Review

Mit "Oldboy" kommt der zweite Teil von Park Chan-wooks "Vengeance-Trilogie". War der erste Teil noch grenzenlos düster, depressiv und voller Gewalt, so gibt es am Ende von "Oldboy" sowas wie eine Spur von Hoffnung und im letzten Shot sogar das einzige Gegenmittel für die Hass- und Rachetiraden des Films. Es geht wieder um Rache, Hass und Vergebung, es geht um Liebe, Schmerz und alle extremen Empfindungen dazwischen und nicht zuletzt auch um eine grosse perfide Manipulation. Die Auflösung ist hier schon fast unverschämt banal, doch kommen zu den optischen Finessen des Regisseurs hier noch lyrische Weisheiten dazu.

"Ob ein Sandkorn oder ein Stein, im Wasser gehen beide unter."
"Lache und die ganze Welt lacht mit dir, weine und du weinst allein."

Zwei einfache Sätze die zusammen mit dem Film allerdings schwergewichtig werden. War "Sympathy for Mr.Vengeance" noch sehr distanziert und viel zu kühl, so ist man als Zuschauer bei "Oldboy" näher bei den Akteuren und erlebt Sympathie und Abscheu mit beiden Hauptakteuren unmittelbarer mit. Die Story ist wiederum ein unaufhaltsamer Zug in den Abgrund, eine Achterbahnfahrt der Gewalt und ein Hin und Her zwischen Hass und Unterwürfigkeit beim Hauptdarsteller. Ein perfides und inszeniertes Katz und Maus-Spiel findet in einem denkwürdigen Finale bei einem Twist der Sonderklasse seinen Abschluss. Dieser falsche Fuss auf dem Park Chan-wook seine Zuseher dabei erwischt tut schon geradezu weh und lässt einem die Nackenhaare aufstehen. Die Bilder sind eine Wucht, die Schauspieler grandios, die Filmmusik suggestiv doch die Überlänge ist wie bei vielen südkoreanischen Filmen auch hier wieder vorhanden. Etwas knackiger in der Lauflänge und etwas weniger geschmacklos in den Bildern ( die Tintenfischszene und das Abschneiden der eigenen Zunge sind aus verschiedenen Gründen geschmacklos ) und es wären 10 Punkte geworden.

Der Familienvater Oh Dae-su ( grandios gespielt von Choi Min-sik ) wird nach einer Zechtour von seinem Bruder auf der Polizeiwache abgeholt. Seine Tochter hat Geburtstag und volltrunken ruft Oh Dae-su sie aus einer Telefonzelle an. Dabei verschwindet er spurlos.
Oh Dae-su findet sich eingesperrt in einer Zelle wieder. Er hat ein Bad und ein Bett, einen Fernseher als einzigen Kontakt zur Aussenwelt und durch eine Klappe am Boden der Türe bekommt er Essen und Trinken. Er weiss weder wo er sich befindet, noch warum er eingesperrt wurde ; er weiss nicht von wem und verliert nur wegen dem Fernseher nicht sein komplettes Zeitgefühl. Aus dem Fernseher erfährt er auch vom Tod seiner Frau, er selber wird für den Mörder gehalten und ist somit nun steckbrieflich gesucht. Sein gesamtes Leben ist zerstört und Oh Dae-su droht wahnsinnig zu werden. Mehrfach versucht er sich das Leben zu nehmen, immer verhindert durch die geheimnissvollen Wächter an seiner Zellentüre. Von Zeit zu Zeit durch Gas betäubt bekommt er die Haare geschnitten und die Zelle aufgeräumt. Nach unvorstellbaren 15 Jahren und nur noch von Rachegelüsten am Leben gehalten kommt Oh Dae-su frei.
In der Freiheit wird er scheinbar weiterhin beobachtet ; er wird mit Geld versorgt und sein unsichtbarer Gegner will von ihm in 5 Tagen gefunden werden. Oh Dae-su soll die Frage des Warums klären und sein Gegner wünscht sich ein abschliessendes Finale mit ihm. Somit stellt sich also für Oh Dae-su nicht die Frage warum er eingesperrt wurde, sondern warum er freigelassen wurde. Scheinbar zufällig trifft er auf die hübsche und unschuldig wirkende Mi-do ( gespielt von Kang Hye-jeong ) und die beiden verlieben sich ineinander. Nach ewig langen 15 Jahren hat Oh Dae-su wieder Sex mit einer Frau. Sie hilft ihm dabei seinem Widersacher auf die Schliche zu kommen und tatsächlich zeigt der sich bald sehr offen und fast schon überheblich arrogant. Der sehr reiche und erfolgreiche Unternehmer Lee Woo-jin ( gespielt von Yu Ji-tae ) gibt sich als sein Gegner zu erkennen und scheint ein durchtriebenes und perfides Spiel aus Rache und Vergeltung mit Oh Dae-su zu spielen. Doch was treibt diesen Mann zu einer solch unverständlichen Rachetat und was will er damit erreichen?

Mit der letzten Frage ist auch die Kernfrage und das Kernproblem des Films umrissen. Was treibt uns zur Rache und was passiert wenn wir sie genommen haben? Wenn nur noch Rache die Triebfeder unseres Lebens ist dann muss es doch enden wenn die Rache genommen wurde? Was lässt uns dann noch weiterleben? Der letzte Shot des Films sollte diese Frage beantworten.
Die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Story ist damit allerdings nicht beantwortet. Diese Story ist sehr anstrengend konstruiert und wenig glaubwürdig. Dennoch ist der Film ein richtiges Erdbeben und kommt einer Naturgewalt gleich daher. Es ist ein Film der absolut weh tut, eine Achterbahnfahrt der Gefühle und ein Einblick in die menschlichen Abgründe der Seele.
Die Inszenierung ist absolut grandios und einige Bilder sind extrem stimmungsvoll und perfekt eingefangen. Choi Min-sik spielt mal wieder seinen Traumpart, eine kaputte Figur mit viel Herzschmerz und Sehnsucht in sich. In "Failan" ist er ebenso überzeugend nur spielt er in "Oldboy" noch etwas irrer und kaputter. Sein Gegner wird ebenfalls etwas irr und menschlich entrückt dargestellt ; Yu Ji-tae spielt eher zurückhaltend und asiatisch kühl aber dennoch getrieben von übermächtigen und schmerzenden Gefühlen.
Der einzig menschliche und warme Gegenpol zu den beiden ist die hübsche und sehr unschuldig wirkende Kang Hye-jeong. Sie verkörpert die Liebe inmitten des Hasses und der Rache der beiden Hauptpersonen. Gerade diese Konstellation in Verbindung mit der Story lassen das Ende so abgrundtief böse aussehen.
Mit einer suggestiven Melodie als Erkennungszeichen des Films und diesen Schauspielern in einer solch grandiosen aber leider etwas unglaubwürdigen Story, bildet sich mit "Oldboy" ein weiteres Juwel des asiatischen Kinos heraus das es zu bestaunen gilt. Nur durch leichte Überlänge und durch die Unglaubwürdigkeit der Storyline geht es an den 10 Punkten vorbei. Unbedingt anschauen und keine Angst vor sich windenden Tieren und Körperteilen haben.

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