Dieses Review widme ich Lee Eun-ju.
Die schockierende Nachricht ihres Selbstmordes wurde gerade heute morgen im Internet verbreitet. Mit ihr verlor Korea eine äusserst talentierte aber auch sympathische junge Schauspielerin. Mögen diese Zeilen bei jedem Leser die Erinnerung an sie wach halten.
Lee Eun-ju wurde 24 Jahre alt.
Jetzt so einfach die Kurve zu bekommen, um den wohl teuersten und erfolgreichsten Film Korea´s zu besprechen, fällt schwer, ist aber unumgänglich.
Taegukgi ist ein Antikriegsfilm der besonders gelungenen Sorte. Ein Antikriegsfilm sollte für mich drei Ziele verfolgen.
1.) Er sollte den Krieg möglichst realistisch und ungeschönt abbilden, all die Greuel und Grausamkeiten müssen gezeigt werden und erst wenn der Zuschauer sich angewidert und angeekelt wegdreht, hat der Film sein Ziel erreicht.
2.) Er sollte den Unsinn des Krieges verdeutlichen, den Trugschluss durch Kampf und Gewalt bzw. Zerstörung ein Ziel erreichen zu können. Im Krieg gibt es keine Gewinner, es gibt am Ende eigentlich nur Verlierer, egal auf welcher Seite man steht.
3.) Der Film sollte den Wandel der Persönlichkeiten und Charaktere aufzeigen, wie verändert sich ein Mensch unter dem Druck gefangen zu sein. Gefangen in den Wirren des Krieges, stets mit dem Tode bedroht und von Anarchie umgeben. Der schleichende Wahnsinn dem viele Soldaten verfallen.
Es gibt für alle drei Punkte auch eine Referenz. Mit Sicherheit stellte "Saving Private Ryan" für mich den Krieg so unverfälscht und grausam wie möglich dar. Was in diesem Film während der Landung in der Normandie gezeigt wird, sprengte alle Normen.
Den Unsinn des Krieges stellte für mich "Das Boot" mit Sicherheit am deutlichsten dar. Den ganzen Film über kämpft man verbissen um etwas, am Ende beenden ein paar Bomben alle Träume und Überzeugungen. Niemals vorher tönte das WARUM??? lauter als beim blubbernden Untergang des Bootes im Hafen von Italien.
Und den Wandel des Menschen im Krieg hat für mich "Full Metal Jacket" am besten getroffen. Die Wandlung der Schuljungen zu Kampfmaschinen ist erschreckend aber zutreffend inszeniert.
Taegukgi versucht nun alles drei in einem Film, man könnte meinen das sei unmöglich, das ist es aber nicht.
Der Film beginnt an einer Ausgrabungsstätte, dort werden die Überreste von Gefallenen einer Schlacht aus dem Koreakrieg ausgegraben. Die Toten sollen identifiziert und beerdigt werden. Man findet auch Teile die zu einem Lee Jin-seok ( als junger Soldat gespielt von Won Bin ) gehören. Da dieser aber noch lebt, versucht man die Herkunft aufzuklären. Der alte Mann wird angerufen und erklärt dass es sich um seinen Bruder Lee Jin-tae ( gespielt von Jang Dong-Kun ) handeln könnte. Dieser ist vermisst und der alte Mann reist zu der Ausgrabungsstätte um seinen vermissten Bruder endlich beerdigen zu können.
Jetzt macht der Film einen Schnitt und erzählt die Geschichte der zwei Brüder die in den Krieg gezwungen wurden. Ohne Vater und mit der stummen Mutter nach Ausbruch des Krieges auf der Flucht, werden sie zwangsrekrutiert und die Familie wird getrennt. Lee Jin-tae muss auch seine Verlobte Kim Young-shin ( gespielt von Lee Eun-ju ) zurücklassen. Der ältere Bruder Lee Jin-tae fühlt sich für seinen jüngeren Bruder Lee Jin-seok verantwortlich und beginnt ihn zu beschützen. Er geht sogar so weit einen Handel mit den Vorgesetzten einzugehen, er will einen möglichen Tapferkeitsorden dafür benutzen seinen Bruder nach Hause schicken zu können. Er meldet sich somit für Himmelfahrtskommandos und versucht seinen Bruder immer aus der Schusslinie zu halten. Allerdings verändert sich Lee Jin-tae zusehens, er bekommt zwar den begehrten Orden verliehen, doch sein Bruder kommt damit nicht nach Hause. Als Lee Jin-tae in den Wirren des Krieges auch seine Verlobte verliert und seinen Bruder glaubt verloren zu haben, wechselt er die Seiten.
Taegugki ist ein epischer und langer Film. Für die Fülle an Message braucht es aber auch diese Länge.
