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Der Nord-Süd-Konflikt lässt Südkoreas Filmindustrie nicht ruhen. Seit „JSA“ waren in Filmen wie „Shiri“ oder „2009: Lost Memories“ immer wieder diverse Elemente dieses ewigen Brandherds eingeflochten. Mit der Mammutproduktion „Brotherhood“ versucht sich Regisseur Kang Je-kyu nun an einem epischen Pendant zu Steven Spielbergs „Saving Private Ryan“.

Tatsächlich ist der Streifen mit seinen knapp 3 Stunden ein ausgewälzter, überlanger Kriegsfilm, wie man ihn seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Technisch in etwa auf dem Niveau des nun schon 6 Jahre alten Spielberg-Blockbusters, gibt es einige blutige mit Effekten vollgestopfte Gemetzel zu sehen. Leider hapert es abseits der chaotischen Schlachtfelder an einer arg pathetischen Story zweier Brüder, die unfreiwillig in den Strudel der Kriegsmaschinerie geraten und sich durch sie voneinander entfremden.

Jin-tae (Jang Dong-Kun, „2009 Lost Memories“) und Jin-seok (Won Bin) müssen ihr sorgloses, wenn auch ärmliches Leben, aufgeben, werden zwangseingezogen, hinterlassen Frau wie Mutter und finden sich, ehe sie es sich versehen, an der Front wieder – um zu töten. Jin-tae, als älterer Bruder instinktiv um das Wohl von Jin-seok besorgt, setzt alles daran, um ihn wieder nach Hause zu bekommen. Die einzige Lösung scheint ein Pakt mit seinem Vorgesetzten zu sein und so übernimmt Jin-tae bald regelmäßig die aussichtslosesten und verlustreichsten Kommandounternehmen. Seine eigentliche Intention verliert dabei schnell an Bedeutung. Von der Lust am Töten gepackt, stumpft er ab und wir zum eiskalten, skrupellosen Killer, den Jin-seok gar nicht mehr als seinen Bruder erkennt. Sein Vorgehen zieht Auszeichnungen, Ansehen und Lob nach sich. Längst scheint sein Bruder nicht mehr das Wichtigste in diesem Krieg zu sein...

Bei „Brotherhood“ wird grundsätzlich direkt drauf gehalten und zwar nicht nur während der Gemetzel zwischen Nord und Süd. Da werden, wegen mangelnder medizinischer Versorgung, einem Verletzten Maden (!!) vom Bauch gepult und angebliche, zivile kommunistische Sympathisanten, ohne Prozess, gleich reihenweise abgeknallt. Realismus hin, Realismus her, das ist harter Tobak, der hier so demonstrativ kompromisslos abgeliefert wird. Sicher nichts für zarte Gemüter!

Die ausufernden Schlachten sind dann hollywood-like, nur eben detaillierter. Mit einer hektisch geführten Handkamera werden die Gemetzel eingefangen. Kugeln fliegen uns um die Ohren, von Granateinschlägen aufspritzende Erde fliegt durchs Bild und überall schreiende Menschen – die einen vor Schmerzen, die anderen vor Adrenalin und innerer Anspannung. Blut spritzt, Bajonette werden in die Körper getrieben, Körper von Explosionen zerrissen und von Kugeln durchsiebt – alles sehr explizit festgehalten. Ob im Schnee oder auf einer staubigen Ebene, „Brotherhood“ schenkt reinen Wein ein und füllt immer wieder nach. Menschlichkeit und Erbarmen haben sich aus dieser Szenerie längst verabschiedet. Bis aufs Messer bekämpfen sich die beiden Seiten, nehmen notfalls Helme oder Steine zu Hilfe, töten sich mit den bloßen Händen. Krieg ist nicht schön, das weiß jeder. „Brotherhood“ ruft es uns noch einmal eindringlich ins Gedächtnis. Hier werden Tausende von Menschen sinnlos verheizt. Insbesondere die nach einem Dorfmassaker stattfindende Aktion zur Stillung des Dursts nach Blutrache ist in ihrer Intensität nahezu beispiellos.

Und doch kann „Brotherhood“ nicht vollends überzeugen. Das liegt an der melodramatischen Beziehung der beiden Brüder. Für eine so imposante Laufzeit hat dieser Handlungsstrang viel zu wenig Substanz. Zig mal wird gefühlsduselig in Dialogen auf die anwachsende geistige Distanz eingegangen. Spätestens wenn dann ausgerechnet bei der Heimkehr die Frau „abgeholt“ wird und Brüderlein glaubt, dass sein eigen Blut ein Raub der Flammen geworden ist und darauf überläuft, verliert der Film, bemüht nochmal Spannung konstruierend, an Glaubwürdigkeit. Schade nur, dass er dabei nie über den Tellerrand beziehungsweise seine beiden Protagonisten hinaus blickt.

Wer hier nicht, den in amerikanischen Filmen immer so oft beklagten, Patriotismus vorfindet, sollte sich den Film vielleicht noch ein zweites Mal ansehen. Frei von Klischees ist auch „Brotherhood“ nicht ganz und nur weil Südkorea keine „Stars & Stripes“ schwingt, muss das noch lange nicht wertfrei geschehen. Auch hier ziehen junge Männer freudestrahlend in den Krieg, um, gelenkt von der geschickt manipulierenden Politik, ihr Leben für ihr Land zu geben – Fahnen schwingen inklusive.

So bemüht Kang Je-kyu auch um einen epischen Charakter ist, etwas Außergewöhnliches, Denkwürdiges will sich hier nicht einstellen. „Brotherhood“ nähert sich schon sehr deutlich dem westlichen Mainstreamkino und folgt damit dem Trend von Streifen wie „Tube“ und „Yesterday“. Aussagen, wie sinnlos Krieg doch ist und wie verbrämt und blind man doch den Befehlen gehorcht sind längst bekannt. Hier wird ihnen nichts Neues hinzugefügt. Was ihn von westlichen Produktionen unterscheidet, ist die mitunter etwas kitschige Bruderbeziehung. Traditionell versteht sich das asiatische Kino besser darauf in solchen Effektschlachten seinen Figuren mehr als nur einen einfachen scheinheiligen Anstrich zu verpassen. Das ist Lobenswert, hier jedoch viel zu wenig.


Fazit:
Überlanger, technisch einwandfreier Kriegsfilm, der einige Schlachtinfernos vom Stapel lässt und sich vor westlichen Produktionen nicht zu verstecken braucht. In seinen ständigen Bemühungen auch alles schonungslos zu zeigen, ist er Hollywood einen Schritt voraus. Leider hapert es nebenher mit der Geschichte, denn für so einen dreistündigen Film ist die sich nur zäh entwickelnde Beziehung der beiden Brüder als Lückenfüller etwas zu wenig. Dennoch eine allemal beeindruckende Schlachtplatte, die ich Südkoreas Filmemachern so nicht zugetraut hätte. Für Genrefans ist das hier Pflichtprogramm.

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