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„Oldboy" - der Mittelteil einer in sich nichtzusammenhängenden Rache-Trilogie von Park Chan-Wook, welche mit „Sympathy for Mr. Vengeance" begann und mit „Lady Vengeance" zu Ende geführt wurde. Allerdings sind alle 3 Werke in sich abgeschlossene Geschichten, welche 3 unterschiedliche Rachestorys erzählen. „Oldboy" wurde von Medien sowie Kritikern hoch gelobt - den GroßenPreis der Jury von Cannes hatte er 2004 auch gewonnen. Besonders großen Erfolg hatte er an den deutschen Kinokassen nicht sonderlich, auch auf DVD hielt sich der Ruhm in Grenzen. Was vielleicht daran liegen mag, dass das asiatische Kinodem europäischen Publikum doch etwas zu eigenwillig vorkommen mag. Es stimmt inder Tat, das Asien eine ganz persönliche Art erfunden haben, Geschichten zu erzählen. Und das nicht jedem dieser Stil gefällt, ist ja auch kein Weltuntergang. Dennoch ist angesichts der Perfektion, mit der Chan-Wook seinen Hauptdarsteller dirigiert, es fast ein Jammer, dass dem großen Publikum diese kleine, aber feine Perle wohl unbekannt bleiben wird. Bei allen Lobpreisungen -der Film ist kein Meisterwerk Er ist auf seine Art sehr speziell und sicherlich für viele Cineasten ein wahrer Geniestreich. Allerdings darf man Angesichts der immensen Wucht nicht auf Wolke 7 schweben und den Film als ein Meisterwerk des asiatischen Kinos preisen, denn das ist er auf jeden Fall nicht...


Chan-Wooks Story handelt von einem Mann, der 15 Jahre lang eingesperrt wird. Nach dem er fliehen kann, sinnt er auf Rache. Stück für Stück wird diese auch irgendwie befriedigt. Doch genau die Befriedigungen ist der Totalabsturz für Oh Dae-Su. Die ersten Minuten, in denen der Charakter eingeführt wird bis hin zu seiner etwas konstruierten Flucht sind ein absoluter Leckerbissen für Freunde der gehobenen Filmkunst. Ungewohnt selbstironisch erzählt Oh Dae-Suin einem inneren Monolog, wie er sich in diesem „Gefängnis" gefühlt hat. Die Erzählweise ist sehr ruhig und schießt nicht über ihr Ziel hinaus sondern, trifft genau den Grundton, der dem Publikum erlaubt, sich in den Charakter hineinzuleben, nicht aber den tragischen Hintergrund aus den Augen lässt. Dieleicht grotesk-angehauchte Szene mit den Ameisen, die urplötzlich aus allen Körperöffnungen von Oh Dae-Su zu fliehen scheinen, zeigt eindrucksvoll die innere Zerrissenheit des Protagonisten. Gleichzeitig realisiert man als Zuschauer auch, das die lange Zeit im Gefängnis und die Abgeschottenheit zur realen Welt Oh Dae-Su dazu bringt, den Verstand allmählich zu verlieren. Er fühlt sich alleine, verlassen. „Wenn sich Menschen alleine fühlen, sehen sie Ameisen". Man könnte an dieser Stelle auch auf schizophrenes Verhalten tendieren,angemessener wäre hier jedoch die Vermutung auf eine schizoide Art der Persönlichkeitsstörung, die eventuell auf Oh Dae-Su lasten könnte. Doch da Regisseur Chan-Wook nicht weiter auf die Psyche seines Hauptdarstellers eingeht, wäre es kontraproduktiv, diese hier jetzt mehr auszuleuchten.Chan-Wook streift zwar ansatzweise die inneren Konflikte, doch sind diese keineswegs ausgearbeitet und dienen hier alleine dazu, den Selbstjustiz nicht zu glorifizieren.   

„Ich möchte dir gerne meine Geschichte erzählen, springen kannst du später!"  

Der makabre, schwarze Humor blitzt ab und an auf, übernimmt aber nicht die Zügel der Storyline. Allerdings hat der Film nur im ersten Drittel diese humoresken Züge, welche allerdings leicht mit unfreiwilliger Komik zu verwechseln sind. Unfreiwillige Komik ist in diesem Film nicht zufinden. Es gibt ein paar Szenen, in denen der Humor sehr unpassend gewählt ist,aber genau dieser subversive Stilbruch zeichnet dieses Novum des Asia-Kinos aus. Außerdem ist ein Gesundes Maß an Absurdität nie fehl am Platz. Und dazugehören auf jeden Fall die 2 Ameisen-Sequenzen. Welche wirklich der ansonsten sehr realistisch gehaltenen Rachestory einen surrealen Touch verpassen. 
Die Wendung. Oh Dae-Su ist draußen, findet sehr schnell Kontakt zu einem Mädchen, welche ihn aufnimmt und auf Anhieb vertraut. Sehr unglaubwürdig ist dieser sofortige Aufbau einer vertrauenswürdigen Beziehung.Allerdings wird sie gen Ende des Films auch erklärt. Wieso der Aufbau so prompt stattfinden konnte - und auch erfolgreich. Allerdings lässt es dem Zuschauer nicht wirklich in Ruhe. Sehr rasch wird hier nun erzählt. Keine Erklärung, jedenfalls keine große. Ein mulmiges Gefühl bekommt man im Magen. Okay, kann man durchgehen lassen. Außerdem ist der neue Hauptcharakter auch nicht irgendwer. Ihr Name ist Mido - und sie verliebt sich sofort in Oh Dae-Su. Sie ist hübsch und attraktiv, meistert die Rolle der sensiblen Persönlichkeit gekonnt und mit der nötigen Portion Mädchen-Charme. Sie freunden sich schnell an, doch Oh Dae-Su ist anfangs etwas skeptisch. Der Darsteller von Oh Dae-Su meistert seine Rolle auch sehr gut. Die emotionale Kälte sowie die warmen Szenen mit Mido nimmt man ihm alle ab. Er trägt sehr viel zur dichten Atmosphäre des Films bei. Auch die Location. Welche größtenteils sehr grau ist, dunkel, düster - und sehr kalt. Passend zum Thema. Chan-Wook lässt kein Detail aus. Alles ist miteinander abgestimmt.   