Die Grausamkeiten des Krieges werden hier in einer für mich nicht gekannten Heftigkeit gezeigt. In den Schützengräben tobt ein Kampf Mann gegen Mann, es wird mit Gewehren geschlagen und mit Dolchen erstochen, wenn das nicht mehr geht mit Helmen erschlagen oder mit blossen Händen erwürgt. Menschen werden zu Tieren und fallen massenhaft schreiend und fanatisch übereinander her. Abgetrennte Gliedmassen und herausquellende Gedärme, weggeschossene Schädeldecken und Wunden auf denen Maden krabbeln, daneben zahllose von Kugeln durchsiebte Körper die zuckend um den Betrachter herum in den Schützengraben fallen. Das alles ist extrem hart und die Realitätsnähe wird noch durch die wackelnde Kameraführung unterstrichen. Man meint direkt im Bombentrichter zu sitzen wenn die Granaten einschlagen. In einigen Szenen spritzt das Filmblut bis auf die Linse und färbt diese blutrot. Hier stellt der Film "Saving Private Ryan" in den Schatten und man fragt sich wie weit diese Entwicklung noch gehen kann.
Die Veränderung des Menschen unter dem Druck des Krieges ist in Taegukgi leider nicht so glaubhaft gelungen. Beide Brüder wurden zwangsrekrutiert und wollten diesen Krieg nicht. Sie wussten nicht wirklich viel von Demokratie oder Kommunismus und die Ideologien waren ihnen recht fremd. Sie wurden wie auch beide Teile Korea´s zum Spielball grosser Interessen grosser anderer Länder. In dieser Situation will Lee Jin-tae nur überleben und seinen jüngeren Bruder möglichst schnell wieder nach Hause schicken. Man hat den Eindruck er arrangiert sich mit dem Krieg und mit dieser Situation. Er riskiert sein Leben und tötet Unmengen von Nordkoreanern, bekommt die ersehnte Auszeichnung und dann wendet sich das Blatt. Auf dem Rückzug müssen beide mit ansehen wie südkoreanische Bürgerwehren vermeintliche Spione und Symphatisanten wahllos erschiessen und in Massengräbern verscharren. Das Volk zerfleischt sich selber und niemand traut niemandem mehr. Auch den Tod seiner Verlobten kann Lee Jin-tae nicht verhindern, eine traumatische Szene die seine Welt und den Glauben an alles wohl aus den Fugen bringt.
Aber auch die Kriegsgreuel die vorher auf beiden Seiten gezeigt werden, machen keinen Unterschied zwischen beiden Kriegsparteien. Es werden grundsätzlich keine Gefangenen gemacht und diese Selbstkritik ist schon verblüffend. Hinrichtungen und wahllose Erschiessungen von Soldaten und Zivilisten auf beiden Seiten, hier gibt es kein Gut und Böse mehr, keinen Gewinner und keinen Verlierer.
Aber die Konstruktion dieser Geschichte und die Melodramatik um die beiden Brüder macht dieses Kriegsdrama dann doch etwas schwer glaubhaft. Zufällig kommen beide Brüder natürlich zur Erschiessung der Verlobten Kim Young-shin zum Heimaturlaub. Rein zufällig treiben sie auch einen ehemaligen Freund aus ihrer Stadt im hohen Norden Koreas aus einer Höhle, er ist dort mit einer Gruppe von Soldaten auf der Flucht und wurde wohl ebenfalls zwangsrekrutiert, aber für die andere Seite. Schon stark verblendet vom Krieg und vom Hass versucht Lee Jin-tae alle zu töten, obwohl er doch um die Situation seines ehemaligen Freundes wissen müsste, wurde er doch selber zwangsrekrutiert.
Am Ende dann gar das Überlaufen zur anderen Seite und das melodramatische Ende auf dem Schlachtfeld mit dem Bruder.
Alles sehr konstruiert und in der Masse nicht genügend glaubwürdig, etwas weniger wäre dort dann mehr gewesen.
Dennoch macht das Überlaufen am Ende doch einen genialen Schachzug aus. Wie sinnlos muss ein Krieg sein wenn man ohne Probleme die Seiten wechseln kann?
Vollkommen egal auf welcher Seite ich stehe, das vollkommen grundlose und unnötige Abschlachten geht weiter.
Taugugki zeigt mit überragenden Bildern und tollen Schauspielern wie gekonnt man mittlerweile auch in Korea tiefsinnige und bedeutende Filme drehen kann. Dieser Film braucht sich vor seinen Mitbewerbern aus den USA und Europa nicht zu verstecken, er kann spielend mithalten und sei jedem mit etwas Interesse an dieser Materie ruhig empfohlen. Allerdings sollte man auf einige harte Szenen gefasst sein, Taegugki ist schliesslich ein Film aus Asien.
Mit etwas weniger Melodramatik am Ende wären es glatt 10 Punkte geworden, so bleiben es 9 Punkte für einen richtig sehenswerten Film mit einer wunderbar sensiblen und leidenden Lee Eun-ju, die leider nicht mehr unter uns weilt.