Ein Mann wird entführt und findet sich eingesperrt in einer Art privatem Gefängnis wieder. Er hat keine Ahnung, von wem oder warum ihm das angetan wurde. Aus dem Fernsehen (das ist so ziemlich das einzige, was er in seinem Zimmer hat) erfährt er, dass seine Frau und sein Kind ermordet sind und er der Täter sein soll. Nach 15 Jahren, in denen er sich die Zeit mit Trainieren, Fernsehen und dem Verfassen eines Tagebuchs vertrieben hat, wird er plötzlich freigelassen. Er macht sich auf die Suche nach seinem Entführer und dem Grund für sein Eingesperrtsein und will Rache nehmen. Was er nicht ahnt: damit geht das Spiel, das mit seiner Entführung angefangen hatte, erst richtig los.
Park Chan-wooks letzte Filme Joint Security Area und Sympathy for Mr. Vengeance gehören sicher zu den interessantesten Filmen, die in den letzten Jahren aus Südkorea kamen. Ersterer ist ein brillanter und tiefgründiger Thriller über Grenzsoldaten an der nord-südkoreanischen Grenze; letzterer ein drastisches Rachedrama, das an Pessimismus seinesgleichen sucht. Und genau an dieser Thematik scheint Park Chan-wook Gefallen gefunden zu haben, denn in Old Boy geht es wieder um eine düstere Rachegeschichte, ergänzt mit einer Love-Story, die aber auch nicht wesentlich heiterer und optimistischer ist. Old Boy lässt sich ein bisschen mit den Werken von David Fincher vergleichen, geht aber in seiner Radikalität noch mehrere Schritte weiter; ebenso tun sich einige Parallelen zu Uhrwerk Orange von Stanley Kubrick und Filmen wie Blue Velvet von David Lynch auf. Es gibt einige recht eklige Szenen zu sehen, z.B. wie der Hauptdarsteller einen lebenden, zappelnden Tintenfisch verschlingt oder jemand anderem mehrere Zähne mit der spitzen Seite eines Hammers ausreißt. Die letzte halbe Stunde des Films ist dann – ähnlich wie bei Sympathy for Mr. Vengeance – richtig fies ausgefallen. Immer, wenn man denkt, dass es nicht noch schlimmer kommen kann, dann tun sich weitere dramatische Abgründe auf, in die der Hauptdarsteller (und mit ihm der Zuschauer) hineingerissen wird. Im Vergleich dazu sind Sieben, The Game oder Fight Club Werke des Frohsinns.
Auch optisch gesehen ist Old Boy ein absolutes Bravourstück geworden. Sowohl von der Kamera als vom Schnitt her gehört der Film zum besten, was es seit Jahren zu sehen gab. In nahezu jeder Szene gibt es ungewöhnliche Kameraeinstellungen und –fahrten. Dass die Schauspieler, allen voran Hauptdarsteller Choi Min-Sik (bekannt aus Shiri), ebenfalls auf höchstem Niveau agieren, die Dialoge Klasse haben und das Drehbuch überaus intelligent ist, versteht sich fast schon von selbst. Gekrönt wird der Film durch einen hervorragenden Soundtrack.
Fazit: Mit Old Boy zementiert Park Chan-wook endgültig, dass er nicht nur in Korea der derzeit talentierteste und aufregendste Filmemacher ist, sondern sich weltweit hinter großen Namen wie David Fincher, David Lynch oder Quentin Tarantino keineswegs verstecken muss. Verdientermaßen wurde der Film soeben beim Filmfestival in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet (nicht zu verwechseln mit der Goldenen Palme, die an die Anti-Bush-Dokumentation Fahrenheit 9/11 von Michael Moore ging). Old Boy ist ein provokantes Meisterwerk, wie man es nicht allzu oft zu sehen bekommt. Wer einen schwachen Magen hat oder zu Depressionen neigt, sollte aber lieber Abstand nehmen. 10/10