenen und Bildern. Die einzige kleine Schwäche, der ruppige Schnitt, ist vernachlässigbar. Meine unbedingte Empfehlung, ein Must See, auch wenn Taegukgi stellenweise auch hart gesottenen Filmfreunden auf den Magen schlagen kann.

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