Die virtuose Inszenierung von Chan-Wook zeigt ganz genau, worauf er hinaus will. Sein Film konzentriert sich einzig und alleine auf den Rachefeldzug von Oh Dae-Su. Was seine Regie aber wirklich auszeichnet, sind die wenigen, aber dafür sehr innovativen Folterszenen. Mit dem Hammer. Vor allem die erste ist wie eine Oper inszeniert. Untermalt von klassischen,instrumentalen Musikbegleitungen massakriert Oh Dae-Su liebevoll sein Opfer. Er empfindet kein Mitgefühlt. Und diese Kälte überträgt sich auch auf den Zuschauer, da eben jene sehr untypisch gewählte, aber gleichzeitig sehr mutig eingesetzte Musik die Folterung nicht als Brutalität in dem Sinne definiert -sondern als Befreiung. Was dem Film leicht zum Opfer des Vorwurfs der Selbstjustiz macht. Zum Glück artet der Film nicht aus und startet ein unüberschaubares Massaker - auch wenn hier viel und sehr kreativ gemordet wird. Der obligatorische Selbstjustizvorwurf ist hier definitiv fehl am Platz, da diese Art von Position aus einem völlig neuem Blickwinkel betrachtet wird. Man feiert nicht Dae-Sus Rachefeldzug, da ihm dieser nicht sonderlich viel weiterbringt bzw. nur noch mehr Probleme und offene Fragen bringt. 
Allerdings bleibt der Film nicht gänzlich klischeefrei. Die für asiatische Verhältnisse jedenfalls handelsübliche erotische Sequenzen sind auch hier zu finden, wenn auch nicht im großen Stil, sondern eher als nebensächliche Zwischenhandlung. Chan-Wook hat den Spies quasi umgedreht. Er macht das Klischee zum Film. Mit Sex begann alles - mit Sex endet alles. Die Lust der Männer führte zur Zerstörung. Und zwar auf beide Parteien. Clever verpackt er diese Botschaft in seinen Rachefeldzug - nur war eben jene Botschaft nicht jedem klar. Auch wenn die Erotik sehr subtil gehalten ist, greift sie gerade ein sehr kontroverses Thema auf. Und zwar die der Inzucht. Chan-Wook macht es zwar zum Thema, wälzt es aber nicht weiter aus und konzentriert sich mehr auf die Personen als die Aktion an sich. So verkommt der Film nicht zu unnötigen Sexszenen, wie man sie oft von asiatischen Filmen gewohnt ist.   

Das Finale. Die beste Szene im ganzen Film. Das große Geheimnis wird gelüftet. Die Atmosphäre ist kühl. 3 Protagonisten. Ein Raum. Die Entscheidung. Hier entfaltet sich noch einmal Chan-Wooks ganze Meisterschaft. Das ist die intensivste und emotionalste Szene im ganzen Film. Viel erschlagender als die vorangegangenen Folter- und Racheszenen. Was genau geschieht, wird nicht verraten. Aber eins steht fest. Mit so etwas rechnet man sicher nicht. Auf dem ersten Blick mag die Auflösung zwar ein klein wenig enttäuschend rüberkommen, aber im Nachhinein lässt sich der klug montierte Film wie ein Puzzle zusammensetzen. 
Die Story ist sehr klein und nicht sonderlich komplex, es handelt sich hier mehr um einen Privatkonflikt. Aber er wird groß ausgearbeitet.  

Pak Chan-Wook ist ein kleiner Geniestreich gelungen, der mit einem famosen Intro überzeugt, das sowohl Komik als auch leise aufkochende Spannung beinhaltet. Der Spannungspegel schwankt im Laufe des Films sehr arg, in der Mitte gibt es sogar stellenweise kurzen Leerlauf, das fällt aber nicht weiterhin ins Gewicht. Den Optik und Inszenierung sind 1A. Und die beiden Hauptdarsteller spielen ihre innerlich zerrissenen Persönlichkeiten mit Verve -mit teilweise beeindruckendem Mut zur Selbstironie. Vor allem was Oh Dae-Su betrifft, welcher im finalen Schlussakkord noch eine sehr ergreifende Selbstdemütigung durchstehen muss. Chan-Wook dirigiert eine stilisierte Gewaltoper - mit Hass als Dirigent. Die ist zwar weniger spektakulär alsQuentin Tarantinos thematisch sehr ähnlichem Racheepos „Kill Bill" ausgefallen,aber dafür intelligenter und origineller. Es ist für wahr kein Meisterwerk, so sehr hoch gelobt er auch sein mag, aber er geht definitiv über der gängigen Thrillerkost hinaus. Und nicht nur dies. Man erfährt auch ganz beiläufig, wie man eine nicht mehr benötigte Zahnbürste clever recycelt!    

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